VwGH 2000/14/0154

VwGH2000/14/015416.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des J A in E, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Anton Egger, Wirtschaftsprüfer in 2344 Maria Enzersdorf, Gießhüblerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 21. Juni 2000, Zl. RV 193/1-7/1998, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die vom Beschwerdeführer für 1996 geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung - er arbeitete seit 1. April 1994 in Wien, der Familienwohnsitz war rund 200 km von Wien entfernt in E. - insofern nur teilweise anerkannt, als die geltend gemachten Aufwendungen nur für 3 Monate anerkannt und darüber hinaus um steuerfrei ausbezahlte Bezüge gemäß § 26 EStG 1988 (anteilsmäßig für 3 Monate) gekürzt wurden.

Begründend führte die belangte Behörde zur Rechtslage nach dem EStG 1988 im Wesentlichen aus, laut "ständiger Verwaltungsübung" rechtfertige erst die Erzielung steuerlich relevanter Einkünfte durch den Steuerpflichtigen im Bereich des Familienwohnsitzes die dauernde Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung. Weiters sei die dauernde Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung dann gerechtfertigt, wenn der Ehepartner am Familienwohnsitz relevante Einkünfte erziele. Der Beschwerdeführer habe aus seiner am Familienwohnsitz ausgeübten Tätigkeit im berufungsgegenständlichen Jahr (und seit dem Beginn dieser Tätigkeit laufend) Verluste erzielt. Diese seien daher weder als relevante Einkünfte zu qualifizieren, noch sei die erkennbare Absicht ausschlaggebend, in späterer Zeit bei höherem Bekanntheitsgrad seines Namens keine Verluste mehr zu erwirtschaften. Ebenso sei hinsichtlich der Einkünfte der Ehefrau des Beschwerdeführers am Familienwohnsitz zu argumentieren, zumal diese im berufungsgegenständlichen Jahr noch nicht einmal mit der Erzielung von Einkünften begonnen habe. Die (im Verwaltungsverfahren vorgetragenen) Umstände, weshalb sich die Ehefrau des Beschwerdeführers hinsichtlich ihrer (im Jahr 1996 geplanten und ab dem Jahr 1997 ausgeübten) Tätigkeit für einen Firmenstandort in E. entschieden habe, könnten daher unbehandelt bleiben.

In weiterer Folge hielt die belangte Behörde fest, es sei grundsätzlich die Frage zu klären, ob der von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommene Zeitraum als zur Verlegung des Wohnsitzes in den Nahebereich der Arbeitsstätte in Wien zumutbar zu sehen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auf den Einzelfall abzustellen. Umstände des Einzelfalles könnten langfristig die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung bedingen, so etwa bei einer schwierigen Wohnungssuche oder bei einer fehlenden Möglichkeit der Schulausbildung der Kinder, wenn der Steuerpflichtige bereits 60 ist und nicht länger als bis 65 berufstätig sein werde, oder - nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1991, 88/13/0121, - auch bei besonders gelagerten Pflegenotwendigkeiten. Laut "ständiger Verwaltungsübung" sei bei verheirateten Arbeitnehmern grundsätzlich von einem Zeitraum von zwei Jahren auszugehen. Da im Beschwerdefall keine Umstände vorgebracht worden seien, die der zitierten Verwaltungsgerichtshof-Judikatur vergleichbar wären, sei davon auszugehen, dass grundsätzlich die Umstände für eine Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes in den Einzugsbereich der Arbeitsstätte des Beschwerdeführers innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren vorgelegen seien. Die über den März 1996 in Zusammenhang mit Familienheimfahrten und doppelter Haushaltsführung hinaus geltend gemachten Kosten seien daher nicht mehr als Werbungskosten, sondern als nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung zu qualifizieren.

Was die anteilsmäßig von den berufungsgegenständlichen Werbungskosten abgezogenen steuerfreien Bezüge gemäß § 26 EStG 1988 betreffe, sei zu bemerken, dass der lapidaren Mitteilung einer (namentlich genannten) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wonach "darin Kilometergeld, Taggeld und Diäten enthalten" seien, nicht zu entnehmen sei, dass diese steuerfreien Beträge nicht die Familienheimfahrten betroffen hätten. Die Berufung sei daher "auf Grund des nicht erbrachten Beweises" auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. August 2004, 2000/13/0083).

Soweit sich die belangte Behörde unter Zitierung von Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Kommentar III B, § 16 Abs. 1 Z. 6 Tz 3, auf eine "ständige Verwaltungsübung" stützt, wonach bei verheirateten Arbeitnehmern "grundsätzlich von einem 2-jährigen Zeitraum auszugehen" sei, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Kommentar unter Berufung auf die Lohnsteuerrichtlinien nur auf eine entsprechende Faustregel hinweist. Zutreffend geht aber auch die belangte Behörde der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof entsprechend (zunächst) davon aus, dass die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist. In der Folge berücksichtigt die belangte Behörde die Umstände des Einzelfalles aber nicht ausreichend, wenn sie ausgehend von näher angeführten, in der Judikatur neben zahlreichen anderen auch behandelten Fällen meint, es seien keine Umstände vorgebracht worden, die der zitierten Judikatur vergleichbar wären und daher von einer Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung innerhalb des von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommenen Zeitraumes auszugehen wäre. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in dem von der belangten Behörde unter anderem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1991, 88/13/0121, nicht nur - wie im angefochtenen Bescheid dargestellt - besonders gelagerte Pflegenotwendigkeiten als im Einzelfall zu berücksichtigende Umstände bezeichnet werden, sondern auch eine für spätere Jahre beabsichtigte Wiederaufnahme einer freiberuflichen Architektentätigkeit als gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes bezeichnet wird. Im Beschwerdefall wurde ein ähnlicher Sachverhalt, nämlich eine am Familienwohnsitz sogar schon ausgeübte Tätigkeit behauptet. Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer aus dieser Tätigkeit im strittigen Zeitraum noch keine positiven Einkünfte erklärt hat, er ist allerdings von einem beabsichtigten Ausbau der entsprechenden Aktivitäten ausgegangen. Die belangte Behörde hat im Übrigen nicht dargetan, dass die Tätigkeit längerfristig nicht als Einkunftsquelle anzusehen und zudem solches in den Streitjahren bereits für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen wäre.

Der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ansicht der belangten Behörde, dass auch der Plan "in späterer Zeit bei höherem Bekanntheitsgrad keine Verluste mehr zu erwirtschaften", keinen Umstand darstellen kann, die (im Streitjahr erfolgende) Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar erscheinen zu lassen, kann daher unter den im Beschwerdefall gegebenen Umständen auch unter Vernachlässigung des erstmaligen und daher dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegenden Beschwerdevorbringens, wonach der Beschwerdeführer in den Jahren 1997 bis 1999 jeweils positive Einkünfte erzielt habe, nicht gefolgt werden. Die Begründung des angefochtenen Bescheides trägt daher schon deshalb dessen Spruch nicht, wonach die Kosten der doppelten Haushaltsführung nur bis einschließlich März 1996 anzuerkennen waren.

Aber auch die (anteilsmäßige) Kürzung der Werbungskosten um steuerfreie Bezüge gemäß § 26 EStG 1988 allein mit der Begründung, ein Beweis dafür, dass die entsprechenden, vom Dienstgeber ausbezahlten Bezüge nicht Familienheimfahrten betroffen hätten, sei nicht erbracht worden, ist verfehlt. Insbesondere in seiner Eingabe vom 26. Juni 1998 hat der Beschwerdeführer dargetan, dass er die in Rede stehenden Bezüge für Dienstreisen im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter der G. erhalten habe. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zur Beschwerde meint, eine "Bestätigung", dass diese "Kilometergelder, Taggelder und Diäten" nicht Familienheimfahrten beträfen, sei nicht erbracht worden, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde gar nicht behauptet, eine entsprechende Aufforderung zur Vorlage einer solchen Bestätigung an den Beschwerdeführer gerichtet zu haben. Es ist aber eine entsprechende Aufforderung nach den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht aktenkundig.

Da sich der angefochtene Bescheid aus den angeführten Gründen als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. März 2005

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