VwGH 93/01/0307

VwGH93/01/030715.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, in der Beschwerdesache des S in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen die Niederösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11a;
VwGG §27;
VwRallg;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11a;
VwGG §27;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am 21. Februar 1991 bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Das Ansuchen wurde mit eingeholten Unterlagen am 1. Juli 1991 an die Nö Landesregierung weitergeleitet. Dieses ist bei der zuständigen Nö Landesregierung seit 4. Juli 1991 anhängig. Am 27. August 1991 wurde dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha mitgeteilt, daß er weder einen zehn- noch einen vierjährigen ununterbrochenen Wohnsitz in Österreich nachweisen könne. Es komme für ihn nur eine Antragstellung im Sinne des § 10 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz in Frage, der einen vierjährigen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe verlange. In der Folge trug der Beschwerdeführer keine berücksichtigungswürdigen Gründe vor. Am 24. März 1992 teilte der zukünftige Arbeitgeber des Beschwerdeführers der belangten Behörde mit, daß dieser "seit Jänner 1992" (exakt war der Tag der Eheschließung der 20. Dezember 1991) verheiratet sei. Die Heiratsurkunde sowie ein Bericht über die berücksichtigungswürdigen Gründe gemäß § 10 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz würden vom Beschwerdeführer nachgereicht. Mit Schreiben vom 1. Juli 1992 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer darauf hin, daß im derzeitigen Stadium des Verfahrens ein Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft deshalb abgewiesen werden müßte, weil die im § 11 a Staatsbürgerschaftsgesetz vorgesehene Frist von einem Jahr nach Eheschließung mit einem Ehegatten, der österreichischer Staatsbürger ist, erst am 20. Dezember 1992 erfüllt sei. Die belangte Behörde wies den Beschwerdeführer auf die Möglichkeit hin, bis zum 20. Dezember 1992 das "Ruhen des Verfahrens" zu beantragen. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer niederschriftlich am 4. August 1992 "das Verfahren bis Dezember 1992 ruhen zu lassen".

In der Folge erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (eingelangt am 14. April 1993) und beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge über das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 21. Februar 1991 in der Sache selbst erkennen. Er sei damit einverstanden gewesen, daß das Verfahren bis zum 20. Dezember 1992 "ruhen" solle, in der Folge sollte aber über sein Ansuchen unverzüglich entschieden werden, zumal mit dem 20. Dezember 1992 für ihn ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft entstanden sei. Er habe nach dem 20. Dezember 1992 wiederholt die Angelegenheit bei der belangten Behörde urgiert, allerdings ohne Erfolg.

Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift u.a. aus, daß die sechsmonatige Entscheidungsfrist deshalb nicht verletzt worden sei, weil diese Frist aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers auf "Ruhen des Verfahrens" bis 20. Dezember 1992 ab Jänner 1993 wieder neu zu laufen begonnen habe, zumal einige Entscheidungskritierien hinsichtlich ihrer Gültigkeit neuerlich hätten geprüft werden müssen und somit ein weiteres Ermittlungsverfahren einzuleiten gewesen wäre. Eine Berücksichtigung und Einrechnung des Verfahrens vor dem Dezember 1992 in die sechsmonatige Entscheidungsfrist dieses Ermittlungsverfahrens erscheine nach Auffassung der belangten Behörde somit unzulässig. Im übrigen sei der Bescheid auf Verleihung der Staatsbürgerschaft am 27. August 1993 dem Beschwerdeführer im Wege der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha persönlich ausgefolgt worden.

Der Antrag des Beschwerdeführers, daß das Verfahren betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft bis Dezember 1992 "ruhen" solle, muß - auch wenn ein "Ruhen des Verfahrens" gesetzlich nicht vorgesehen ist - im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge ein Recht auf behördliche Tätigkeit verzichtbar ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1951, Slg. 1889/A), als ein befristeter Verzicht auf die Behandlung der Angelegenheit und damit als Verzicht auf das mit der Antragstellung begründete Recht auf Entscheidung der Behörde gemäß Art. 132 B-VG in Verbindung mit § 27 VwGG gedeutet werden. Die Wirkung dieses befristeten Verzichtes auf das Recht auf Entscheidung ist darin zu sehen, daß das mit dem (am 4. Juli 1991 bei der zuständigen Behörde eingelangten) Antrag begründete Recht auf Entscheidung binnen sechs Monaten und damit die diesem Recht gegenüberstehende Pflicht der Behörde zur Entscheidung binnen sechs Monaten, ab dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrages auf "Ruhen" und für die Dauer des "Ruhens" nicht gegeben war. Erst mit dem Wegfall dieser Wirkung nach Ablauf der Frist entstand gemäß § 27 VwGG wiederum die Entscheidungspflicht der Behörde binnen sechs Monaten. Die am 8. April 1993 erhobene Säumnisbeschwerde (eingelangt am 14. April 1993) ist somit vor Ablauf der im § 27 VwGG statuierten sechsmonatigen Frist erhoben worden und war somit unzulässig.

Aus diesem Grund war die vorliegende Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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