VwGH 88/05/0073

VwGH88/05/007319.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde

1) der GN und 2) der RN gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1987, Zl. MDR- B XVI-12/87, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: X-Wohnungs-GmbH), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §69 Abs1 litc;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litc;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben zu gleichen Teilen der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 37, vom 12. Mai 1987, wurde der Mitbeteiligten unter Berufung auf die §§ 70 und 73 der Bauordnung für Wien die Bewilligung erteilt, an dem Bauvorhaben in Wien nn., Z-Gasse 11, verschiedene Änderungen vorzunehmen, wobei die Einwendungen der anrainenden Beschwerdeführerinnen "bezüglich der Situierung der Einfriedungsmauer" als privatrechtlich beurteilt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sind. Hiezu wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, daß Dipl.-Ing. Dr. techn. Harald M. als staatlich befugter und beeideter Ingenieurkonsulent für das Vermessungswesen und allgemein gerichtlich beeideter Sachverständiger mit Schreiben vom 28. Oktober 1986 mitgeteilt habe, daß die geringen Meßdifferenzen zwischen dem Lageplan M 1 : 200 vom 9. November 1983 und dem Lageplan M 1 : 50 vom 15. März 1985 durch die Möglichkeit der exakteren Erfassung der Grenzpunkte anläßlich der Anfertigung des Lageplanes im Maßstab 1 : 50 erklärbar seien. Außerdem wurden weitere Einwendungen der Beschwerdeführerinnen teilweise "als im Gesetz nicht begründet abgewiesen", oder als "unzutreffend" abgewiesen sowie zum Teil als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1987 wurde auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerinnen der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 "mit der Abänderung bestätigt, als sich die Bewilligung auf ein im Berufungsverfahren geringfügig modifiziertes und präzisiertes Projekt bezieht....." (Diese Änderungen wurden in der Folge im Spruch dieses Bescheides näher angeführt.) Im übrigen wurde das Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen "als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt".

In dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlichen Teil der Begründung ihres Bescheides führte die Berufungsbehörde aus, daß der Berufung zur Frage des strittigen Grenzverlaufes insofern Berechtigung zukomme, als diese Frage im Verwaltungsverfahren als Vorfrage zu beurteilen sei, wobei ein gerichtliches Verfahren zur Festlegung des Grenzverlaufes derzeit nicht anhängig sei. Zur Frage des Grenzverlaufes habe die Mag. Abt. 41, Stadtvermessung, am 17. Juli 1987 folgendes mitgeteilt:

"Die Grundgrenze zur Nachbarliegenschaft EZ 1060 ist im Lageplan des IK M, GZ 9887a vom 9. November 1983 durch die koordinativ bestimmten Punkte 201-223-224-225 festgelegt. Die Punkte 201 und 223 stellen die Hausecken des bestehenden Wohngebäudes Z-Gasse 9 dar. Der Grenzabschnitt 223-224 wird durch eine Einfriedungsmauer gebildet. Die Ecken des damals bestehenden Hintergebäudes mit der Punktebezeichnung 224-225 bilden den Abschluß des fraglichen Grenzverlaufes.

Nach Abbruch der Objekte auf der Liegenschaft Z-Gasse 11 erfolgte im März 1985 eine neuerliche Vermessung, die im wesentlichen das gleiche Ergebnis wie die vorhergehende erbrachte. Geringfügige Abweichungen im Zentimeterbereich, begründet durch die bessere Erfaßbarkeit der Grenzpunkte nach dem Abbruch, liegen im üblichen Toleranzbereich und wirken sich auf den gegenständlichen Grenzbereich nicht aus. In der Plandarstellung aus 1985 ist demnach eine identische Abbildung durch die Punkte 304-309-308-307 gegeben.

Die Länge der in einer Trakttiefe von 16.00 m liegenden inneren Baufluchtlinie wurde rechnerisch überprüft und mit

14.97 als richtig befunden."

Auf Grund dieser Stellungnahme könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Grenzverlauf in der planlichen Darstellung der Pläne vom Jänner 1987, auf die sich der erstinstanzliche Bescheid vom 12. Mai 1987 beziehe, unrichtig sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Bei der Frage eines bestimmten Grenzverlaufes handelt es sich im Baubewilligungsverfahren um eine Vorfrage, sofern der Grenzverlauf für das Vorhaben rechtlich erheblich ist (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1985, Zl. 82/06/0183, BauSlg. Nr. 605), wovon im Beschwerdefall auszugehen ist, weil die Frage strittig ist, ob Teile der von der Mitbeteiligten im Bereich der Grenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen geplanten Einfriedungsmauer auf deren Grundstück errichtet werden soll.

Auch wenn man der Ansicht der Beschwerdeführerinnen folgend davon ausgeht, das Vorbringen des Nachbarn, demzufolge das Bauvorhaben seinen Grund beanspruche, sei nicht als privatrechtliche Einwendung zu beurteilen (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Aufl., Prugg-Verlag Eisenstadt, S. 62), ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerinnen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nichts gewonnen, weil die von der belangten Behörde ausgesprochene Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerinnen und diesbezügliche Bestätigung des erstinstanzlichen Ausspruches, wonach "die Einwendungen ... bezüglich der Situierung der Einfriedungsmauer als privatrechtlich beurteilt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden", im Ergebnis bedeutet, daß diese Einwendung der Beschwerdeführerinnen auch nach Auffassung der belangten Behörde nicht zur Versagung der Baubewilligung führt. Da die Beschwerdeführerinnen lediglich im Falle der Unrichtigkeit einer derartigen Auffassung insoweit in ihren Nachbarrechten verletzt wären, könnte eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nur dann vorliegen, wenn der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Beantwortung der Vorfrage nach dem Grenzverlauf ein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen wäre, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Eine solche Annahme ist aber nicht gerechtfertigt, weil die belangte Behörde in Anbetracht des Berufungsvorbringens das Ermittlungsergebnis in dieser Hinsicht durch Einholung der schon wiedergegebenen Stellungnahme der Mag. Abt. 41, Stadtvermessung, ergänzt hat und danach nicht davon auszugehen hatte, daß der Grenzverlauf in der dem erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid zugrunde gelegenen Plandarstellung unrichtig sei. Dem Vorbringen in der Beschwerde, es könne den Vermessungen eines Vermessungstechnikers nicht gefolgt werden, wenn er nicht übereinstimmende Pläne vorlege, weshalb die Beschwerdeführerinnen zur Vorlage eigener Vermessungspläne zu veranlassen gewesen wären oder von Amts wegen eine Vermessung durchzuführen gewesen wäre, ist zu entgegnen, daß die für Fragen der Stadtvermessung zuständige Magistratsabteilung in der schon erwähnten Stellungnahme ausdrücklich erwähnt hat, daß die im März 1985 vorgenommene neuerliche Vermessung "im wesentlichen das gleiche Ergebnis wie die vorhergehende erbrachte", weshalb für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden hat, eine weitere Vermessung durchführen zu lassen. Im übrigen wäre es den Beschwerdeführerinnen unbenommen geblieben, die nunmehr erwähnten "eigenen Vermessungspläne" auch ohne diesbezügliche behördliche Aufforderung vorzulegen, um damit ihren Standpunkt unter Beweis zu stellen und die mehrfach erwähnte Äußerung der Mag. Abt. 41 zu entkräften. Im übrigen aber lassen die Beschwerdeausführungen nicht erkennen, inwiefern die belangte Behörde zu einem für die Beschwerdeführerinnen günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn sie dem nunmehrigen Verlangen der Beschwerdeführerinnen entsprochen hätte. Die Beschwerdeführerinnen haben also die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, weshalb ihre Verfahrensrüge nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., auf S. 591 wiedergegebene Judikatur) nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen kann.

Abschließend ist noch festzuhalten, daß im Fall einer die in Rede stehende Frage des Grenzverlaufes anderes beurteilenden Entscheidung des zuständigen Gerichtes ein Grund für die Wiederaufnahme des Baubewilligungsverfahrens gegeben wäre (vgl. nochmals Hauer, a.a.O.).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der von den Beschwerdeführerinnen beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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