Normen
LuftfahrtG 1958 §128 Abs4;
LuftfahrtG 1958 §129 Abs3;
VwRallg;
LuftfahrtG 1958 §128 Abs4;
LuftfahrtG 1958 §129 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. April 1991 wurde vom Landeshauptmann von Burgenland der Antrag des Beschwerdeführers um die Bewilligung zur Durchführung von Modellflügen auf den Grundstücken Nr. nnnn1, nnnn2 und nnnn3 der KG X (in der Folge kurz als "Modellflugplatz" bezeichnet) mit Flugmodellen mit einem Gewicht über 5 kg und mit einer Stundengeschwindigkeit von über 30 km gemäß § 129 Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 3 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 (LFG), abgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse, insbesondere auch der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten, festgestellt, daß sowohl aus lärmtechnischer, medizinischer, jagdlicher und flugtechnischer Sicht keine rechtlichen Bedenken gegen die Erteilung der angestrebten Bewilligung obwalten. Dagegen erachte es die Luftfahrtbehörde mit den Interessen des Natur- und Umweltschutzes als unvereinbar, am angeführten Ort die beantragte Bewilligung zu erteilen. Der Sachverständige für Naturschutz habe in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 8. Juni 1990 erklärt, daß das Gebiet der Parndorfer Platte trotz der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung noch immer eine bemerkenswerte Fauna aufweise und als Nahrungsraum vor allem von Greifvögeln, ferner auch der Großtrappe sowie der durchziehenden Wildgänse Bedeutung habe. Der Modellflugplatz liege zwar nicht unmittelbar im Bereich des Trappenvorkommens, aus Beobachtungen gehe jedoch hervor, daß der gesamte südliche Teil der Parndorfer Platte ein potentielles Brutgebiet darstelle. Das Hauptproblem sei die zumindest periodische Zunahme von Lärmbelastung und Störungshäufigkeit durch den Flugbetrieb sowie durch die verstärkte Besucherfrequenz. Die angestrebte Bewilligung laufe sohin den Intentionen des Artenschutzes entgegen. In einer weiteren Stellungnahme habe derselbe Sachverständige erklärt, daß der Lärm nicht allein das Problem sei; es sei keineswegs so, daß die Vögel fluchtartig den Modellflugplatz während des Fliegens verließen, sondern daß sich Probleme hinsichtlich der Brut ergäben. Wesentlich sei der Greifvogeleffekt sowie durch den Modellflugplatz bedingt die Besucherfrequenz, die sich störend auf die Fauna auswirke. Im Hinblick auf das mit 1. März 1991 in Kraft getretene burgenländische Naturschutzgesetz habe die Luftfahrtbehörde eine Anfrage an die Biologische Station Illmitz gerichtet, ob die Durchführung der Modellflüge in der beantragten Form eine nachteilige Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur in einem solchen Ausmaße darstelle, daß dem beantragten Vorhaben eine naturschutzbehördliche Bewilligung verweigert werden müßte. Die gestellte Frage sei von der Biologischen Station Illmitz unter Bezugnahme auf den Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. c des angeführten Gesetzes unter Hinweis auf die Stellungnahme vom 8. Juni 1990 zumindest für die Großtrappe und für die aufgezählten Greifvogelarten mit ja beantwortet worden. Der Flugbetrieb sowie die Zusatzbelastungen würden weitgehend die Nutzung der betreffenden Gebietsteile verhindern, was aus der Sicht der betroffenen Arten zweifellos als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen sei. Aus ökologischer Sicht ergebe sich sohin für die Luftfahrtbehörde zusammenfassend, daß im Bereich des Modellflugplatzes besonders störungsempfindliche Vogelarten, wie insbesondere Greifvögel und die vom Aussterben bedrohte Großtrappe, beheimatet seien. Hinsichtlich der Großtrappe werde dieses Gebiet ausdrücklich als "erweitertes Einzugsgebiet" bzw. "potentielles Brutgebiet" dargestellt. Dazu komme der Umstand, daß dort auch Rastbestände für durchziehende Vogelarten, vorwiegend Gänse, vorhanden seien. Es liege daher im Interesse des Naturschutzes, das fragliche Gebiet langfristig für die bezeichneten Vogelarten, insbesondere Greifvögel und Großtrappe, welche sich auf der sogenannten "roten Liste" befänden und vom Aussterben bedroht seien, in ihrer möglichst ungestörten Form als Gebietsreserve sicherzustellen. Hiebei falle bei der Beurteilung insbesondere ins Gewicht, daß die beantragte Form des Modellfliegens mit Flugmodellen über 15 kg (richtig wohl 5 kg) und mit Geschwindigkeiten über 30 km/h eine unverhältnismäßig höhere Störung darstellten als der nach luftfahrtrechtlichen Bestimmungen bewilligungsfreie Betrieb mit Flugmodellen unterhalb dieser Werte. Da die Interessen des Naturschutzes in besonderer Weise als zu den öffentlichen Interessen zugehörig zu werten seien, habe sohin die Luftfahrtbehörde für die beantragte Durchführung von Modellflügen die Bewilligung nicht erteilen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß der angefochtene Bescheid nicht seinen im Verwaltungsverfahren ausgewiesenen Rechtsvertretern, sondern direkt an ihn zugestellt worden sei. Schon allein auf Grund dieser rechtswidrigen Zustellung sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.
Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Mit der von den Vertretern des Beschwerdeführers eingebrachten Beschwerde wurde auch der angefochtene Bescheid vorgelegt. Der Verwaltungsgerichtshof geht demnach davon aus, daß der angefochtene Bescheid den Vertretern des Beschwerdeführers tatsächlich zugekommen ist, zumal Gegenteiliges in der Beschwerde gar nicht behauptet wird. Solcherart ist aber der Zustellmangel gemäß § 9 Abs. 1 zweiter Satz des Zustellgesetzes geheilt.
Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, daß ihm die auf Anfrage der Behörde erteilte Auskunft der Biologischen Station Illmitz, der nach der Begründung des angefochtenen Bescheides "verfahrensentscheidende Bedeutung" zukomme, nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, weil sie sich nicht bei jenen Kopien, die seinen Rechtsvertretern anläßlich der Akteneinsicht ausgefolgt worden seien, befinde.
Ob dieser Einwand zutrifft und ob sich die Stellungnahme der Biologischen Station Illmitz unter den dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ausgehändigten 228 Kopien befand oder nicht, wie der Beschwerdeführer behauptet, kann jedoch im Beschwerdefall in Hinsicht auf den (sich aus den nachstehenden Erwägungen ergebenden) Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens dahinstehen.
Gemäß § 129 Abs. 1 LFG ist für Modellflüge unbeschadet der Bestimmungen der §§ 22 und 23 eine Bewilligung erforderlich. Außerhalb von Sicherheitszonen gilt dies nur, wenn das Gewicht des Flugmodells 5 kg und seine Stundengeschwindigkeit 30 km übersteigt.
Gemäß § 129 Abs. 3 leg. cit. ist die Bewilligung zu erteilen, wenn durch den Modellflug öffentliche Interessen nicht gefährdet werden können. Die Bestimmungen des § 128 Abs. 4 gelten sinngemäß.
Gemäß § 128 Abs. 4 leg. cit. ist die Bewilligung insoweit bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen, als dies zur Verhinderung von Gefährdungen erforderlich ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem schon im Erkenntnis vom 23. März 1983, Zl. 82/03/0270, ausgesprochen und in der Folge auch daran festgehalten hat (vgl. das Erkenntnis vom 6. April 1983, Zl. 82/03/0273), erfordert die Bestimmung des § 129 Abs. 3 LFG die Feststellung, welcher Art und welchen Ausmaßes die Einwirkungen auf Personen oder Sachen sind, deren Verursachung durch projektierte Modellflüge zu besorgen ist, und unter welchen Gegebenheiten mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit mit solchen Auswirkungen zu rechnen ist. Erst solche - auf den den Gegenstand des Verfahrens bildenden Antrag abgestellte - Feststellungen lassen die rechtliche Beurteilung zu, ob und inwieweit eine Gefährdung öffentlicher Interessen - im Sinne des im § 129 Abs. 3 LFG verwendeten und aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit den übrigen Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes auszulegenden Begriffes der öffentlichen Interessen - im jeweiligen konkreten Fall auszuschließen ist.
Die Behörde hat im Verfahren über einen Antrag nach § 129 Abs. 3 LFG insbesondere auch auf den zweiten Satz dieser Bestimmung Bedacht zu nehmen. Aus diesem Satz ergibt sich im Zusammenhalt mit dem ersten Satz des § 129 Abs. 3 und § 128 Abs. 4 leg. cit., daß insofern ein Anspruch auf Erteilung einer beantragten Bewilligung für Modellflüge besteht, als sämtliche möglichen, öffentlichen Interessen im Sinne des § 129 Abs. 3 leg. cit. betreffenden Gefährdungen durch Bedingungen, Befristungen oder Vorschreibung von Auflagen ausgeschlossen werden können. Gerade auch die Bestimmung des zweiten Satzes des § 129 Abs. 3 in Verbindung mit § 128 Abs. 4 LFG macht Feststellungen darüber notwendig, welche Gefährdungen durch jene Modellflüge ausgelöst werden, die Gegenstand des jeweils zur Entscheidung stehenden Antrages sind.
Zu den öffentlichen Interessen im Sinne des § 129 Abs. 3 LFG gehören auch die Interessen des Naturschutzes; diese Interessen dürfen durch den Modellflug nicht gefährdet werden. Es ist demnach die Ansicht des Beschwerdeführers, es scheine verfehlt, "auch den Artenschutz und naturschutzrechtliche Agenden und Gesichtspunkte unter dem Begriff des öffentlichen Interesses im Sinne des Luftfahrtgesetzes zu subsumieren", unrichtig. Richtig ist, daß die Luftfahrtbehörde das Burgenländische Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991, nicht anzuwenden hatte. Dieses Gesetz wurde aber von der belangten Behörde entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ohnehin nicht angewendet, sondern es wurde von ihr bei der Entscheidung lediglich auch auf die Interessen des Naturschutzes Bedacht genommen, wozu sie nach der Anordnung des § 129 Abs. 3 LFG berechtigt und verpflichtet war.
Die belangte Behörde gründete ihre Annahme, daß die Erteilung der beantragten Bewilligung mit den Interessen des Natur- und Umweltschutzes unvereinbar sei, auf die Äußerungen des Sachverständigen für Naturschutz der Biologischen Station Illmitz, die jedoch keine ausreichende Grundlage für diese Annahme bilden. So wird vom Sachverständigen einerseits - wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet - das Hauptproblem in der zumindest "periodischen" Zunahme von Lärmbelästigung und Störungshäufigkeit durch den Flugbetrieb sowie durch die verstärkte Besucherfrequenz erblickt, andererseits von "ständigen" Störungen durch den Modellflugbetrieb gesprochen und weiters erklärt, daß der Lärm nicht allein das Problem sei, daß sich aber Probleme hinsichtlich der Brut ergäben und wesentlich der Greifvogeleffekt sowie die durch den Modellflugbetrieb bedingte Besucherfrequenz seien. Was nun den Greifvogeleffekt anlangt, so wird von der belangten Behörde in anderem Zusammenhang - auch dies wird vom Beschwerdeführer zutreffend bemerkt - darauf hingewiesen, daß es sich bei dem sogenannten "Greifvogeleffekt" um "mittelalterliche" Vorstellungen handle (vgl. die Ausführungen auf Seite 25f der Begründung des angefochtenen Bescheides). Dennoch mißt sie diesem Effekt in Ansehung der Interessen des Naturschutzes Bedeutung bei. Bezüglich der Besucherfrequenz fehlen Erörterungen und Feststellungen, ob und in welchem Ausmaße sich diese verstärken und konkret auswirken wird. Was die Probleme hinsichtlich der Brut, und zwar insbesondere hinsichtlich der Brut der Großtrappe, betrifft, so liegt der Modellflugplatz auch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht unmittelbar im Bereich des Trappenvorkommens und stellt dieses Gebiet lediglich wie der gesamte südliche Teil der Parndorfer Platte ein potentielles Brutgebiet dar. Die Feststellung der belangten Behörde, daß im Bereich des Modellflugplatzes besonders störungsempfindliche Vogelarten wie insbesondere Greifvögel und die vom Aussterben bedrohte Großtrappe "beheimatet" sind, trifft sohin zumindest hinsichtlich der Großtrappe in dieser Form nicht zu.
In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, daß nach der in der Aktenlage gedeckten und in der Gegenschrift der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen Behauptung des Beschwerdeführers auf dem in Rede stehenden Modellflugplatz schon seit langer Zeit nicht bewilligungspflichtige Modellflüge durchgeführt werden und dieses Gebiet schon jetzt Belastungen ausgesetzt ist, die von den erlaubten Modellflügen herrühren. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides meint, daß die beantragte Form des Modellfliegens mit Flugmodellen über 15 kg (richtig wohl über 5 kg) und mit Geschwindigkeiten über 30 km/h eine unverhältnismäßig höhere Störung als der bewilligungsfreie Betrieb mit Flugmodellen darstelle, so vermag sie diese Annahme - wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt - auf "keinerlei Tatsachensubstrat" zu gründen. Da die Lärmmessungen nicht auf dem gegenständlichen Modellflugplatz bei Durchführung von erlaubten Modellflügen mit Modellen unter 5 kg durchgeführt wurden, besteht der Einwand des Beschwerdeführers, es sei "durch keinerlei Beweisaufnahmen abgeklärt, welche Änderung im Hinblick auf Störungen sich bei Verwendung von Flugmodellen zwischen 5 und 15 kg gegenüber Flugmodellen, die 5 kg aufweisen, ergeben", zu Recht.
Vor allem aber fehlen (allenfalls durch Beziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Wildtierkunde zu treffende) Feststellungen und Erörterungen darüber, ob eine Gefährdung der Interessen des Naturschutzes durch den beantragten Modellflugbetrieb nicht durch die Vorschreibung von Bedingungen, Befristungen oder von Auflagen ausgeschlossen werden kann. Welche Interessen des Umweltschutzes schließlich bei Erteilung der beantragten Bewilligung betroffen sind, ist dem angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht zu entnehmen.
Solcherart blieb nicht nur der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte ergänzungsbedürftig, sondern wurden auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei der Schriftsatzaufwand nur in der beantragten Höhe zuzusprechen war. Die Abweisung des Mehrbegehrens hat nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand zum Gegenstand.
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