VwGH 99/04/0016

VwGH99/04/001620.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der JD in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Dezember 1998, Zl. IIa-60.047/31-91, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: GV in S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1999:1999040016.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 4. November 1998 wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 als Betreiberin eines näher bezeichneten Gastgewerbebetriebes im Interesse des Nachbarschutzes folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1. Die Darbietung von Livemusik im erdgeschossigen Gastlokal wird beschränkt auf die Zeit des Apres-Ski Betriebes, somit auf die Zeit zwischen 16.00 Uhr und 19.00 Uhr.

2. Nach 19.00 Uhr bis zum Betriebsschluss um 3.00 Uhr darf im erdgeschossigen Gastlokal Musik nur über künstliche Tonträger ausgestrahlt werden, wobei in der Mitte des beschallten Raumes, in einer Messhöhe von 1,50 Meter, ein mittlerer Spitzenpegel von 70 dB nicht überschritten werden darf. Um diesen Wert einzuhalten, ist zwischen Tonträgerausgang und Verstärkereingang ein aktiver Pegelbegrenzer zu installieren; dieser ist nach entsprechender Justierung zu plombieren und in dieser Stellung zu erhalten.

3. Die Eingangstüre zum Kellergeschoß im Gastlokal ist mit einer automatischen Türschließeinrichtung zu versehen; Feststelleinrichtungen, die ein Schließen der Türe verhindern, sind unzulässig. Diese Eingangstüre muss, ausgenommen zum Aus- und Eingehen der Gäste, ständig verschlossen gehalten werden. Weiters ist im Türfalz dieser Türe (Eisentüre) eine entsprechende Gummidichtung einzusetzen, sodass der sogenannte Schließknall reduziert wird.

4. Bei der Zugangstüre zum erdgeschossigen Lokal (Eisentüre) ist ebenfalls in den Türfalz eine Gummidichtung einzubauen, um den sogenannten Türknall zu verhindern."

Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Dezember 1998 gemäß § 79 Abs. 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 GewO 1994 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, zur Frage der Parteistellung der mitbeteiligten Partei habe die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid dargelegt, dass dieser im Hinblick auf die Bestimmungen des § 79a GewO 1994 keine Parteistellung (gemeint: Antragstellung) zukommen könne und das Verfahren amtswegig durchgeführt werde. Den Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Landeck sei vorbehaltslos zuzustimmen. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, die mitbeteiligte Partei sei auch unter dem Aspekt der bloßen Wohnpartei nicht Nachbar im Sinne des § 75 GewO 1994, da die von ihr benützte Wohnung im ersten Obergeschoß ohne baurechtliche Nutzungsbewilligung bzw. Genehmigung benützt werde, sei ihr zu entgegnen, dass sich aus der im Akt befindlichen Stellungnahme der Gemeinde S ergebe, dass der Umbau in vier Doppelzimmer nie genehmigt worden sei und die Wohnung im ersten Obergeschoß nunmehr im Wesentlichen dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid entspreche. Im Übrigen sei das Benützungsbewilligungsverfahren für das gesamte Objekt, somit auch für den gegenständlichen Gastgewerbebetrieb noch nicht abgeschlossen. Dem Berufungsvorbringen sei weiters entgegenzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin widerspreche, wenn von ihr zuerst gerügt werde, dass gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoßen worden sei und im nächsten Satz verlangt werde, dass einzig und allein auf die seinerzeitigen Verfahrensergebnisse abzustellen gewesen wäre. Der Grundsatz "ne bis in idem" besage, dass es der Behörde verwehrt sei, bei gleichem Sachverhalt über eine Sache neuerlich zu entscheiden. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liege aber nicht vor, da sich der Sachverhalt insofern geändert habe, als die Räume im ersten Obergeschoß nunmehr dem ständigen Aufenthalt von Personen dienen und nicht mehr nur vorübergehend an Gäste vermietet würden. Die Beschwerdeführerin übersehe mit ihrer Argumentation, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, dass sich die Gäste im ersten und zweiten Obergeschoß nur 7 bis 14 Tage aufhalten würden. Auf das unter Zugrundelegung der längeren Aufenthaltsdauer erstellte, ausführliche und schlüssige Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Landeck gehe die Beschwerdeführerin mit keinem Wort ein. Wenn jedoch eine Partei ein schlüssiges und widerspruchsfreies Sachverständigengutachten in Zweifel ziehen wolle, so bedeute dies für sie, von sich aus schon im Verwaltungsverfahren initiativ zu werden und durch ein fachlich fundiertes Gutachten allenfalls den Gegenbeweis zu erbringen. Die Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren weiters gerügt, dass die erstinstanzliche Behörde nicht geprüft habe, ob eine Einschränkung der Betriebsanlagengenehmigung dahingehend ausgereicht hätte, dass Live-Musik nur während der jeweiligen Wintersaison bei gleichzeitiger Einhaltung eines wöchentlichen Ruhetages ausgereicht hätte. Auch diesem Vorbringen könne seitens der Berufungsbehörde nicht gefolgt werden, weil das zitierte ausführliche Gutachten des medizinischen Sachverständigen keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass ein wöchentlicher Ruhetag eine ausreichende Erholungsphase darstellen würde, um die Belastung während der übrigen Woche auszugleichen. Auch von der Beschwerdeführerin sei diesbezüglich nichts vorgebracht worden. Auch sei der Vorwurf der mangelnden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Auflagen nicht zutreffend, da nach der ständigen Rechtsprechung der mit der Erfüllung einer Auflage zum Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen könne. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass die Auflage Punkt 4 des angefochtenen Bescheides deshalb nicht notwendig sei, da die Türe zum Lokal im Erdgeschoß mit einem automatischen Türstopper versehen sei, sodass es technisch gar nicht möglich sei, den im Bescheid erwähnten Türknall zu verursachen und dass das Lokal von der Gewerbebehörde gar nicht besichtigt worden sei, sei ihr zu entgegnen, dass einerseits der medizinische Amtssachverständige sehr wohl das Lokal während des Betriebes eingehend besichtigt habe und es andererseits eine Erfahrung des täglichen Lebens sei, dass die automatischen Türstopper die Türe im letzten Moment der Schließphase mit einem kräftigen Ruck zuziehen würden. Der Auflage komme somit durchaus Berechtigung zu. Auf Grund dieser Erwägungen sei in Vollziehung der angeführten gesetzlichen Bestimmungen die Berufung insgesamt als unbegründet abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin ihrem gesamten Vorbringen zufolge im Recht, dass ihr bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht die in Rede stehenden Auflagen vorgeschrieben werden, verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie vor, die Berufungsbehörde und die Gewerbebehörde erster Instanz hätten übersehen, dass die mitbeteiligte Partei, welche das Verfahren mit ihrer Beschwerde in Gang gebracht habe, auch unter dem Aspekt der bloßen Wohnpartei (SlgNF. Nr. 5154/A) nicht Nachbar im Sinne des § 75 GewO 1994 sei. Die Wohnung im ersten Obergeschoß, welche durch die nachträgliche Zusammenlegung von vier Fremdenzimmern bzw. Wohnungen entstanden sei, werde ohne baurechtliche Nutzungsbewilligung bzw. Genehmigung benützt. Die Gewerbebehörden erster und zweiter Instanz hätten übersehen, dass die Baubehörde die erforderliche baurechtliche Nutzungsbewilligung für den Umbau nach Vorliegen der gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung nicht mehr erteilen hätte dürfen. Im Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1991 sei nämlich wiederholt ausgeführt, dass durch den im ersten Obergeschoß subjektiv und objektiv wahrnehmbaren Schall eine Gesundheitsgefährdung nach einem Aufenthalt von drei bis vier Monaten nicht ausgeschlossen werden könne. Dies bedeute, dass die Betriebsanlagengenehmigung nur deshalb erteilt worden sei, weil damals die im ersten Obergeschoß ausgebauten vier Wohnungen nur von Gästen mit einer Aufenthaltsdauer bis zu 14 Tagen benutzt worden seien. Dies habe zur weiteren Folge, dass nach Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung die Baubehörde - auch bei einem bloß anzeigepflichtigen Bauvorhaben - nie die Benützungsbewilligung erteilen hätte dürfen, da die im ersten Obergeschoß durch Zusammenlegung von Einheiten ausgebaute Wohnung nicht dem § 16 Tiroler Bauordnung entspreche. Die heute bestehende Wohnung sei daher konsenslos. Für das Verfahren nach § 79 GewO 1994 habe dies zur Folge, dass der Nutzer einer nicht konsensfähigen Wohnung auch nicht als Nachbar im Sinne des § 75 GewO 1994 angesehen werden könne, da die Annahme der bloßen Wohnpartei das Bewohnen einer genehmigungsfähigen Wohnung voraussetze. Schon aus diesem Grund sei der in Beschwerde gezogene Berufungsbescheid inhaltlich rechtswidrig. In diesem Zusammenhang sei aus der Sicht der Beschwerdeführerin unverständlich, dass die Wohnung im ersten Obergeschoß nach Auffassung der belangten Behörde nunmehr im Wesentlichen dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid entspreche. Es sei nämlich sowohl im Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten als auch in den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 17. November 1989 und des Landeshauptmanns von Tirol vom 21. Mai 1990 eindeutig darauf verwiesen, dass sich im Betriebsgebäude insgesamt 8 Wohnungen befänden, wobei die Dachwohnung als Dauerwohnung Verwendung finde, während die übrigen Wohnungen als Ferienwohnungen benützt würden. Dieser Zustand sei auch durch den Antrag des Eigentümers belegt, welcher "statt zwei Wohnungen, jetzt vier Doppelzimmer" zum Gegenstand habe. Jedenfalls sei der Umstand, dass sich im ersten Obergeschoß vier Wohnungen befänden, den Gewerbebehörden erster und zweiter Instanz bei Erlassung der Bescheide vom 17. November 1989 und 21. Mai 1990 bekannt gewesen. Es werde nochmals hervorgehoben, dass die im ersten Obergeschoß gelegene Wohnung, die erst nach Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung ausgebaut worden sei, in ihrem heutigen Zustand im Hinblick auf § 16 Tiroler Bauordnung konsenslos sei. Im nun durchgeführten Verfahren zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen seien in Wirklichkeit die damals wie heute identen Ergebnisse der Schallpegelmessungen medizinisch neu bewertet worden, obwohl es hiefür keinen ausreichenden Grund gebe. Im Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1991 sei im gewerbetechnischen Befund der Schallpegelmessungen festgehalten, dass Hintergrundmusik im ersten Obergeschoß überhaupt nicht zu hören sei, laute Musik hingegen gut hörbar sei, die bewirkten Schallpegel im Schwankungsbereich zwischen 35 und 46 dB lägen und Schallpegelspitzen bis zu 55 dB aufträten. Im jetzt durchgeführten Verfahren sei der Amtsarzt ebenfalls von einem Schallpegel im Schwankungsbereich zwischen 35 und 46 dB ausgegangen. Abweichend sei ausschließlich die medizinische Beurteilung des Schallpegels. So sei der medizinische Amtssachverständige im Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf Grund durchgeführter Untersuchungen davon ausgegangen, dass etwa bei einem Maximalpegel von 68 dB bei 10 % der Betroffenen Aufwachreaktionen ausgelöst und bei weiteren 20 % bis 25 % eine Abnahme der Schlaftiefe eintreten würde. Medizinisch sei dies so bewertet worden, dass die Lärmimmissionen im ersten Obergeschoß prinzipiell geeignet seien, den Schlaf zu beeinträchtigen, während eine Gefährdung der Gesundheit bei einer Einwirkung durch mehrere Monate hindurch nicht ausgeschlossen werden könne. Unter mehreren Monaten seien drei bis vier Monate verstanden worden. Im Verfahren zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen werde dieser Sachverhalt dagegen abweichend so bewertet, dass bereits bei 45 dB 5 % der Betroffenen Aufwachreaktionen zeigten, sodass die durch die Betriebsanlage verursachten Schallpegel als schlafstörend zu beurteilen seien und bereits nach drei Wochen Gesundheitsstörungen anzunehmen seien. Darin liege der Unterschied in der Beurteilung gegenüber dem seinerzeitigen Genehmigungsverfahren. Dabei sei besonders unverständlich, dass weder der beschwerdegegenständliche Berufungsbescheid noch der Bescheid erster Instanz eine Begründung anführen, weswegen dieser Unterschied in der medizinischen Beurteilung gemacht werde. Die Unterbehörden hätten § 79 GewO 1994 auch deshalb unrichtig angewendet, da nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Festsetzung weiterer Auflagen nicht klar sei, zu Gunsten welcher Personen diese vorgeschrieben worden seien. Dies stehe im Widerspruch zur Bestimmung des § 79 Abs. 2 GewO 1994, welche anordne, dass Auflagen nur zu Gunsten bestimmter Personen vorgeschrieben werden können. Diese Personen wären anzuführen gewesen. Darüber hinaus berufe sich die Bezirkshauptmannschaft Landeck zu Unrecht auf § 79 Abs. 1 GewO 1994, da das Verfahren eindeutig ergeben habe, dass die Nachbarschaft im Allgemeinen keinesfalls betroffen sein könne, sondern ausschließlich die Räumlichkeiten im ersten Obergeschoß des Betriebsgebäudes. In diesem Zusammenhang gewinne man aus der Sicht der Beschwerdeführerin den Eindruck, dass die Gewerbebehörde erster Instanz in Wirklichkeit den § 68 Abs. 3 AVG angewendet habe, obwohl dafür sowohl die sachlichen Voraussetzungen als auch die Zuständigkeit nicht gegeben seien. Es sei nämlich der Benutzer einer konsenslosen Wohnung als Nachbar betrachtet worden und auf Grund einer nochmaligen unrichtigen Beurteilung eines seit 1991 feststehenden Sachverhaltes Vorschreibungen zum Schutz der Allgemeinheit gemacht worden. Ein weiterer Fehler des in Beschwerde gezogenen Bescheides liege darin, dass über Punkt 2 der Berufungsanträge in Wirklichkeit nicht abgesprochen worden sei. Die belangte Behörde bezeichne das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten als schlüssig und widerspruchsfrei, obwohl es dem Gutachten des ursprünglichen Genehmigungsverfahrens weitestgehend widerspreche. Die belangte Behörde habe auch übersehen, dass das von ihr verlangte sachlich fundierte Gegengutachten spätestens seit Erlassung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten widerspruchsfrei als Teil des Bescheides vorliege. Die Ergebnisse dieses Gutachtens seien so lange bindend, als nicht sie entkräftigende neue medizinische Erkenntnisse vorlägen und dadurch eine neue Beurteilung erforderlich werde. Vorliegend sei in unzulässiger Weise das seinerzeitige Genehmigungsverfahren wiederholt worden. Durch den gestellten Berufungsantrag hätte bewirkt werden sollen, dass die Darbietung von Live-Musik auf die Dauer von drei bis vier Monaten beschränkt werde und daher auch für die Nutzer der konsenslos errichteten Wohnung keine Gesundheitsgefährdung eintreten könne. Die belangte Behörde habe die sachliche Auseinandersetzung mit diesem Berufungsantrag mit unzutreffenden verfahrensrechtlichen Argumenten verweigert. Dieser Berufungsantrag sei daher in Wirklichkeit meritorisch abgewiesen worden.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben.

... Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn s

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unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Nach § 79 Abs. 2 leg. cit. sind zu Gunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, Auflagen im Sinne des Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind.

Gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in den Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.

Insoweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1959, SlgNF. Nr. 5154/A, die Nachbarstellung der mitbeteiligten Partei bestreitet, ist ihr zu entgegnen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis mit der Frage der Parteistellung des Mieters einer in einem benachbarten Haus der Betriebsanlage gelegenen Wohnung auseinander gesetzt hat und auf Grund näher dargelegter Erwägungen zu dem Ergebnis gelangte, dass dieser als Nachbar anzusehen sei. Für die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte - jedoch nicht näher begründete - Behauptung, die mitbeteiligte Partei sei "unter dem Aspekt der bloßen Wohnpartei" nicht als Nachbar im Sinne des § 75 GewO 1994 zu qualifizieren, lässt sich aus dem zitierten Erkenntnis nichts gewinnen. Aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 75 Abs. 2 leg. cit. ergibt sich dagegen in einer zu keinem Zweifel Anlass gebenden Deutlichkeit, dass als Nachbar - nicht bloß vorübergehender Aufenthalt vorausgesetzt - jede Person anzusehen ist, die sich (rechtmäßig) in der Nähe der Betriebsanlage aufhält, und zwar ohne Rücksicht auf den ihrem Aufenthalt zu Grunde liegenden Rechtstitel.

Unverständlich ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, nach den Ergebnissen des Verfahrens sei nicht klar, zu Gunsten welcher Personen die Auflagen vorgeschrieben worden seien und solche Personen seien im Bescheid der belangten Behörde anzuführen gewesen. Denn sowohl nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides (vgl. Seite 2 und 4 des Bescheides), als auch auf Grund des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahrens, insbesondere auf Grund des vorgenommenen Lokalaugenscheins, an dem im Übrigen der Vertreter der Beschwerdeführerin teilgenommen hat, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Auflagen zu Gunsten der im ersten Obergeschoß des Gebäudes, in dem sich die Betriebsanlage befindet, lebenden Personen vorgeschrieben wurden. Für die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Personen wären (namentlich) anzuführen gewesen, bietet das Gesetz keine Grundlage.

Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Widersprüchlichkeit zwischen dem dem Bescheid des Bundesministers vom 19. März 1991 zu Grunde liegenden Gutachten und jenem des im Verfahren nach § 79 GewO 1994 eingeholten Gutachten ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, weil die Feststellung, dass bei einem Pegel von 68 dB bei 10 % der Betroffenen Aufwachreaktionen auftreten, es nicht ausschließt, dass bei einem Pegel von 45 dB bei (lediglich) 5 % der Betroffenen solche Reaktionen zu erwarten sind. Ob aber schon nach wenigen Wochen oder erst nach drei bis vier Monaten mit einer Gefährdung der Gesundheit zu rechnen ist, ist für das vorliegende Verfahren selbst unter dem von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Gesichtspunkt irrelevant, dass in ihrem Betrieb jeweils nur in der Wintersaison Livemusik geboten werde. Denn auch dann sind die Bewohner der in Rede stehenden Wohnung den von diesen Darbietungen ausgehenden Immissionen einen ihre Gesundheit gefährdenden Zeitraum hindurch ausgesetzt, weil nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin die Wintersaison drei bis vier Monate dauert.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält die Bestimmung des § 79 GewO 1994 die gesetzliche Ermächtigung der Behörde für den Fall, dass das Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage abgeschlossen ist, mit den in diesem Verfahren vorgeschriebenen Auflagen aber nicht das Auslangen gefunden werden kann, um die im § 74 umschriebenen Interessen hinreichend zu schützen, ungeachtet der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Sie ermöglicht es der Behörde, in bestehende Rechte einzugreifen, wobei es schon nach dem bloßen Wortlaut des § 79 GewO 1994 nicht darauf ankommt, worauf es zurückzuführen ist, dass nach der Genehmigung der Betriebsanlage die in Rede stehenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind, welche Umstände also eine Situation eintreten ließen, die die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung im Sinne dieser Gesetzesstelle erforderlich machen. Insbesondere ist entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht Voraussetzung der Vorschreibung neuer oder anderer Auflagen nach § 79 leg. cit., dass eine Änderung in dem dem Genehmigungsbescheid zu Grunde gelegenen Sachverhalt eingetreten ist.

Wie auch von der belangten Behörde nicht verkannt wurde, darf allerdings mit Rücksicht darauf, dass mit den Maßnahmen nach § 79 GewO 1994 in die Rechtskraft des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides eingegriffen wird, nicht unterstellt werden, dass derartige Maßnahmen nach dieser Gesetzesstelle auch zum Schutze solcher Interessen zu treffen sind, die ihre Ursache in einem nach der Genehmigung der Betriebsanlage nicht durch den Inhaber der Anlage herbeigeführten rechtswidrigen Zustand haben. Auch bleibt der Inhaber einer der Betriebsanlage benachbarten Wohnung in seiner Disposition in Bezug auf die Benützung der dem regelmäßigen Aufenthalt von Personen dienenden Räume grundsätzlich frei. Dies gilt in gleicher Weise für Personen, die erst nach der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 geworden sind und die in Bezug auf die Benützung der Räume eine andere Einteilung als ihre Vorgänger treffen. Diese Dispositionsfreiheit des Nachbarn hat allerdings dort ihre Grenze, wo der Aufenthalt der Nachbarn nicht durch die Rechtsordnung gedeckt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1986, Zl. 86/04/0033).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in diesem Sinne behauptet, die in Rede stehende Wohnung werde nicht im Einklang mit der Tiroler Bauordnung, weil widmungswidrig benützt. Die belangte Behörde hat daraufhin mit Schriftsatz vom 27. August 1998 die zuständige Gemeinde um die Beantwortung mehrerer, die Konsensgemäßheit der Nutzung und Errichtung der Wohnung betreffende Fragen ersucht. Im Rahmen der von der Bezirkshauptmannschaft Landeck am 22. Oktober 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden diese Fragen durch einen Vertreter der Gemeinde dahingehend beantwortet, dass nach Ansicht der Baubehörde die Errichtung eines Dauerwohnsitzes durch Zusammenlegung mehrerer Ferienwohnungen nicht im Widerspruch zum genehmigten Verwendungszweck stehe und dies nicht als genehmigungspflichtiger Umbau nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 1998 zu qualifizieren sei. Auf dieser Grundlage ging die belangte Behörde von der Rechtmäßigkeit der Benützung der in Rede stehenden Wohnung aus.

Mit dieser Vorgangsweise verkannte die belangte Behörde, dass es sich bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Benützung dieser Wohnung um eine rechtliche Vorfrage handelt, die nicht mit dem Hinweis auf eine Rechtsansicht eines Behördenvertreters beantwortet werden kann. Wenn es keinen diese Vorfrage bindend erledigenden Bescheid gibt, hat die Behörde vielmehr den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und diesen selbst einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen.

Die belangte Behörde hätte daher im vorliegenden Fall an Hand der Regelungen der Tiroler Bauordnung den für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines dauernden Aufenthaltes in den Räumen des ersten Obergeschoßes maßgebenden Sachverhalt festzustellen und auf dieser Grundlage diese Rechtsfrage zu beurteilen gehabt.

Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, dass sie sich hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Nachbarn in der fraglichen Wohnung auf die Äußerung eines Behördenvertreters stützte, anstatt diese Vorfrage einer eigenständigen Beurteilung zu unterziehen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, darauf hinzuweisen, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, die Anregung der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid, an Stelle einer tageszeitlichen Beschränkung der Darbietung von Live-Musik, eine Beschränkung auf die Dauer der Wintersaison unter Einhaltung eines wöchentlichen Ruhetages, dafür aber täglich von 16.00 Uhr bis 3.00 Uhr, vorzuschreiben, der Begutachtung durch den medizinischen Sachverständigen zu unterziehen. Der Hinweis der belangten Behörde, das Gutachten des medizinischen Sachverständigen biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein wöchentlicher Ruhetag eine ausreichende Erholungsphase darstelle, um die Belastung während der übrigen Woche auszugleichen, reicht auf dem Boden des der belangten Behörde vorgelegenen Gutachtens des medizinischen Sachverständige deshalb nicht aus, weil dieser Sachverständige zu dieser Anregung nicht befragt wurde und demgemäß keinen Anlass hatte sich darüber zu äußern.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Oktober 1999

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