VwGH 2000/20/0010

VwGH2000/20/00103.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Werner Klement, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 12. August 1999, Zl. WA 110/1999, betreffend Ausfolgung von sichergestellten Waffen und Zuerkennung einer Entschädigung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
WaffG 1986 §12 Abs1;
WaffG 1986 §12 Abs4 Z1;
WaffG 1986 §12 Abs5 Z2;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs3 Z1;
WaffG 1996 §12 Abs5 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Entschädigung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen, nämlich soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag auf Ausfolgung näher bezeichneter Waffen abgewiesen wurde, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 19. April 1995 wurde über Dr. Hellfried M. gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 520/1994), ein Waffenverbot erlassen. Dieser Bescheid, der Dr. M. am 12. Mai 1995 zugestellt wurde und nach ungenütztem Ablauf der Berufungsfrist am 26. Mai 1995 in Rechtskraft erwachsen ist, enthält unter anderem den Hinweis, dass sichergestellte Waffen und Munition mit Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes als verfallen gelten. Weiters wird auf die mit drei Jahren befristete Möglichkeit eines Antrages auf Entschädigung für die verfallenen Waffen hingewiesen.

Nach dem Bericht vom 12. Mai 1995 wurden Munition und folgende Waffen sichergestellt:

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 30. November 1999, B 1590/99, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde erwogen:

1. In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer seinen bereits im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt, die sichergestellten Waffen hätten im gegenständlichen Fall nicht als verfallen zu gelten. Die Anordnung des Verfalls sei "nur unter dem Aspekt" gerechtfertigt, dass eine Gefahr der missbräuchlichen Verwendung bestehe. Eine missbräuchliche Verwendung der Waffen durch Dr. M. sei aber nicht vorgelegen. Es seien bei Dr. M. lediglich medizinische Gründe gegeben gewesen, welche seine "Verlässlichkeit" in Zweifel gezogen hätten. In diesem Zusammenhang vertritt der Beschwerdeführer auch noch in der ergänzten Beschwerde die Auffassung, durch den Verfall werde unzulässig in sein Eigentumsrecht eingegriffen, und regt im Hinblick auf von ihm geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 12 Abs. 4 Waffengesetz 1986 die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens an. Zu der von der belangten Behörde angenommenen Verfristung entgegnet der Beschwerdeführer schließlich, erst mit Zustellung des Beschlusses des Verlassenschaftsgerichtes am 15. Dezember 1998, mit dem ihm "das Eigentum an den sichergestellten Waffen bzw. der Anspruch auf Antragstellung zur Ausfolgung zugesprochen worden ist", sei ihm eine Antragstellung "gemäß § 12 (5) Z 2 leg. cit." möglich gewesen.

2. § 12 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443 (in der bei Erlassung des Waffenverbotes geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 520/1994), lautete auszugsweise:

"Waffenverbote

§ 12. (1) Die Behörde hat einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

(2) ...

(3) Die im Besitz der Person, gegen die ein Verbot nach Abs. 1 erlassen wurde, befindlichen

  1. 1. Waffen und Munitionsgegenstände
  2. 2. ...

    sind von der Behörde unverzüglich sicherzustellen.

(4) Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Verbotes nach Abs. 1 gelten

1. die sichergestellten Waffen und Munitionsgegenstände als verfallen;

2. ...

Die Behörde hat dem Betroffenen auf Antrag für die verfallenen Waffen, soweit er deren rechtmäßigen Erwerb nachweist, mittels Bescheides eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen. Ein solcher Antrag ist binnen drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des Verbotes nach Abs. 1 zu stellen.

(5) Abs. 4 Z 1 gilt nicht,

  1. 1. ...
  2. 2. wenn eine verlässliche Person binnen sechs Monaten, vom Zeitpunkt der Sicherstellung an gerechnet, der Behörde ihr Eigentum an diesen Gegenständen nachweist."

    Der am 1. Juli 1997 in Kraft getretene § 12 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), enthält insoweit im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelungen. Soweit hier relevant, bestehen Abweichungen nur darin, dass der Entschädigungsanspruch nach Abs. 4 nunmehr innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes geltend zu machen ist und hiefür - wie nunmehr auch nach Abs. 5 Z 2 - statt des "Nachweises" die "Glaubhaftmachung" genügt.

    3. Nach der dargestellten Rechtslage gelten die sichergestellten Waffen (und Munition) mit dem Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes ex lege als verfallen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 12 Waffengesetz 1986 darauf hingewiesen, dass es im Fall des Waffenverbotes keines gesonderten, den Verfall aussprechenden Bescheides bedarf, sondern dass die Rechtswirkung des Verfalls an sichergestellten Gegenständen bereits mit der Rechtskraft des ein Waffenverbot verfügenden Bescheides eintritt (vgl. das zu § 12 WaffG ergangene und den erwähnten Rechtssatz auch für diese Bestimmung aufrechterhaltende Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2001/20/0470, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0214; vgl. dazu auch Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, 81, Anm. 14, III. bis V zu § 12; Hikisch, Österreichisches Waffenrecht, 108). Die Rechtswirkung des Verfalls liegt darin, dass das Eigentum an den verfallenen Gegenständen auf den Bund übergeht (vgl. das erwähnte Erkenntnis vom 23. November 1988; siehe auch Hauer/Keplinger, aaO, III., und Hikisch, aaO).

    4. Zu den Ausführungen in der Beschwerde, wonach der Verfall einen unzulässigen Eingriff in die Unverletzlichkeit des Eigentums darstelle, und zu der in diesem Zusammenhang vorgetragenen Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren in Ansehung des § 12 Abs. 4 Waffengesetz 1986 einzuleiten, genügt es aber, auf den oben genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 1999 zu verweisen, mit dem die Behandlung der Beschwerde mit der Begründung abgelehnt wurde, das Beschwerdevorbringen lasse eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebrachten Meinung - vor allem im Hinblick auf die für den (mit dem Verfall verbundenen) Eigentumsverlust vorgesehene angemessene Entschädigung - an und sieht keinen Grund für eine neuerliche Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit dieser Frage.

    5. Geht man davon aus, dass die hier maßgebliche Norm des Waffengesetzes 1986 nicht verfassungswidrig war, so hat die belangte Behörde - wie noch näher ausgeführt werden wird - angesichts der völlig unzweideutigen Verfallsanordnung aber nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie der Auffassung des Beschwerdeführers, er habe einen Anspruch auf Ausfolgung der sichergestellten Waffen, nicht beigetreten ist. Im vorliegenden Fall sind die sichergestellten Waffen (und Munition) nämlich mit dem Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes am 26. Mai 1995 "verfallen" und zu diesem Zeitpunkt in das Eigentum des Bundes übergegangen. Das hat die belangte Behörde auch zutreffend erkannt. Dass sie sich dabei auf § 12 Abs. 3 Z 1 WaffG gestützt und nicht - wie dies im Hinblick auf den zu beurteilenden Zeitpunkt des Eintritts des Verfalls geboten gewesen wäre - § 12 Abs. 4 Z 1 Waffengesetz 1986 angewendet hat, stellt wegen des gleichen Inhalts dieser Regelungen keine Rechtsverletzung dar.

    6. Mit den Beschwerdeausführungen zu den Gründen, die zur Erlassung des Waffenverbotes gegen Dr. M. geführt haben, und soweit daraus in der Beschwerde gefolgert wird, es sei diesem lediglich die Verlässlichkeit zum Waffenbesitz abgesprochen worden, verkennt der Beschwerdeführer zunächst die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes. Nach § 12 Abs 1 Waffengesetz 1986 setzte die Erlassung eines Waffenverbotes (wie nach der inhaltsgleichen Nachfolgebestimmung des WaffG) die Annahme voraus, dass durch missbräuchliches Verwenden von Waffen die näher angeführten Rechtsgüter gefährdet werden könnten. Mit Rechtskraft des Waffenverbotes steht daher nicht nur die mangelnde Verlässlichkeit, sondern das Vorliegen der genannten Voraussetzungen fest, bei dem es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass Waffen bereits missbräuchlich im Sinne der genannten Bestimmungen verwendet wurden (vgl. zu § 12 WaffG etwa das Erkenntnis vom 18. Juli 2002, Zl. 99/20/0189, und das auf das Verhältnis der waffenrechtlichen Verlässlichkeit zu den Voraussetzungen des Waffenverbotes noch näher eingehende Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425). An diese qualifizierte Gefährlichkeitsprognose knüpft der Verfall der sichergestellten Waffen (und Munition) an, ohne dass im Gesetz eine Differenzierung nach den Gründen, die zu der erwähnten Annahme geführt haben, vorgenommen wird. Eine solche andere Auslegung - wie sie in der Beschwerde vertreten wird - ist weder geboten, noch ist der eindeutige Gesetzeswortlaut einer solchen Interpretation zugänglich.

    7. Der Verfall wird allerdings mit der positiven Erledigung eines Parteienantrages nach § 12 Abs. 5 Z 2 WaffG rückwirkend wieder aufgehoben (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 24. April 2003, Z/l. 2001/20/0470, mwN). Der Begründung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Ausfolgung der Waffen gemäß § 12 Abs. 5 Z 2 WaffG als nach Ablauf der dort normierten Frist von sechs Monaten gestellt, somit als verspätet eingebracht, angesehen hat. Dem ist - abgesehen davon, dass die Beurteilung nach dem insoweit inhaltsgleichen § 12 Abs. 5 Z 2 Waffengesetz 1986 vorzunehmen gewesen wäre - beizupflichten, weil ein solcher Antrag innerhalb der Frist von sechs Monaten tatsächlich nicht gestellt wurde. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut beginnt diese Frist aber mit der Sicherstellung (hier: am 12. Mai 1995) und endete vorliegend somit bereits am 12. November 1995. Für die Auffassung des Beschwerdeführers, für ihn (als Rechtsnachfolger von Todes wegen) habe die Frist erst mit Zustellung des genannten Gerichtsbeschlusses im Verlassenschaftsverfahren nach Dr. M. am 15. Dezember 1998 begonnen, lassen sich im Gesetz keine Anhaltspunkte finden. Im Übrigen stellt diese Bestimmung darauf ab, dass sich (im Rahmen eines überschaubaren Zeitraums) herausstellt, dass jemand anderer als jene Person, gegen die das Waffenverbot erlassen wurde, auch bereits im Zeitpunkt der Sicherstellung Eigentümer der beschlagnahmten Waffen (und Munition) war, (vgl. dazu auch das bereits erwähnte Erkenntnis vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0214, wonach vertragliche Vereinbarungen auf Übereignung der verfallenen Gegenstände wirkungslos seien).

    8. Soweit die belangte Behörde allerdings auch einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung verneint hat, sind die diesbezüglichen Ausführungen nicht schlüssig. Als einziges, auch in diesem Zusammenhang zu sehendes Begründungselement findet sich die Verweisung auf § 12 Abs. 5 Z 2 WaffG. Die belangte Behörde hat den Antrag offenbar als nach dieser Gesetzesstelle verfristet angesehen. Diese Bestimmung regelt allerdings - wie erwähnt - nur die Voraussetzungen für den (befristet möglichen) Nichteintritt des Verfalls, wenn die sichergestellten Waffen (und Munition) nicht im Eigentum jener Person, gegen die das Waffenverbot erlassen wurde, sondern im Eigentum eines Dritten stehen. Sie befasst sich jedoch nicht mit dem Entschädigungsanspruch eines Dritten, sodass die in dieser Bestimmung genannte Frist für diesen Anspruch nicht maßgeblich sein kann.

    Das diesbezügliche Antragsvorbringen des Beschwerdeführers kann - entgegen der erkennbaren Auffassung der belangten Behörde - nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes dahin verstanden werden, dass er den ursprünglich Dr. M. zustehenden Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 4 letzter Satz Waffengesetz 1986 aufgrund des Vermächtnisses als dessen Rechtsnachfolger (von Todes wegen) geltend machen will. Begründungselemente, welche die Abweisung eines solchen Begehrens tragen könnten, sind dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen, zumal sich die belangte Behörde - wie auch die Erstbehörde - mit den diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen gar nicht befasst hat. Für das fortzusetzende Verfahren wird angemerkt, dass der in diesem Zusammenhang maßgebliche Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern und ihm Gelegenheit zu geben sein wird, ein Vorbringen zu diesem bisher nicht geprüften Gesichtspunkt zu erstatten.

    9. Die Beschwerde war daher - soweit mit dem angefochtenen Bescheid der (Haupt)Antrag auf Ausfolgung der Waffen abgewiesen wurde - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Der angefochtene Bescheid war jedoch aus den in Punkt 8. angeführten Gründen - soweit er die Abweisung des (Eventual)Antrages auf Zuerkennung einer Entschädigung betrifft - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

    10. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, wobei eine Umrechnung der nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichteten Gebühr auf Euro vorzunehmen war.

    Wien, am 3. Juli 2003

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