VwGH 89/06/0042

VwGH89/06/004223.1.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der Gemeinde H, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23. Jänner 1989, Zl. I-2-21/1988, betreffend die Erteilung einer baupolizeilichen Bewilligung zur Errichtung eines Hundezwingers (mitbeteiligte Partei: HW in H), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Vlbg 1972 §2 litg;
BauRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1990:1989060042.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (belangte Behörde) vom 23. Jänner 1989 wurde der Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde H vom 13. September 1988, mit dem der Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 20. Jänner 1988 vollinhaltlich bestätigt worden war, auf Grund einer Vorstellung des Mitbeteiligten gemäß § 83 Abs. 7 des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung über Vorstellungen, LGBl. Nr. 70/1985, aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe nach seinen eigenen Angaben vor ca. 15 Jahren auf der Grundparzelle Nr. 3525/22, KG H. einen überdachten Hundezwinger mit einer Länge von 9,20 m und einer Breite von 3,40 m errichtet. Die "Wände" bestünden zum überwiegenden Teil aus Maschengitter, die Längsrückwand und ca. ein Drittel der Seitenwände aus Eternitplatten, die Traufhöhe betrage 1,80 m bzw. 1,50 m. Zur benachbarten Grundparzelle 3525/66, KG H werde ein Bauabstand von 1 m eingehalten. Die Gemeindebehörden hätten diese Hundezwingeranlage als Gebäude im Sinne des § 2 lit. g des Baugesetzes qualifiziert und die Versagung der Baubewilligung darauf gestützt, daß der gesetzliche Mindestabstand von 3 m (§ 6 Abs. 7 des Baugesetzes) nicht eingehalten werde.

Der Mitbeteiligte wende sich gegen diese Rechtsansicht mit dem Argument, der Hundezwinger habe an der niedrigsten Stelle eine Höhe von 1,5 m bzw. 1,8 m und könne daher von Menschen nicht betreten werden.

Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung ihres Bescheides aus, Gebäude im Sinne des § 2 lit. g des Baugesetzes sei ein überdachtes Bauwerk, das von Menschen betreten werden könne und mindestens einen Raum allseits oder überwiegend umschließe; als Bauwerk werde im § 2 lit. e des Gesetzes eine Anlage definiert, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind und die mit dem Boden in Verbindung steht. Es sei unbestritten, daß es sich bei der Hundezwingeranlage um ein Bauwerk im Sinne des Baugesetzes handle. Das Bauwerk sei überdacht und könne trotz seiner relativ geringen Höhe von Menschen betreten werden. Nach Ansicht der belangten Behörde sei allerdings das weitere Kriterium für die Gebäudeeigenschaft, nämlich, daß mindestens ein Raum allseits oder überwiegend umschlossen wird, nicht gegeben. Ein Raum sei überwiegend umschlossen, wenn er mehr als zur Hälfte durch Wände oder sonstige Umfassungsflächen abgegrenzt wird. Ein Maschendrahtgitter stelle keine Wand dar und könne auch nicht als sonstige Umfassungsfläche angesehen werden. Eine Umfassungsfläche liege dann vor, wenn sie ein Mindestmaß an Schutz vor Witterungseinflüssen (Kälte, Regen usw.) garantiere. Dies sei bei einem Maschendrahtgitter nicht der Fall. Der Hundezwinger könne daher nicht als überwiegend umschlossen angesehen werden und stelle somit auch kein Gebäude im Sinne des § 2 lit. g des Baugesetzes dar. Der Rechtsirrtum der Baubehörde zweiter Instanz sei entscheidungswesentlich, weil im § 6 des Baugesetzes unterschiedliche Mindestabstände für Gebäude und sonstige Bauwerke normiert seien. Gemäß § 6 Abs. 8 des Baugesetzes sei bei oberirdischen Bauwerken, die nicht Gebäude sind, ein geringerer Abstand als der gesetzliche Abstand von mindestens 2 m möglich, wenn der Nachbar dem zustimmt und die im § 6 Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden. Im fortgesetzten Verfahren werde daher die Behörde zu prüfen haben, ob die Zustimmung der Eigentümer der Gp. Nr. 3525/66, KG. H. tatsächlich vorliegt. Die belangte Behörde habe begründete Zweifel an der Echtheit einer Unterschrift der im Bauakt erliegenden Zustimmungserklärung zweier Nachbarn.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird, weil die belangte Behörde der vom Mitbeteiligten erhobenen Vorstellung Folge gegeben und das in Rede stehende Bauwerk nicht als oberirdisches Gebäude qualifiziert habe. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Begriffsbestimmung des § 2 lit. g des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, ist "Gebäude ein überdachtes Bauwerk, das von Menschen betreten werden kann und mindestens einen Raum allseits oder überwiegend umschließt".

Aus dem im Akt befindlichen Plan ergibt sich, daß das in Rede stehende Bauwerk überdacht ist, von Menschen betreten werden kann und durch das Dach, den Boden, die ganze Längsrückwand und ca. ein Drittel der Seitenwände umschlossen wird. Betrachtet man diese Flächen als solche, die ein Mindestmaß an Schutz vor Witterungseinflüssen (Kälte, Regen usw.) garantieren, so erweist sich das in Rede stehende Bauwerk ungeachtet der weiteren Verwendung von Maschendrahtzäunen als überwiegend umschlossen und damit insgesamt als Gebäude im Sinne der oben zitierten Begriffsbestimmung. Da somit die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es handle sich dabei um kein Gebäude im Sinne des Baugesetzes, unzutreffend ist, war der in Beschwerde gezogene Bescheid, der sich auf diese Rechtsansicht stützt, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 23. Jänner 1990

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