VwGH 93/05/0290

VwGH93/05/02907.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des F in G, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in E, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. November 1993, Zl. BauR - 250499/3 - 1993 Ba/Vi, betreffend straßenrechtliche Baubewilligung, vom 8. November 1993, Zl. BauR - 250499/4 - 1993 Ba/Lan, betreffend Enteignung für ein Straßenbauvorhaben; mP in beiden Fällen: Land OÖ, Landesstraßenverwaltung) sowie vom 17. Jänner 1994, Zl. BauR - 250499/9 - 1994 Ba/Sta, betreffend Wiedereinsetzung (hg. Zl. 94/05/0046), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1332;
AdLRegOrgG 1925 §3;
AVG §10 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
LStG OÖ 1991 §3 Abs1 Z2;
LStG OÖ 1991 §3;
LStG OÖ 1991 §31 Abs3 Z1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;
ÜG 1920 §8 Abs5 lita;
ZustG §9 Abs1;
ABGB §1332;
AdLRegOrgG 1925 §3;
AVG §10 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
LStG OÖ 1991 §3 Abs1 Z2;
LStG OÖ 1991 §3;
LStG OÖ 1991 §31 Abs3 Z1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;
ÜG 1920 §8 Abs5 lita;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich für die Aufwendungen der belangten Behörde S 12.565,-- und für die Aufwendungen der Mitbeteiligten S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte nimmt gemäß § 12 Abs. 1 und 2

Oö Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84 (im folgenden: StraßenG), die dem Land obliegende Straßenverwaltung (Planung und Bau sowie Erhaltung) der Verkehrsflächen des Landes wahr. Zur Verwirklichung ihres Projektes eines Ausbaues der A-Bezirksstraße von km 6,153 bis km 6,327 führte sie in Entsprechung der Verpflichtung gemäß § 36 Abs. 1 zweiter Satz StraßenG, in geeigneter Weise privatrechtliche Vereinbarungen über Grundabtretungen zu erwirken, am 7. Juni 1993 Grundeinlöseverhandlungen durch. Während bei dieser Verhandlung mit den Eigentümern von 5 Liegenschaften Kaufvereinbarungen abgeschlossen wurden, erklärte der Beschwerdeführer im Beisein des Beschwerdeführervertreters folgendes:

"Ich spreche mich gegen jegliche Grundabteilung aus, und besteht dafür auch kein öffentliches Interesse. Durch eine Begradigung und Verbreitung der A-Bezirksstraße besteht vielmehr die Gefahr, daß noch schneller in diesem Ortschaftsteil gefahren wird. Der Trend geht heute vielmehr dahin, Geschwindigkeiten entsprechend einzuschränken.

Der Eigentümer beabsichtigt, daß auch in Zukunft ein Gewerbetrieb auf seiner Liegenschaft geführt wird, und würde eine Grundabtretung dies verhindern, zumal dadurch die Laderampe nicht mehr genützt werden könnte.

Zur Vermeidung von Unfällen in diesem Bereich der A-Bezirksstraße wäre es vielmehr angebracht, die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 KMH auf 50 KMH zu reduzieren. Für Lastkraftwagen sogar auf 40 KMH.

Letztlich wird darauf verwiesen, daß auch andere Varianten zur Begradigung der Straße ohne Inanspruchnahme meiner Liegenschaft möglich wären.

Sämtlicher Schriftverkehr in dieser Angelegenheit ist künftig mit meinem Rechtsvertreter Dr. L abzuwickeln."

Mit Schreiben vom 30. Juli 1993, gerichtet an die gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 StraßenG zuständige und hier belangte Behörde, beantragte die Mitbeteiligte die Einleitung des Bau-, Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverfahrens für dieses Projekt unter Vorlage der entsprechenden technischen Unterlagen. Darin beantragte die Mitbeteiligte die dauernde Enteignung der für das Vorhaben erforderlichen Grundflächen des Beschwerdeführers in jenem Umfang, wie er in den angeschlossenen Grundeinlösungsplänen dargestellt sei und aller auf diesen lastenden Dienstbarkeiten und sonstigen Rechte. Hingewiesen wird im Antrag darauf, daß mit allen anderen Grundeigentümern bereits eine gütliche Einigung über den Grunderwerb erzielt worden sei.

Zu der von der belangten Behörde für den 21. Oktober 1993 anberaumten Verhandlung wurde mittels Kundmachung vom 20. September 1993 eingeladen. Darin wird auf den Antrag der Mitbeteiligten hingewiesen und ausgeführt, daß das Straßenbauvorhaben auch auf Grundflächen erfolgen soll, die nicht im Eigentum der Landesstraßenverwaltung stünden, und ein gütlicher Erwerb dieser Flächen nicht zur Gänze möglich gewesen sei, weshalb gleichzeitig die zwangsweise Übertragung des Eigentumsrechtes an den für den Bau noch benötigten Grundflächen beantragt worden sei. Ausdrücklich genannt werden in der Ladung die Parzellen des Beschwerdeführers; die Grundeinlösung der Flächen des Beschwerdeführers wurde als eigener Programmpunkt der Verhandlung vorgesehen. Hingewiesen wurde weiters darauf, daß die Projektspläne, aus denen das Straßenbauvorhaben und die notwendige Grundinanspruchnahme entnehmbar seien, bis zum Tage vor Beginn der mündlichen Verhandlung sowohl bei der belangten Behörde als auch in der Marktgemeinde A. zur Einsichtnahme auflägen. Schließlich wird darauf hingewiesen, daß Einwendungen gegen das Bauvorhaben bzw. gegen die zwangsweise Grundinanspruchnahme, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung eingebracht würden, keine Berücksichtigung fänden und daß in einem solchen Falle angenommen werde, daß (der Beschwerdeführer) mit der Eigentumsübertragung an die Mitbeteiligte sowie mit dem Bauvorhaben einverstanden sei. Die Ladung enthält einen Zustellvermerk an insgesamt 37 Adressaten, darunter den Beschwerdeführer, allerdings nicht seinen Rechtsvertreter.

Unterhalb dieser Aufzählung befindet sich die Fertigung: "Für die Oö Landesregierung: Im Auftrag Dr. B". Diese Ladung wurde dem Beschwerdeführer mittels internationalem Rückschein am 1. Oktober 1993 zugestellt. Eine Zustellung an seinen Vertreter fand nicht statt.

Bei der Verhandlung war der Beschwerdeführer weder anwesend, noch vertreten. Der technische Amtssachverständige bestätigte in seinem Gutachten, daß die durch das Projekt gegebene Entschärfung der Doppelkurve und die Schaffung eines Gehsteiges im öffentlichen Interesse liege. Bestätigt wurde weiters die Notwendigkeit der Baumaßnahme und der Umfang der einzulösenden Fläche. Gefordert wurde vom Sachverständigen u.a. die Auflage, daß berührte Straßenanschlüsse und Grundstückszufahrten an die neue Straßenfläche ordnungsgemäß anzuschließen seien. Auch der beigezogene "Grundsachverständige" bekräftigte, daß die Beanspruchung von Teilflächen (u.a. des Beschwerdeführers) für die Linienbegradigung der Bezirksstraße notwendig sei. Er schlug denselben Quadratmeterpreis als Entschädigungsbetrag vor, der auch mit den anderen Grundstückseigentümern vereinbart worden war. Der Verhandlungsleiter stellte fest, daß der Beschwerdeführer bis 16.00 Uhr zur Verhandlung nicht erschienen sei.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde unter Vorschreibung von Auflagen (darunter auch die vom technischen Amtssachverständigen geforderte oben wiedergegebene Auflage) die begehrte straßenrechtliche Bewilligung. Aufgrund der derzeit vorhandenen Anlageverhältnisse sei es gerade i.S.d. Verkehrssicherheit geboten und erwiesenermaßen im öffentlichen Interesse, daß dieses Projekt verwirklicht werde. Weder im Gesetz genannte Schutzgüter, noch irgendwelche Nachbarinteressen würden verletzt. Es sei darauf Bedacht genommen worden, daß bei Einhaltung der Auflagen die öffentlichen Interessen gesichert erscheinen und in die Interessen der Grundeigentümer und sonstigen Parteien durch die Ausführung des Straßenbaues nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß eingegriffen werde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15. November 1993 zugestellt.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid erfolgte die Enteignung der aus der Liegenschaft des Beschwerdeführers EZ 153, KG R, Grundstücke Nr. 373/7 und 373/8, voraussichtlich beanspruchten Flächen im Gesamtausmaß von ca. 61 m2 unter Festsetzung einer Entschädigung. Zur Verwirklichung des mit dem erstangefochtenen Bescheid bewilligten Straßenbauvorhabens seien die enteigneten Grundstückflächen unbedingt nötig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11. November 1993 zugestellt.

In einer als "Stellungnahme und Antrag" bezeichneten Eingabe, datiert mit 9. November 1993, machte der Beschwerdeführer geltend, daß er dem Beschwerdeführervertreter Vollmacht erteilt habe, daß aber schon am 7. Juni 1993 in dieser Angelegenheit eine Verhandlung stattgefunden habe und dort festgehalten worden sei, daß künftig sämtlicher Schriftverkehr mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers abzuwickeln sei. Aus ihm nicht bekannten Gründen sei der Beschwerdeführervertreter zur Verhandlung vom 21. Oktober 1993 nicht geladen worden, obwohl das Vertretungsverhältnis ausgewiesen gewesen sei. Im Vertrauen darauf, daß auch sein Rechtsvertreter geladen worden sei, habe der Beschwerdeführer den Termin nicht wahrgenommen. Durch die Nichtladung sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

"Vorsichtshalber" beantragte er in dieser Eingabe auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er aufgrund des geschilderten Sachverhaltes durch ein unvorhergesehenes Ereignis ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, fristgerecht Einwendungen zu erheben oder an der Verhandlung teilzunehmen. Gleichzeitig holte er die versäumte Handlung nach und sprach sich abermals unter Hinweis auf seine Stellungnahme vom 7. Juni 1993 gegen jegliche Grundabtretung aus.

Mit dem drittangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag ab. Über das zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vertreter bestehende Vollmachtsverhältnis sei die Straßenbehörde weder von der Mitbeteiligten noch vom Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt worden. In Unkenntnis dieser Tatsache sei daher die Verständigung über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung nur an den Beschwerdeführer ergangen und von ihm auch übernommen worden. Trotz der nachweislich zugegangenen Ladung sei weder er noch sein Vertreter zur mündlichen Verhandlung erschienen. Bei entsprechender Sorgfalt hätte dem Beschwerdeführer auffallen müssen, daß sein Rechtsvertreter von der Behörde (mangels Kenntnis des Vollmachtsverhältnisses) von der mündlichen Verhandlung nicht benachrichtigt worden sei; bei genauerem Studium der ihm zugegangenen Kundmachung hätte er erkennen können, daß die Verständigung nur an ihn persönlich und nicht an seinen Rechtsvertreter adressiert gewesen sei. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt, die objektiverweise von einem Durchschnittsmenschen erwartet werden könne, wäre die Versäumung der Verhandlung zu verhindern gewesen.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten auf Parteiengehör, auf Nichterteilung einer straßenrechtlichen Baubewilligung wegen der Beeinträchtigung der auf seiner Liegenschaft befindlichen Laderampe, auf Einhaltung des § 36 Abs. 1 letzter Satz StraßenG und auf Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zu allen drei Beschwerden Gegenschriften; die Mitbeteiligte erstattete zur erst- und zweitangeführten Beschwerde eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die drei Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Verhandlung verbunden und erwogen:

1. Zur behaupteten Verletzung des Parteiengehörs durch Nichtladung des Beschwerdeführervertreters:

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, soferne nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht den urkundlichen Nachweis. Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG, soferne gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen.

Eine derartige Vollmachtserteilung VOR DER BEHÖRDE liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Der Beschwerdeführer hat durch seinen Vertreter nur gegenüber der mitbeteiligten Straßenverwaltung, welche gemäß § 31 Abs. 3 Z. 1 StraßenG PARTEI des Straßenbaubewilligungsverfahrens und des Enteignungsverfahrens ist, erklärt, daß sämtlicher Schriftverkehr in dieser Angelegenheit künftig mit seinem Rechtsvertreter abzuwickeln sei. Gegenüber der BEHÖRDE (gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 StraßenG) erklärte der Beschwerdeführer jedoch erst nach der Verhandlung vom 21. Oktober 1993 - mit der Stellungnahme und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 9. November 1993 - betreffend das "straßenrechtliche Bewilligungs-, Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverfahren" den Vertreter beauftragt und ihm mündlich Vollmacht erteilt zu haben.

Der Beschwerdeführer verkennt mit der Auffassung, am 7. Juni 1993 und am 21. Oktober 1993 habe dieselbe - hier belangte - Behörde Verhandlungen abgeführt, die sich insbesondere aus dem Straßengesetz ergebende Kompetenzrechtslage. Daran ändert auch der in der Beschwerde gegen den Wiedereinsetzungsbescheid aufgezeigte Umstand nichts, daß in beiden Fällen, das "Amt der Oö Landesregierung" aufgetreten ist. Die Ämter der Landesregierungen sind (im allgemeinen) als Dienststelle den obersten Organen der Länder beigegeben; ihre Akte sind einem dieser Organe zuzuordnen. Nur in Ausnahmefällen (jedenfalls nicht hier) kommt dem Amt der Landesregierung Behördencharakter zu (Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 402 f). Aus der Niederschrift über die Verhandlung vom 7. Juni 1993 ergibt sich zweifelsfrei, daß das Amt der Landesregierung als Dienststelle des Landes Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung, also der hier Mitbeteiligten aufgetreten ist. Die dort erklärte Bevollmächtigung mag daher gegenüber dieser Dienststelle oder dem Rechtsträger (Land Oberösterreich) wirksam geworden sein. Adressat einer Vollmachtserklärung gemäß § 10 Abs. 1 AVG ist aber weder ein Rechtsträger noch irgendeine Dienststelle, sondern allein die für das Verfahren kompetente Behörde, also jene Dienststelle besonderer Prägung, der vom Gesetz (hier § 3 StraßenG) hoheitliche Befugnisse verliehen sind (Antoniolli-Koja, aaO, 308). Dieser Behörde gegenüber wurde keine Bevollmächtigung erklärt, weshalb die Verpflichtung der Behörde, Zustellungen allein an den Vertreter vorzunehmen, damit sie Rechtswirkungen entfalten (siehe die Nachweise aus der hg. Judikatur bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 864), nicht eingetreten ist. Vielmehr hat die Behörde den Beschwerdeführer als beteiligten Grundeigentümer zu Recht persönlich geladen.

Im übrigen läßt sich eine Verpflichtung der Straßenbehörde, in alle Akten der antragstellenden Straßenverwaltung Einsicht zu nehmen, der Bestimmung des § 36 Abs 1 zweiter Satz StraßenG nicht entenehmen.

2. Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9.024/A, ausgesprochen, daß nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein Irrtum ein "Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a (nunmehr: Z. 1) AVG sein kann. Nach ständiger

hg. Rechtsprechung ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" (seit der AVG-Novelle 1990 BGBl. Nr. 357; beruhend auf § 146 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Art. IV Z. 24 der Zivilverfahrensnovelle 1983) unterläuft (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl. 92/06/0222). Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten (und sonstigen Behörden) und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an beruflich rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (Fasching, Zivilprozessrecht2, Rz. 580).

Im vorliegenden Fall führte der Irrtum des Beschwerdeführers, die gegenüber der Mitbeteiligten erklärte Bevollmächtigung gelte auch im Verfahren vor der Straßenbehörde, sodaß er eine ihm zugestellte Ladung zur Verhandlung unbeachtet lassen konnte, zur Versäumung der Verhandlung. Der Verwaltungsgerichtshof kann sich aus nachfolgenden Erwägungen der Auffassung des Beschwerdeführers, hinsichtlich dieser Versäumung treffe ihn nur ein minderer Grad des Versehens, nicht anschließen:

Aus der Ladung war für den Beschwerdeführer bei sorgfältiger Beachtung erkennbar, daß zwischen der Straßenverwaltung und der Straßenbehörde keine Identität besteht, weil es dort ausdrücklich heißt, die Straßenverwaltung habe "bei der Landesregierung als der zuständigen Straßenbehörde" um die straßenrechtliche Bewilligung und die Enteignung angesucht. Weiters wurde der Beschwerdeführer in der Ladung darauf hingewiesen, daß er sich bei Fragen zum Projekt oder zu seiner rechtlichen Position an den im Briefkopf angeführten Sachbearbeiter (Adresse, Telefonnummer, Telefaxnummer) wenden könne. Vor allem aber konnte der Beschwerdeführer aus der Ladung unzweifelhaft entnehmen, daß wohl er, nicht aber sein Vertreter geladen wurde. Wenn er es angesichts dieses Umstandes unterließ, mit der Behörde oder mit seinem Rechtsvertreter Kontakt aufzunehmen, kann sein Verhalten im Umgang mit Behörden nur als auffallend sorglos qualifiziert werden. Diese Sorglosigkeit, die dazu führte, daß der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig Einwendungen im Straßenbaubewilligungs- und im Enteignungsverfahren erheben konnte, schließt die Annahme eines bloß minderen Grades des Versehens aus. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die begehrte Wiedereinsetzung versagt.

3. Zum straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid:

§ 14 StrassenG lautet auszugsweise:

"Schutz der Nachbarn

(1) Bei der Planung und beim Bau von öffentlichen Straßen ist vorzusorgen, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den auf diesen Straßen zu erwartenden Verkehr soweit herabgesetzt werden, als dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist. Dies gilt nicht, wenn die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Straße benachbarten Geländes zumutbar ist.

(2) Die Vorsorge gegen Beeinträchtigungen im Sinne des Abs. 1 kann auch dadurch erfolgen, daß auf fremden Grundstücken mit Zustimmung des Eigentümers von der Straßenverwaltung geeignete Vorkehrungen (Baumaßnahmen an Gebäuden, Einbau von Lärmschutzfenstern und dergleichen) selbst getroffen oder veranlaßt werden, sofern die Erhaltung und die allfällige Wiederherstellung der Vorkehrungen durch den Eigentümer oder einen Dritten sichergestellt sind.

(3) Durch Abs. 1 werden für die Anrainer (§ 31 Abs. 3 Z. 3), nicht jedoch für sonstige Nachbarn subjektive Rechte begründet; durch Abs. 2 werden subjektive Rechte nicht begründet.

..."

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG hat die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Diese Wirkung erstreckt sich gemäß § 42 Abs. 2 AVG im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung bloß auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben. Einwendungen sind Vorbringen eines Beteiligten, denen die Behauptung zugrundeliegt, daß eine positive Entscheidung über den durch den Antrag einer Partei bestimmten Verhandlungsgegenstand seine Rechte verletzen würde. Ein Recht darauf, daß sich die Behörde mit solchen Einwendungen auseinandersetzt, haben die Parteien nur, wenn sie diese rechtzeitig vorbringen (Ringhofer aaO, 380).

Auch § 42 AVG fordert somit, daß Einwendungen BEI DER BEHÖRDE erhoben werden. Bei der gemäß § 3 StraßenG zuständigen Behörde hat der Beschwerdeführer weder Einwendungen erhoben, noch ist er zur Verhandlung erschienen. Auf seine sich aus dem StraßenG ergebenden Rechte kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen, weil er vor oder bei der Verhandlung keine rechtzeitigen Einwendungen erhoben hat. Die somit eingetretene Präklusion bindet nicht nur die Verwaltungsbehörden, sondern auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe die Nachweise bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 91 und Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, RZ 289). Dem Verwaltungsgerichtshof ist daher eine Prüfung des angefochtenen Bescheides dahingehend verwehrt, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt worden ist.

4. Zum Enteignungsbescheid:

Gemäß § 36 Abs. 2 StraßenG entscheidet die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71 (i.d.F. BGBl. Nr. 137/1975) über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Bedacht zu nehmen ist. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Zustimmungsfiktion des § 42 AVG auch eine vom Antragsteller des Verwaltungsverfahrens begehrte Enteignung deckt (bejahend etwa hg. Erkenntnis vom 13. November 1994, Zl. 91/07/0139; eher ablehnend hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1975, Slg.Nr. 8830 /A). Im Enteignungsverfahren ist nämlich nur mehr zu prüfen, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich ist (hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1994, Zl. 94/05/0202, m.w.N.). Nicht einmal in der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, daß gerade sein Grundstücksstreifen für die Verwirklichung des im straßenrechtlichen Baubewilligungsverfahren bewilligten Vorhabens nicht erforderlich wäre.

Die behauptete Verletzung der Bestimmung des § 36 Abs. 1 zweiter Satz StraßenG liegt nicht vor, weil der (erfolglose) Versuch durch die von der Mitbeteiligten aufgenommene (bei der belangten Behörde am 11. Juni 1993 eingelangte) Niederschrift ausgewiesen ist. Das Gesetz verlangt aber nicht den Nachweis, sondern nur die Glaubhaftmachung dieses Versuches einer Vereinbarung; dem Erfordernis der Glaubhaftmachung wurde im eingangs wiedergegebenen Schreiben vom 30. Juli 1993 Rechnung getragen.

Jedenfalls kann der Verwaltungsgerichtshof auch bezüglich der Enteignung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen.

Die Beschwerden erwiesen sich daher insgesamt als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Dem Rechtsträger der belangten Behörde konnte aber nur in einem Falle Aufwandersatz für die Aktenvorlage zugesprochen werden.

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