VwGH 96/03/0332

VwGH96/03/033217.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des Vereines X. in S, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Babenbergerstraße 30/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. Oktober 1996, Zl. I/7-L-P-373/1-3, betreffend Außenabflugbewilligung gemäß § 9 Abs. 2 des Luftfahrtgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §33;
JagdRallg;
LuftfahrtG 1958 §11 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §9 Abs2;
ForstG 1975 §33;
JagdRallg;
LuftfahrtG 1958 §11 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 94/03/0045 verwiesen, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 1994 aufgehoben wurde, mit welchem diese den Antrag des beschwerdeführenden Vereins auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von Außenabflügen mit Paragleitern vom Grundstück Nr. 237/1 in der Gemeinde Lilienfeld gemäß § 9 Abs. 4 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 (LFG), abgewiesen hatte.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Juni 1993 auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von Außenabflügen mit Paragleitern im Gemeindegebiet Lilienfeld (Bereich Klosteralm), Grundstück Nr. 237/1, Hinter Eben, gemäß § 9 Abs. 2 LFG (erneut) abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 LFG dürfen Luftfahrzeuge zum Abflug und zur Landung, soweit nicht in den Abs. 2 bis 4 und im § 10 etwas anderes bestimmt ist, nur Flugplätze (§ 58) benützen. Gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. ist für Abflüge und Landungen außerhalb eines Flugplatzes (Außenabflüge und Außenlandungen), soweit es sich um Zivilluftfahrzeuge handelt, eine Bewilligung des Landeshauptmannes erforderlich. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder ein am Außenabflug oder an der Außenlandung bestehendes öffentliches Interesse ein allenfalls entgegenstehendes öffentliches Interesse überwiegt.

Der Landeshauptmann hat demnach auf Grund eines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung für Außenabflüge und Außenlandungen zu prüfen, ob der Erteilung der Bewilligung öffentliche Interessen entgegenstehen, wobei der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren und störenden Einwirkungen der Luftfahrt, zu dem auch die Hintanhaltung von Gefährdungen und Belästigungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenabflügen und Außenlandungen gehört, grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt. Überhaupt stellt § 9 Abs. 2 LFG auf die Berücksichtigung des gesamten Spektrums der in jedem Einzelfall in Betracht kommenden öffentlichen Interessen ab, zu denen auch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Interessen zählen. Ob aber und gegebenenfalls welche öffentlichen Interessen der Erteilung der Bewilligung entgegenstehen, hängt von den im Einzelfall konkret gegebenen Umständen, so auch von der Lage des Startplatzes und Landeplatzes und deren Umgebung, ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. März 1992, Zl. 92/03/0014).

Die belangte Behörde hatte im eingangs erwähnten Bescheid vom 11. Jänner 1994 die Abweisung des Begehrens des Beschwerdeführers auf § 9 Abs. 4 LFG gestützt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß der über das betroffene Grundstück Verfügungsberechtigte nicht zugestimmt habe und somit die Voraussetzungen für die beantragten Außenabflüge nicht gegeben seien. In der Begründung des diesen Bescheid aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1996, Zl. 94/03/0045, führte dieser im wesentlichen aus, daß die Einverständniserklärung des über das betroffene Grundstück Verfügungsberechtigten nicht Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung gemäß § 9 Abs. 2 LFG sei und die belangte Behörde dadurch, daß sie die Versagung der gegenständlichen Bewilligung ausschließlich auf das Fehlen dieser Zustimmung gestützt habe, den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet habe.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde, um dem Begehren des Beschwerdeführers allenfalls entgegenstehende öffentliche Interessen zu prüfen, ein Amtssachverständigengutachten der Abteilung VI/11 des Amtes der Landesregierung zu der wesentlichen Frage ein, ob aus Sicht der öffentlichen Interessen (Schutz des Waldes) dem Vorhaben zugestimmt werden könne oder nicht. Der Amtssachverständige erstattete am 21. August 1996 sein Gutachten, in dem er im wesentlichen ausführte wie folgt:

"Nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der zuständigen Bezirksforstinspektion Lilienfeld wird mitgeteilt, daß sich hinsichtlich der Beurteilung der öffentlichen Interessen betreffend den Schutz des Waldes und der jagdwirtschaftlichen Interessen gegenüber dem Jahr 1993 keine Änderungen ergeben haben.

Die Stellungnahme vom 26. August 1993 ... wird daher auch aus

heutiger Sicht vollinhaltlich bestätigt.

Dem gg. Vorhaben kann aus der Sicht des öffentlichen Interesses am Schutz des Waldes nicht zugestimmt werden."

Das vom Amtssachverständigen bezogene, im ersten Rechtsgang eingeholte Gutachten vom 26. August 1993 hatte im wesentlichen folgenden Inhalt:

"Die im Gemeindegebiet Lilienfeld, KG Hinter Eben, im Bereich Klosteralm - Parkplatzsessellift Muckenkogel - beantragte Durchführung von Abflügen von Paragleitern stellt sich aus jagdfachlicher Sicht folgend dar:

Bereits Ende 1989 wurde von ha. erhoben, welche Gebiete sich unter Wahrung der öffentlichen Interessen prinzipiell für die Duldung von Absprüngen eignen. Die Bezirksforstinspektion Lilienfeld hat Bedenken geäußert, daß das Überfliegen durch und Landen von Gleitern zusätzlich zu den bereits vorhandenen Streßfaktoren das Schadverhalten des Rot- und Gamswildes verstärkt (Raubvogelsyndorm). Von dieser Überlegung ausgehend, erschien der Bezirksforstinspektion Lilienfeld das Ausüben dieser Sportarten im Bezirk nördlich der Linie Margraben, Lilienfeld, Staffspitze, Araberg, Richtung Hocheck tolerierbar. Das gg. Abfluggebiet liegt nun südlich dieser Linie. Überdies befindet sich im gg. Abfluggebiet eine ordnungsgemäß angemeldete Rotwildfütterung.

Die Raubvogelsilhouette bedingt beim Wild Fluchtreaktion, Streß und damit zumindest höheren Nahrungsbedarf, was in der Folge gemeinsam mit eventuellen Abreaktionen zu Waldschäden führen kann. Sicher wird das Wild durch die vermeintliche Bedrohung aus der Luft auf freier Luft sich vermehrt in Einständen, also im Wald aufhalten; was wiederum die Bejagung und damit die aus forstlicher Sicht notwendige Wildstandshaltung erschwert. Das vorliegende Projekt ist also somit aus forstfachlicher Sicht zumindest bedenklich."

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf dieses Gutachten und begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß das öffentliche Interesse am Schutz und an der Erhaltung des Waldes einer derartigen Bewilligung entgegenstehe. Es bestehe auch kein öffentliches Interesse an der Durchführung von Außenabflügen mit Paragleitern durch die beschwerdeführende Partei. Somit seien die Voraussetzungen für eine positive Beurteilung der beantragten Bewilligung nicht gegeben.

Insoweit der beschwerdeführende Verein der Behörde entgegenhält, daß hier Bewilligungsfreiheit vorliege und eine Bewilligung gar nicht erforderlich gewesen wäre, ist ihm zu entgegnen, daß Paragleiter - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 94/03/0045, festgehalten hat - Luftfahrzeuge im Sinne des § 11 Abs. 1 LFG sind und daher Außenabflüge, somit Abflüge (und auch Landungen) außerhalb eines Flugplatzes, einer Bewilligung gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. bedürfen. Unbestritten handelt es sich bei der gegenständlichen Grundfläche, von der nach dem Willen des Beschwerdeführers mit den Luftfahrzeugen abgeflogen werden soll, nicht um einen Flugplatz. Desgleichen ist aus der Bestimmung des § 33 Forstgesetz, die das Betreten des Waldes und sich Aufhalten im Wald zu Erholungszwecken regelt, im gegebenen Zusammenhang für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen. Es kann nicht erkannt werden, daß diese Bestimmung dem Beschwerdeführer ein subjektiv-öffentliches Interesse an der Benützung des Waldes in der Art eines Flugplatzes einräumt. Im übrigen können die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß sich der Paragleiter nicht von einem Wanderer oder Touristen im Rahmen des erlaubten Gemeingebrauches unterscheide, weil er "den Gleiter in einem Rucksack mit sich trägt, den Rucksack auspackt und öffnet und dann eben von der besagten Stelle abfliegt", auch sachlich nicht nachvollzogen werden.

Den Ausführungen des beschwerdeführenden Vereins, daß die von der belangten Behörde angesprochenen Interessen des Waldes und der Jagd ausschließlich private Interessen des Grundeigentümers seien, kann gleichfalls nicht gefolgt werden. Gemäß § 2 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes (JG) ist mit dem Jagdrecht nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Verpflichtung verbunden, das Wild unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu hegen, damit ein artenreicher und gesunder Wildstand sich entwickeln kann und erhalten bleibt. Die Jagdausübung und die Wildhege haben insbesondere so zu erfolgen, daß die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht gefährdet wird. Wenn es auch zutrifft, daß das Jagdrecht ein aus dem Eigentum an Grund und Boden fließendes Privatrecht ist, liegt die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Waldes und des Wildes im Interesse der Allgemeinheit. Demnach liegt nach den Zielbestimmungen der Jagdgesetze der Länder das öffentliche Interesse der Regelung des Jagdwesens im Aufbau und in der Haltung eines artenreichen und gesunden, den Erfordernissen der Land- und Forstwirtschaft angepaßen Wildstandes und in der Pflege der Grundregeln der Weidgerechtigkeit und der Pflege der Jagdkultur (vgl. Binder, Jagdrecht, 16 f). Demnach liegt - im grundsätzlichen Einklang mit den Erwägungen der belangten Behörde - der Schutz der derart angesprochenen Belange im öffentlichen Interesse.

Der Sachverständige verwies diesbezüglich in seinem Gutachten auf die durch die Flugbewegungen beim Wild auftretenden Streßfaktoren (Raubvogelsyndrom), den dadurch erhöhten Nahrungsbedarf des Wildes und die daraus resultierenden Verbißschäden am Forst. Er nahm hiebei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch auf die lokalen Verhältnisse Bedacht und bezog seine Ausführungen auf das hier gegebene Abfluggebiet südlich der beschriebenen - oben wiedergegebenen - Linie. Er hob insbesondere auch die in diesem Gebiet liegende Rotwildfütterung hervor. Gegen die Ausführungen des Sachverständigen hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine stichhältigen Argumente vorgetragen und ist dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, daß es in einem anderen Gebiet in Unterberg (Kössen) trotz des Flugverkehrs mit Drachenfliegern und Paragleitern zu keinen Auswirkungen auf die Wildstandsentwicklung gekommen sei, können daraus auf das gegenständliche Gebiet keine Rückschlüsse gezogen werden, zumal kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß hier vergleichbare Verhältnisse gegeben sind. Die Schlüssigkeit des Gutachtens wird somit durch dieses Argument nicht beeinträchtigt.

Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde das Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung zugrundelegte und öffentliche Interessen, die einer Bewilligung entgegenstehen, als gegeben annahm.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, die gemäß § 9 Abs. 2 LFG gebotene Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit die belangte Behörde jegliches öffentliche Interesse an der Durchführung von Außenabflügen durch den beschwerdeführenden Verein außer Betracht ließ, unterließ sie insbesondere ein Eingehen auf die Stellungnahme der Stadtgemeinde Lilienfeld, welche darauf hingewiesen hat, daß die Erteilung der Bewilligung im Interesse des Fremdenverkehrs gelegen wäre. Hiezu hat die belangte Behörde keine Ermittlungen gepflogen und keine Feststellungen getroffen.

Für die Interessenabwägung wäre es auch erforderlich gewesen, das Sachverständigengutachten in einer Weise ergänzen zu lassen, daß die konkreten Nachteile, die aus den Flugbewegungen zu erwarten sind, insbesondere hinsichtlich des im einzelnen zu bestimmenden Ausmaßes der zu befürchtenden Schäden, den Vorteilen, die aus den für die Bewilligung sprechenden öffentlichen Interessen gegeben sind, gegenübergestellt werden können. Diesem Aspekt wird das bisher eingeholte Gutachten nicht gerecht.

Erst nach den entsprechenden Ermittlungen und der Ergänzung des Gutachtens wird die belangte Behörde abschließend die für und gegen die Bewilligung des Antrages sprechenden öffentlichen Interessen gegeneinander abwägen können.

Da die belangte Behörde dies in Verkennung der Rechtslage bisher unterlassen und den Sachverhalt nicht abschließend erhoben hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte