Normen
SPG 1991 §31 Abs1;
SPG 1991 §31 Abs2 Z5;
SPG 1991 §89;
SPG RichtlinienV 1993 §5 Abs1;
SPG RichtlinienV 1993 §5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund eines Rechtshilfeersuchens wurde der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt seinen Präsenzdienst ableistete, telefonisch zu einer Einvernahme beim Gendarmerieposten St. Valentin vorgeladen. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, vier bis sechs Gramm Marihuana und Haschisch verkauft zu haben. Am 8. Mai 1998 führte Gruppeninspektor H. die Einvernahme des Beschwerdeführers durch und konfrontierte ihn mit diesen Vorwürfen.
Mit der am 18. Juni 1998 an die belangte Behörde erhobenen Beschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß der Richtlinienverordnung BGBl. Nr. 266/1993 (RLV), insbesondere die Verletzung von § 5 Abs. 1 leg. cit., geltend. Der Beschwerdeführer brachte vor, durch die Fragestellung und auch durch die Bezugnahme auf die Person seines Vaters sei nicht alles unterlassen worden, was geeignet sei, den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken. Als der Beschwerdeführer einen Anwalt der Einvernahme habe hinzuziehen wollen, sei ihm mitgeteilt worden, dass man "hier nicht im Film" sei und dass ein Anwalt sowieso nicht hereinkomme. Ein Kollege des einvernehmenden Gruppeninspektors habe ihn beispielsweise gefragt, wie das Geschäft mit dem Gift gehe, wie viel er schon verkauft habe und vermeinte, gehört zu haben, dass der Beschwerdeführer "recht teuer" sei. Für den Fall, dass er nicht kooperiere und nicht die Wahrheit sage, sei ihm in Aussicht gestellt worden, den Verdacht des Drogenhandels dem Militärkommando Niederösterreich mitzuteilen. Zur Unterfertigung der Niederschrift sei er überdies noch mit "unterschreib deine Lügen" aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer sei bereits im Jahr 1996 anlässlich der Anzeige des Diebstahls seines Fahrrades am Gendarmerieposten St. Valentin beschuldigt worden, in der St. Valentiner Drogenszene aktiv zu sein. Damals sei ihm vorgehalten worden, dass auch sein Vater damit zu tun gehabt hätte, da dieser wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft sei. Im Jahre 1996 sei der Beschwerdeführer auch einmal auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle von Polizisten (richtig wohl: Gendarmen) aufgehalten worden, wobei ihm mitgeteilt worden sei, er müsse noch einmal mitkommen, da noch Fragen offen wären; beim Anhalten des Beschwerdeführers sei das Blaulicht des Gendarmeriefahrzeuges verwendet worden.
Mit Schreiben vom 25. Juli 1998 teilte das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich dem Beschwerdeführervertreter mit, dass eine Verletzung der Richtlinienverordnung nicht habe festgestellt werden können.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer eine Entscheidung der belangten Behörde über die behauptete Richtlinienverletzung und konkretisierte über Aufforderung der belangten Behörde in einem Schriftsatz vom 2. September 1998 die behauptete Richtlinienverletzung dahin, dass insbesondere die Aussagen, wonach der Beschwerdeführer "recht teuer" sei und die Fragen, wie das Geschäft mit dem Gift so gehe und wie viel er schon verkauft
habe, eine Richtlinienverletzung iSd § 5 Abs. 1 RLV
darstellten.
Bei einer am 25. November 1998 von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, Beschwerdegrund seien die rund um seine niederschriftliche Einvernahme erfolgten Äußerungen, weil diese bei ihm den Eindruck erweckt hätten, dass ihm gegenüber eine Voreingenommenheit bestanden habe. Er glaube nicht, dass der einvernehmende Beamte über seine Familiengeschichte informiert gewesen sei; er selbst habe angegeben, dass sein Vater früher Rauschgift konsumiert habe und vorbestraft sei.
Zur Sache sagte der Beschwerdeführer Folgendes aus:
"Das Protokoll ist nach einem Gespräch aufgenommen worden. Bei diesem Gespräch war ein weiterer Beamter anwesend. Der Mann hat eine Uniform getragen, hat dunkle stärker gelockte Haare gehabt und war ca. 40 Jahre alt. Er hat die Fragen und die Antworten mehrmals kommentiert, unter anderem mit den Worten "wie geht denn das Geschäft mit dem Gift, wieviel verkaufst du? Ich habe gehört, du bist recht teuer." Während der Niederschrift war dieser Beamte nicht mehr da. Denkbar ist, daß er auf Streife gefahren ist.
Ich glaube schon, daß dieses Verhalten den (einvernehmenden Beamten) beeinflußt hat, weil er mir das Protokoll mit den Worten "da, unterschreib deine Lügen" zur Unterschrift vorgelegt hat.
....
Ich möchte aber noch ergänzend angeben, daß mein Aufenthalt bei der Gendarmerie schon unter einer gewissen Aufsicht gestanden ist. Die Dienstbehörde hat in der Beantwortung der Beschwerde mitgeteilt, ich hätte jederzeit weggehen können. Das stimmt nicht. Ich bin nämlich einmal zur Tür gegangen und habe schon die Schnalle in der Hand gehabt, und dann hat der (einvernehmende Beamte) gesagt, "setzen Sie sich wieder nieder, sonst müssen wir das Ganze dem Militärkommando melden" und da hab ich mich wie angeordnet wieder niedergesetzt. Ich habe aus der ganzen Situation schon angenommen, daß ich nicht freiwillig einfach gehen darf, auch wenn keine unmittelbaren Anordnungen oder ein Zwang (z.B. Versperren der Türe, Anlegen von Handschellen) getroffen bzw. angedroht worden sind.
Vor dem Aufstehen, um den Raum zu verlassen, habe ich noch die Beiziehung eines Anwalts gewollt. Ich habe zwar keinen Namen eines Rechtsanwalts genannt, aber hätte einen Anwalt sofort gewußt, nämlich den (Rechtsanwalt) aus St. Valentin, er ist unser Nachbar und hat die Kanzlei in Linz. Die Antwort aber war, die Frage ob ich glaube, daß ich im Film bin ("wo glauben sie denn wo sie sind, daß sie nach einem Anwalt schreien können, wir sind nicht im Film").
...."
Laut Protokoll vom 10. Dezember 1998 hat der Zeuge Gruppeninspektor H., der den Beschwerdeführer einvernommen hat, nach Vorhalt der Aussage des Beschwerdeführers vom 25. November 1998 bzw. nach Vorhalt des Beschwerdevorbringens, es habe sich während der Einvernahme ein uniformierter Beamter, der herumgegangen sei, im Raum befunden, der dunkle, stärker gelockte Haare gehabt habe und ca. 40 Jahre als gewesen sei, vor der belangten Behörde Folgendes angegeben:
"Es hat niemand den Raum betreten. Ich habe die Dienstvorschreibung mitgebracht. Ich habe mit RI G. Dienst versehen, dieser Beamte war gleichfalls für die Kriminaldienststreife vorgesehen und hat Zivilkleidung getragen. Falls ich einen zweiten Beamten bei der Einvernahme zugezogen oder als anwesend akzeptiert hätte, dann wäre es F. gewesen und der hätte das Protokoll mitunterfertigt. Ich kann ausschließen, daß ein uniformierter Kollege während meiner Einvernahme den Raum betreten und zum BF die angeführten Äußerungen gemacht hat. Auch nicht zufällig ist ein Beamter hereingekommen (z.B. um sich aus einem Schreibtisch oder Kasten dienstliche oder private Dinge zu holen)."
Daran anschließend heißt es weiter im Protokoll:
"Dazu gibt der BF persönlich an:
Es war ein uniformierter Beamter mit Sicherheit bei der Einvernahme anwesend. Vielleicht 10 Minuten, vielleicht 5 Minuten. So genau kann ich das nicht sagen. Ich war ca. 1 Stunde am Posten. Der Mann hat ein Uniformhemd getragen, es war GENDARMERIE daraufgeschrieben und er hat in einer Brusttasche eine Sonnenbrille oder optische Brille stecken gehabt. Ich kann aber die Person nicht besser als am 25.11.1998 beschreiben.
Der Zeuge führt weiter aus, der Kollege F. war mit mir eingeteilt zum Streifendienst, am GP haben sich aber auch noch andere Beamten dieses Postens befunden, sicher aber keine Fremden. Anhand der Diensteinteilung ließe sich feststellen, wer aller noch während der Zeit des Aufenthaltes des BF mit ihm gleichzeitig an der Dienststelle war. Aber eine Personsbeschreibung mit dunkle, stärker gelockte Haare und ca. 40 Jahre trifft meines Wissens auf überhaupt keinen Kollegen vom GP St. Valentin zu.
Ich bleibe bei meinen obigen Angaben, während des Aufenthalts in der sogenannten Kanzlei war kein weiterer Beamter im Zimmer. Zum Fotographieren ist dann später ein anderer Raum aufgesucht worden. Es kann sein, daß der Kollege F. fotographiert hat, es könnte aber auch ein anderer Kollege gewesen sein. F. ist ca. 1,90 m groß und hat graumelierte glatte Haare.
Nach Vorhalt der Aussagen des BF, er dürfe den Raum nicht verlassen ("setzen Sie sich wieder nieder, sonst müssen wir das Ganze dem Militärkommando melden") und er sei verpflichtet gewesen, anwesend zu bleiben, weiters, es wäre die Zuziehung eines Anwaltes verweigert worden:
Ich habe den BF nie verpflichtet, Platz zu nehmen und im Raum zu bleiben, er hätte jederzeit und ungehindert auch gehen können. Mit einer Mitteilung ans Militärkommando ist nie gedroht worden, das kann ich mit Sicherheit ausschließen. Von einem Anwalt war erst die Rede, als sich später die Großmutter telefonisch am Posten über die Einvernahme ihres Enkels beschwert hat. In diesem Telefonat ist meinem Eindruck nach hauptsächlich die erkennungsdienstliche Behandlung als nachteilig empfunden worden.
...."
Mit Schreiben vom 27. Jänner 1999 teilte die belangte Behörde dem Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass sie beabsichtige, nach vorheriger Anmeldung am GP St. Valentin eine Gegenüberstellung zwischen sämtlichen am Vorfallstag zum Dienst eingeteilten sowie weiteren Beamten ("Wahlkonfrontation") und dem Beschwerdeführer durchzuführen. Es werde ersucht bekannt zu geben, welche Termine für den Beschwerdeführer ohne Beeinträchtigung seiner Berufstätigkeit in Frage kämen.
Mit Schreiben vom 16. August 1999 gab der Vertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der geplanten Gegenüberstellung mit jedem Termin einverstanden sei. Die Festsetzung und Bekanntgabe eines Termins wurde mit Schreiben des Vertreters des Beschwerdeführers vom 21. Oktober 1999 urgiert.
Am 23. November 1999 teilte das Bezirksgendarmeriekommando Amstetten mit, dass die vom Beschwerdeführer abgegebene Beschreibung des Beamten, der die inkriminierenden Bemerkungen gemacht haben soll, auf keinen der damals Dienst verrichtenden Beamten zuträfe. Die drei Uniformierten seien "jetzt 56 Jahre alt, 169 cm groß, hat dunkelblondes Haar mit Glatzenbildung" bzw. "jetzt 39 Jahre alt, 183 cm groß und sehr schlank, er hat ebenfalls dunkelblondes Haar, das er ziemlich kurz trägt" und "jetzt 36 Jahre alt, ziemlich klein, nämlich nur 168 cm groß, Brillenträger, trägt einen Oberlippenbart und hat kurzes, eher dunkles Haar". Vom Inhalt dieses Schreibens wurde der Beschwerdeführer nicht in Kenntnis gesetzt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid - ebenfalls vom 23. November 1999 - wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und einer Zusammenfassung des Ermittlungsverfahrens führte die belangte Behörde zu der von ihr in Aussicht genommenen "Wahlkonfrontation" in der Begründung aus, mit Rücksicht auf die ausgesprochen unsichere und dürftige Personenbeschreibung des angeblich hinzugekommenen uniformierten Beamten und angesichts der vom Bezirksgendarmeriekommando übermittelten Beschreibungen der damals anwesenden Beamten, sei eine verlässliche Identifizierung völlig aussichtslos. In dem Begründungsteil "Der UVS NÖ hat erwogen" heißt es wörtlich:
"Der UVS gelangt bei Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung, daß - entgegen der diesbezüglichen Beteuerung des Gendarmeriebeamten - die Verständigung des Militärkommandos oder einer ähnlichen Militärdienststelle erörtert worden war: Es war der telefonisch Vorgeladene zu einem Zeitpunkt erschienen, zu dem der zuständige Bearbeiter des Rechtshilfe- Einvernahmeersuchens nicht anwesend war und er hat selbst vorgebracht, daß er als Präsenzdiener demnächst ins Burgenland zur Grenzsicherung versetzt werde. In diesem Zusammenhang erscheint es nur verständlich und richtig, die sofortige Entgegennahme der Aussage am Gendarmerieposten St. Valentin anzubieten, um die Weiterleitung des unerledigten Einvernahmeersuchens ins Burgenland zu vermeiden, noch dazu wenn der zukünftige Ort der Stationierung allenfalls erst über das Militärkommando in Erfahrung zu bringen gewesen wäre. Die Erwähnung des Militärkommandos erfolgte aber nach dem Verständnis des UVS NÖ ausschließlich im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung und aus einem nachvollziehbaren Servicegedanken heraus.
Der UVS NÖ schenkt den Angaben des Zeugen GI Christian H. Glauben, wonach die Verständigung eines Anwalts nicht schon anläßlich der Einvernahme am Gendarmerieposten, sondern anläßlich der telefonischen Beschwerde der Großmutter erörtert worden war."
Danach wird die Bestimmung des § 5 Abs. 1 RLV zitiert und wie folgt fortgesetzt:
"Abgesehen davon, daß für den UVS angesichts der glaubwürdigen Aussagen des einvernehmenden Beamten begründete Zweifel bestehen, daß sich ein Uniformierter mit Zwischenfragen in die niederschriftliche Einvernahme eingemischt hat, kann höchstens dieser Beamte, nicht aber der einvernehmende beim Beschwerdeführer den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt haben. Der Beschwerdeführer selbst hat in der vom UVS NÖ durchgeführten öffentlichen Verhandlung am 25.11. 1998 ausdrücklich zu Protokoll gegeben: 'Ich glaube nicht, daß der einvernehmende Beamte über meine Familiengeschichte informiert war. Ich habe selbst angegeben, daß mein Vater früher Rauschgift konsumiert und Vorstrafen hat.' Dieser allenfalls hinzugekommene Beamte hatte dem Beschwerdeführer gegenüber keine Aufgaben zu erfüllen, die die von der Bestimmung des § 5 Abs. 1 geforderte Zurückhaltung erfordert hätte.
Der UVS NÖ schenkt dem Zeugen auch hinsichtlich der Erklärung, dem Beschwerdeführer nicht mit der Aufforderung:
'Unterschreib Deine Lügen' zum Unterfertigen des Protokolls aufgefordert zu haben, Glauben.
Somit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die mit Beschluss vom 6. März 2000, B 23/00-3, abgelehnt und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde.
In seiner Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des SPG haben folgenden
Wortlaut:
"Richtlinien für das Einschreiten
§ 31. (1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.
(2) In diesen Richtlinien ist zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, daß
...
5. die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Eingriff in Rechte von Menschen auf die Erkennbarkeit ihrer Unvoreingenommenheit Bedacht zu nehmen haben, sodaß ihr Einschreiten von den Betroffenen insbesondere nicht als Diskriminierung auf Grund ihres Geschlechtes, ihrer Rasse oder Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer politischen Auffassung empfunden wird;
§ 89. (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.
(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkt als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.
....
(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.
(5) Im Verfahren gemäß Abs. 4 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g und 79a AVG sowie § 88 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder."
§ 5 Abs. 1 der gemäß § 31 Abs. 1 SPG erlassenen Richtlinien-Verordnung lautet:
"§ 5. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben alle Menschen, bei denen dies dem üblichen Umgang entspricht oder die es verlangen, mit "Sie" anzusprechen."
Der Beschwerdeführer rügt nun in seiner Beschwerde vor allem das Unterbleiben der von der belangten Behörde geplanten Gegenüberstellung sowie seine mangelnde Verständigung von der Abstandnahme von diesem Ermittlungsschritt. Mit dieser Behauptung zeigt der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen Verfahrensfehler auf:
In der mündlichen Verhandlung vom 25. November 1998 hat der Beschwerdeführer unter anderem den Antrag gestellt, den Beamten, "der während des Gesprächs auf und ab gegangen ist" auszuforschen und als Zeugen vorzuladen. Daraufhin hat die belangte Behörde die oben wiedergegebenen Ermittlungen durchgeführt, sodass der Beschwerdeführer annehmen konnte, seinem Antrag werde entsprochen werden. Ohne weitere Verständigung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde dann am Tag des Empfanges des die Personenbeschreibungen enthaltenden Schreibens vom 23. November 1999 den angefochtenen Bescheid schriftlich ausgefertigt. Darin begründete sie den Verzicht auf die geplante Gegenüberstellung mit der Aussichtslosigkeit derselben, weil die vom Beschwerdeführer ("dürftig") beschriebene Person keiner der vom Gendarmerieposten beschriebenen Personen ähnle. Diesem Argument kann nicht gefolgt werden, weil beide Beschreibungen nicht ausreichend genau sind, um ausschließen zu können, dass die vom Beschwerdeführer gegebene Beschreibung auf einen Beamten passte, der am Tag der Vernehmung des Beschwerdeführers Dienst verrichtete. Mit ihrer Vorgangsweise hat die belangte Behörde auch außer Betracht gelassen, dass Ungenauigkeiten sowohl bei der Beobachtung als auch bei der Beschreibung bzw. bei der Erinnerung eine verlässliche Schlussfolgerung in der von der belangten Behörde gezogenen Art nicht zulassen. Schon deswegen hätte sich die belangte Behörde nicht mit dem Vergleich der Personenbeschreibungen zufrieden geben dürfen, sondern den Beschwerdeführer mit den genannten Personenbeschreibungen im Brief vom 23. November 1999 konfrontieren und erforderlichen Falles die Gegenüberstellung durchführen müssen.
Indem die belangte Behörde dann im angefochtenen Bescheid nur auf Grund der ihr zur Verfügung gestandenen Beweisergebnisse zum Schluss gekommen ist, es wäre kein weiterer Beamter bei der Vernehmung des Beschwerdeführers anwesend gewesen, hat sie vorgreifend Beweis gewürdigt.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel könnten aber nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind, somit dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies verneinte die belangte Behörde mit dem Argument, der "allenfalls hinzugekommene Beamte hatte dem Beschwerdeführer gegenüber keine Aufgaben zu erfüllen, die die von der Bestimmung des § 5 Abs. 1 geforderte Zurückhaltung erfordert hätte." Zwar bestanden für die belangte Behörde "begründete Zweifel, daß sich ein Uniformierter mit Zwischenfragen in die niederschriftliche Einvernahme eingemischt hat", trotzdem konnte nach Ansicht der belangten Behörde "höchstens" dieser "allenfalls hinzugekommene Beamte" den Eindruck von Voreingenommenheit erweckt haben. Die belangte Behörde hat demnach - alternativ zu der die Abweisung tragenden Beweiswürdigung - die Rechtsansicht vertreten, ausschließlich der einvernehmende Beamte sei den Richtlinien unterworfen gewesen.
Dazu ist zunächst fest zu halten, dass auf die in Rede stehende Vernehmung, selbst wenn sie im Dienste der Strafrechtspflege erfolgte (Verdacht des Suchtgifthandels), die genannten Richtlinien Anwendung finden, weil diese - unabhängig von der Materie, in der die Organe einschreiten - für jede Tätigkeit der Sicherheitsbehörden Geltung haben (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0001).
Die Richtlinien wurden für das "Einschreiten" der Organe (§ 31 Abs. 1 SPG) erlassen, die sie bei der "Erfüllung ihrer Aufgaben" (§ 5 Abs. 1 RLV) zu beachten haben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - unter Beachtung des Zwecks der Richtlinien, Konflikte zwischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und Betroffenen zu mindern - unter "Einschreiten" ein unmittelbar gegen einen Dritten gerichtetes oder sonst außenwirksames Amtshandeln zu verstehen (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1999, Zl. 98/01/0477). In diesem Sinne bedeutet "Aufgabenerfüllung" nach der Richtlinienverordnung jeder Kontakt zwischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und "Betroffenen" im Zusammenhang mit (irgendeinem) "Einschreiten". Es kommt demnach nicht darauf an, ob der unmittelbar die Amtshandlung vornehmende Beamte oder ein zwar beteiligter aber nicht unmittelbar einschreitender Beamter sich nicht richtlinienkonform verhält; beide sind den Richtlinien unterworfen.
Die Einvernahme eines einer strafbaren Handlung Verdächtigen erfolgt zweifellos in Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden. Wird ein Verdächtiger von einem Beamten der Sicherheitsbehörde einvernommen und - welchen Umstand die belangte Behörde ihren Rechtsausführungen zu Grunde gelegt hat - mischt sich "ein Uniformierter mit Zwischenfragen in die niederschriftliche Einvernahme" ein bzw. macht der Uniformierte Bemerkungen zu dem den Gegenstand der Einvernahme bildenden Sachverhalt, kann nicht davon gesprochen werden, dass nur der vernehmende Beamte "einschreitet". Ausgehend vom Zweck der Richtlinien hat sich auch ein zweiter Beamter, der zwar die Einvernahme nicht führend vornimmt, aber sich mit die Sache betreffenden Äußerungen an den Vernommenen richtet, an diese zu halten.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass - nimmt man das Vorbringen des Beschwerdeführers als erwiesen an - auf das Verhalten des uniformierten Beamten ebenfalls die Richtlinien anzuwenden gewesen wären. Die gegenteilige - von der belangten Behörde vertretene - Ansicht, wonach der zweite Beamte keine Aufgabe erfüllt habe, die Zurückhaltung erfordert hätte, widerspräche - wie auch der vorliegende Fall zeigt - nicht nur dem Zweck der Richtlinien, Konflikte zu vermeiden, sondern würde auch den Begriff der "Aufgabenerfüllung" verkennen.
In Anbetracht dieser Rechtslage ist im vorliegenden Fall für die weitere Relevanzprüfung entscheidend, ob das vom Beschwerdeführer behauptete Verhalten des "Uniformierten" den Eindruck von Voreingenommenheit hätte erwecken können (§ 5 Abs. 1 RLV). In den bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz, auf S 749 abgedruckten Amtlichen Erläuterungen zur RLV heißt es, dass die in § 5 Abs. 1 getroffene Regelung so wie § 31 Abs. 2 Z 5 SPG davon ausgehe, dass Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Unvoreingenommenheit nicht eigens angeordnet werden müsse, da sich das Sachlichkeitsgebot bereits aus ihrer Stellung als öffentliche Bedienstete ergebe. Es komme aber darauf an, dass der Beamte nicht bloß unvoreingenommen sei, sondern auch den Schein der Voreingenommenheit vermeide. Ob er letztlich mit seinem Bemühen beim Betroffenen Erfolg habe, liege nur insoweit in seiner Verantwortung, als er eine Handlung gesetzt habe, die objektiv auf Voreingenommenheit hinweise; ob der Beamte tatsächlich voreingenommen war, sei nicht maßgeblich.
Die vom Beschwerdeführer dem "Uniformierten" zugeschriebenen Äußerungen, mit denen dieser dem Beschwerdeführer bereits die Begehung des ihm erst vorgeworfenen Deliktes unterstellt haben soll, rechtfertigten jedenfalls die Annahme, der Beamte wäre voreingenommen gewesen.
Abschließend ist noch darauf zu verweisen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich in einem Hinweis auf die Glaubwürdigkeit des einvernehmenden bzw. einvernommenen Beamten erschöpft, ohne sich näher mit dessen und der Aussage des Beschwerdeführers auseinander zu setzen, der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standhält.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel erweisen sich nach dem Gesagten als für den Verfahrensausgang wesentlich, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c) VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 17. September 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)