VwGH 96/18/0372

VwGH96/18/037219.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juni 1996, Zl. SD 75/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art6 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art6 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 8. November 1991 illegal nach Österreich eingereist. Sein am 14. November 1991 gestellter Asylantrag sei mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. April 1994, rechtswirksam erlassen am 22. April 1994, abgewiesen worden. Ein vom Beschwerdeführer am 7. Jänner 1993 gestellter Sichtvermerksantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1994 rechtskräftig abgewiesen worden; aus der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Der Beschwerdeführer sei wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden. Daß er sich zumindest seit 23. April 1994 unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, werde von ihm nicht in Abrede gestellt.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, sei angesichts der seit 11. September 1992 bestehenden Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers i. S. der genannten Bestimmung anzunehmen, wobei sich dieser Eingriff insofern stark relativiere, als sich der Beschwerdeführer von seiner Gattin "in Unfrieden" getrennt habe und nicht einmal Angaben über ihren Aufenthaltsort machen könne. Auch wenn sich der Beschwerdeführer auf das immer noch bestehende rechtliche familiäre Band berufe, sei die Ausweisung jedenfalls zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten, komme doch den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer - mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Voraussetzung, derzufolge ein Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen sei - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erlangen könne. Bei Abstandnahme von der Ausweisung könnte sich der Beschwerdeführer durch Umgehung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwiderlaufen würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsannahmen fußende - Auffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit 23. April 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde insofern eine rechtsirrige Anwendung des § 19 FrG vor, als "es mit Sicherheit nicht dem Schutz der österreichischen Rechtsordnung (entspricht), aus einer derartigen de facto-Trennung (gemeint: von seiner Ehegattin) sofort die rechtliche Konsequenz einer Ausweisung abzuleiten". Wenn der Beschwerdeführer derzeit von seiner Gattin getrennt lebe, so bedeute das nicht das Erlöschen jeglicher rechtlicher Bindungen. Es wäre "rechtlich systemwidrig", wenn es "rein im Ermessen der Behörde gelegen sein soll, über Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe bzw. ehelichen Gemeinschaft zu entscheiden" Es bestehe sohin eine familiäre Bindung, die zum derzeitigen Zeitpunkt eine Ausweisung unzulässig mache, da sie eine Verletzung des Art. 8 Abs. 2 MRK darstellen würde.

2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Weder hat die belangte Behörde über das "Bestehen oder Nichtbestehen" der Ehe des Beschwerdeführers entschieden noch hat sie aus der Tatsache der Trennung der Eheleute das "Erlöschen jeglicher rechtlicher Bindungen" aus der Ehe abgeleitet noch hat sie aus der Trennung "sofort die rechtliche Konsequenz einer Ausweisung" gezogen. Vielmehr hat sie die - zutreffende - Ansicht vertreten, daß in Ansehung der nach § 19 FrG erforderlichen Gewichtung des mit einer Ausweisung verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers der Tatsache der - in der Beschwerde ausdrücklich zugestandenen - Trennung des Beschwerdeführers von seiner Gattin eine relativierende Wirkung zukomme, d.h. das Gewicht, das eine aufrechte Ehe im gegebenen Zusammenhang aufweise, mindere. Die belangte Behörde hat den somit nur schwach ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers die für die Beendigung seines Aufenthaltes sprechenden öffentlichen Interessen gegenübergestellt und den Schluß gezogen, daß die Wahrung der durch den mehr als zweijährigen unrechtmäßigen Aufenthalt erheblich beeinträchtigten öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend gebiete. Diese Beurteilung stößt angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) zukommt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0035, mwN), auf keinen Einwand. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer - von der belangten Behörde richtig erkannt - rechtens nicht in der Lage ist, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. An der zutreffenden Rechtsansicht der belangten Behörde vermag auch nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer - behauptetermaßen - in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, über eine "entsprechende" Unterkunft und eine "entsprechende" Versicherung verfügt und unbescholten ist.

3.1. Für unzulässig hält die Beschwerde die Ausweisung auch im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen EWG - Türkei (vom 12. September 1963) und die dazu ergangenen Beschlüsse des Assoziationsrates EWG - Türkei Nr. 2/76 und Nr. 1/80. Gemäß Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 hätten türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehören, in diesem Mitgliedstaat nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung. Diese beschäftigungsrechtliche Regelung impliziere zwangsläufig, daß einem türkischen Arbeitnehmer für die Dauer der rechtmäßigen Beschäftigung auch das Aufenthaltsrecht zustehe. Da der Beschwerdeführer seit mehr als vier Jahren im Inland einer geregelten ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehe, sei auch sein Aufenthaltsrecht nicht in Frage zu stellen und liege deshalb kein Grund für eine Ausweisung vor.

3.2. Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215, unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausgeführt hat, ist unter "ordnungsgemäßer" Beschäftigung i.S. des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - dieser Beschluß ist in Österreich seit dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 unmittelbar anwendbar (vgl. dazu eingehend das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088) - nur eine Beschäftigung zu verstehen, die in Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen UND aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht.

Wie bereits erwähnt (oben II.1.), ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich jedenfalls seit 23. April 1994 unrechtmäßig. Da der Beschwerdeführer demnach am 1. Jänner 1995, dem Zeitpunkt des EU-Beitrittes Österreichs und damit des unmittelbaren innerstaatlichen Wirksamwerdens des Beschlusses Nr. 1/80, mangels Aufenthaltsberechtigung nicht "ordnungsgemäß" beschäftigt war, vermag er aus diesem Beschluß kein Recht zum Aufenthalt in Österreich abzuleiten (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1215).

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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