Normen
FamLAG 1967 §2 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1996:1993150208.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine in der Türkei lebenden Kinder Aynur, Aygül, Dursun, Songül, Remziye, Fadime und Ebru für den Zeitraum Jänner bis November 1992 wegen Nichterbringung des Nachweises, daß seine Unterhaltsleistung die überwiegende darstelle, abgewiesen; dies im wesentlichen mit folgender Begründung:
Der Beschwerdeführer habe im Streitzeitraum nachweislich (belegt durch Banküberweisungsscheine) S 11.000,-- an Unterhaltsleistungen für seine eben genannten Kinder getätigt. Selbst wenn es richtig sei, daß er seiner Ehegattin durch seinen im Juli 1992 in die Türkei gereisten Schwager weitere S 6.000,-- übersandt habe, so habe der Beschwerdeführer damit "zweifellos nicht überwiegend" die Unterhaltskosten für seine genannten Kinder für zehn Monate getragen; dies selbst unter Berücksichtigung der gegenüber Österreich günstigeren Lebenshaltungskosten in der Türkei. Angesichts dessen, daß der Beschwerdeführer im März 1993 in Österreich eine Eigentumswohnung um S 1,8 Mio gekauft habe und daß er für den zur Finanzierung aufgenommenen Kredit von S 1,712.000,-- bei einem Nettoverdienst von S 22.444,- Rückzahlungen von S 10.445,-- pro Monat leiste, scheine auch eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten für seine in der Türkei lebenden sieben Kinder im Streitzeitraum "mangels Verfügbarkeit über entsprechende Mittel fraglich".
Daran, daß der Beschwerdeführer im Streitzeitraum die Unterhaltskosten für seine genannten Kinder nicht überwiegend getragen habe, änderten auch die monatlichen Aufwendungen für die Anmietung einer Wohnung für seine vier in der Türkei "studierenden" Kinder in Höhe von 500.000,-- TL und für die Anschaffung verschiedener Einrichtungsgegenstände - die belangte Behörde erwähnte hiebei auf den Namen des Beschwerdeführers lautende Rechnungen über 1,5 Mio TL und über 13,2 Mio TL betreffend Anschaffung eines Spannteppichs, eines Fernsehgerätes, eines Kühlschrankes, einer Waschmaschine und einer Nähmaschine sowie über 1 Mio TL betreffend Anschaffung von "Grundnahrungsmitteln" - nichts.
Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sei im Hinblick darauf erschüttert, daß er einen Geldbetrag von S 65.000,-- nicht, wie vorerst behauptet, am 29. Oktober 1992, sondern erst am 4. Mai 1993 überwiesen habe. Unbewiesen sei auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe im Jahr 1991 den Betrag von S 85.000,-- per Post in die Türkei überwiesen bzw. im Urlaub seiner Familie "dagelassen". Eine vom Beschwerdeführer behauptete Geldübergabe in der Türkei durch seinen Schwager könne zumindest nicht zur behaupteten Zeit stattgefunden haben.
Keine näheren Feststellungen traf die belangte Behörde zum Vorbringen des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren, zur Bezahlung der "Schul- und Haushaltskosten" seiner Kinder habe er in Österreich einen Bankkredit aufgenommen, welchen er in monatlichen Raten von S 10.000,-- zurückzahle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 367 (FLAG), haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre minderjährigen Kinder. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle idF BGBl. Nr. 646/1977 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß Abs. 5 erster Satz leg.cit. dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich strittig, ob der Beschwerdeführer im Streitzeitraum für seine nicht seinem österreichischen Haushalt angehörenden (sieben) Kinder die Unterhaltskosten überwiegend getragen hat.
Ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend getragen hat, hängt, wie die Beschwerde zutreffend erkennt, einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab. Ohne (zumindest schätzungsweise) Feststellung der gesamten Unterhaltskosten für ein Kind läßt sich, wenn dies nicht auf Grund der geringen (absoluten) Höhe der geleisteten Unterhaltsbeiträge ausgeschlossen werden kann, somit nicht sagen, ob die Unterhaltsleistung in einem konkreten Fall eine überwiegende war.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - abgesehen davon, daß sie den Beschwerdeführer nicht im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht zur Darlegung der hier relevanten Umstände aufgefordert hat, und ohne die in Art. 32 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 91/1985, vereinbarten rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen - die tatsächlichen Unterhaltskosten für die Kinder des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung ihrer besonderen Lebensverhältnisse weder ermittelt noch festgestellt. Mit den vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Geldüberweisungen allein hätte sich zwar der Unterhalt von in Österreich lebenden Kindern im Streitzeitraum nicht überwiegend bestreiten lassen, dies gilt aber nicht unbedingt für die Lebensverhältnisse von in der Türkei teils auf dem Land lebenden Kindern, zumal auch noch die von der belangten Behörde grundsätzlich anerkannten Sachleistungen des Beschwerdeführers für seine Kinder zu veranschlagen sind. Somit läßt sich im Beschwerdefall nicht sagen, die belangte Behörde sei wegen der geringen (absoluten) Höhe der Unterhaltsbeiträge des Beschwerdeführers der Klärung der Tatfrage enthoben gewesen, wie hoch die Unterhaltskosten für dessen in der Türkei lebende Kinder im Streitzeitraum insgesamt waren. Vielmehr wäre es auf Grund der sie treffenden Pflicht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zumindest den Versuch zu unternehmen, diese Kosten - allenfalls unter Zuhilfenahme einer Schätzung - festzustellen und den festgestellten Betrag den anerkannten Geld- und Sachleistungen gegenüberzustellen. Erst solcherart hätte sich beurteilen lassen, ob der Beschwerdeführer die Unterhaltskosten für seine Kinder überwiegend getragen hat. Mangels entsprechender Sachverhaltsermittlungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dieser Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits enthalten.
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