VwGH 91/19/0225

VwGH91/19/022528.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des D in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 5. Juni 1991, Zl. 5 - 212 Bu 30/11 - 90, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §9;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §3 Abs1;
Nachtarbeit der Frauen 1969 §3 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug, ergangenen Bescheid vom 5. Juni 1991 faßte der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) den Spruch des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 18. Mai 1990 wie folgt neu:

"Herr D hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'D Ges.m.b.H.', welche persönlich haftende Gesellschafterin der 'XY-GmbH & Co KG' am Standort G (erg.: ist,) unterlassen, für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften zu sorgen, da I.) die nachstehend angeführten Arbeitnehmer in den

nachstehend angeführten Zeiträumen beschäftigt wurden, obwohl die tägliche Arbeitszeit maximal 10 Stunden betragen darf

  1. 1.) Stefanie P

    am 25.4.1989 von 07.30 Uhr bis 20.30 Uhr abzüglich einer Gesamtpausenzeit von 2 Stunden, insgesamt 11 Stunden,

  1. 2.) Werner R

    am 25.4.1989 von 07.30 Uhr bis 20.00 Uhr abzüglich einer Gesamtpausenzeit von 2 Stunden, insgesamt 10 Stunden und 30 Minuten,

    am 26.4.1989 von 07.30 Uhr bis 20.00 Uhr abzüglich einer Gesamtpausenzeit von 2 Stunden, insgesamt 10 Stunden und 30 Minuten,

  1. 3.) Karin M

    am 25.4.1989 von 07.30 Uhr bis 20.30 Uhr abzüglich einer Gesamtpausenzeit von 2 Stunden, insgesamt 11 Stunden.

    II.) die weiblichen Arbeitnehmerinnen Elisabeth S,

    Karin M und Stefanie P am 25.4.1989 nach 20.00 Uhr beschäftigt wurden, obwohl weibliche Arbeitnehmer während der Nachtzeit nach 20.00 Uhr nicht mehr beschäftigt werden dürfen.

    Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt.

I.) 1.), 2.) und 3.) § 9 erster Halbsatz Arbeitszeitgesetz

(AZG) BGBl. Nr.461/1969,

II.) § 3 Abs.1 und 2 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit

der Frauen, BGBl. Nr.237/1969 in der Fassung BGBl.

Nr.210/1986.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über ihn folgende

Strafen verhängt:

Zu I.) jeweils eine Geldstrafe von 1500 S (insgesamt 4500 S),

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von

jeweils 3 Tagen gemäß § 28 Abs.1 AZG und

zu II.) jeweils eine Geldstrafe von 1000 S (insgesamt 3000 S),

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzarrest von

dreimal 1 Tag gemäß § 9 Abs.1 FrNArbG i.V.m. § 16 Abs.1

und 2 VStG 1950

Ferner hat er gemäß § 64 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v.H. der verhängten Geldstrafen zu leisten und somit zu I.) dreimal 150 S und zu II.) dreimal 100 S zu bezahlen."

Ferner wurde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG der vom nunmehrigen Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens bestimmt.

(Die darüber hinaus verfügte Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich mehrerer, im Straferkenntnis vom 18. Mai 1990 angeführter Übertretungen ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Belang.)

2. Durch diesen Bescheid (im Ausmaß des wiedergegebenen Schuld- und Strafausspruches) erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht der ihm angelasteten Übertretungen wegen schuldig erkannt und bestraft zu werden, verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes und begehrt deshalb die Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 1991 im angefochtenen Umfang.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer nicht die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Verwirklichung des objektiven Tatbestandes (des § 9 erster Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, wie auch des § 3 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969), sondern ausschließlich ein Verschulden daran bestreitet.

2. Da zum jeweiligen Tatbestand der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei diesen um Ungehorsamsdelikte, dies mit der Folge, daß die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verankerte Vermutung des Verschuldens (in Form der Fahrlässigkeit) des Täters Platz greift: Dieser hat von sich aus sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist der Verwaltungsgerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, daß dies dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist.

3.1. Der Beschwerdeführer behauptet, ein die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften garantierendes Kontrollsystem in seinen Betrieben eingerichtet zu haben, und zwar dergestalt, daß er selbst laufend Kontrollen durchführe, daß er weiters, da er nicht "ständig überall anwesend" sein könne, den Referenten für Personalangelegenheiten, Eduard S, mit derartigen Kontrollaufgaben betraut habe, und schließlich, daß dem "Lager" - das ist jener Betriebsbereich, in dem nach der Aktenlage die im Schuldspruch genannten Arbeitnehmerinnen tätig waren - "eine Vorgesetzte, nämlich Frau Ingrid P übergeordnet wurde, welche, wie sie selbst bestätigt, die Aufsicht über die Geschehnisse im Lager hatte". Der Beschwerdeführer habe sich daher darauf verlassen können, daß die "jeweiligen Bestimmungen des Arbeitsnehmerschutzgesetzes und des Arbeitszeitgesetzes" eingehalten würden.

3.2. Damit hat der Beschwerdeführer nicht - wie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für erforderlich erachtet (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0086, und Zl. 91/19/0095, sowie vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0247) - auf der Grundlage entsprechenden Tatsachenvorbringens dargetan, wie diese in der Beschwerde so bezeichnete "Kontrollvorsorge" KONKRET funktionieren sollte. Weder das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe zwei (namentlich genannte) Arbeitnehmer mit der Kontrolle der Einhaltung unter anderem arbeitszeitrechtlicher Vorschriften betraut, noch der Hinweis, er habe sich angesichts dieser Betrauung darauf verlassen können, daß die Arbeitszeitvorschriften eingehalten würden, sind derartige Konkretisierungen. Mit dem zweitgenannten Argument verkennt der Beschwerdeführer aber nicht nur, daß ein (vermeintliches) Vertrauenkönnen auf das Funktionieren die konkrete Darstellung der Funktionsweise des in generell-abstrakter Form existierenden Kontrollsystems nicht zu ersetzen vermag, sondern auch das Wesen eines WIRKSAMEN Kontrollsystems. Um von einem solchen sprechen zu können, genügt nicht die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben und die Erteilung diesbezüglicher Weisungen; geboten ist vielmehr darüber hinaus die Überwachung der Betrauten auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben bzw. die Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung (vgl. auch dazu die hg. Erkenntnisse Zl. 91/19/0086 und Zl. 91/19/0247).

4. Nach dem Vorgesagten hat die belangte Behörde zu Recht das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften betreffend in dem im Schuldspruch bezeichneten Unternehmen und damit die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verneint.

5.1. Der Beschwerdeführer vertritt - unter der Annahme, es treffe ihn überhaupt ein Verschulden - die Ansicht, daß die belangte Behörde wegen der "geringen Verschuldensintensität und wegen der geringfügigen Überschreitungen, die ohne jede Folgen blieben", von der Verhängung einer Strafe hätte Abstand nehmen müssen.

5.2. Gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt demnach nur bei Geringfügigkeit des Verschuldens in Betracht. Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, worin ihrer Meinung nach eine solche Geringfügigkeit gelegen sein soll. Demgegenüber hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, daß aufgrund des Fehlens eines funktionierenden Kontrollsystems bezüglich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften von einem geringfügigen Verschulden des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden könne. Der Gerichtshof teilt diese Auffassung (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 90/19/0501). Hinzugefügt sei, daß auch die in der Beschwerde in anderem Zusammenhang hervorgehobene einschlägige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, eine Geringfügigkeit seines Verschuldens darzutun, stellt doch die sogenannte relative Unbescholtenheit - entgegen der im bekämpften Bescheid geäußerten Meinung - nicht einmal einen im Grunde des § 19 Abs. 2 VStG zu berücksichtigenden Milderungsgrund dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1991, Zl. 90/19/0584).

6. Da sich sohin die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VWGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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