VwGH 89/09/0017

VwGH89/09/001718.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Dr. Novak, über die Beschwerde des GG in W, vertreten Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs‑Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 28. November 1988, Zl. 66/‑DOK/88, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §92 Abs1 Z4
BDG 1979 §93 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989090017.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1962 geborene Beschwerdeführer stand als Sicherheitswachebeamter (Inspektor) in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war die Verkehrsabteilung, motorisierte Verkehrsgruppe, der Bundespolizeidirektion Wien.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte den Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 28. März 1988, 2 d Vr 13998/87, Hv 1394/88, schuldig erkannt, er habe am 28. Oktober 1987 in Wien als Sicherheitswachebeamter der Bundespolizeidirektion Wien für die pflichtwidrige Unterlassung der Erstattung einer Anzeige gegen V. wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen ohne Führerschein, mithin eines Amtsgeschäftes, von V. für sich einen Vermögensvorteil von S 5.000,‑ ‑ gefordert und in Höhe von S 1.000,‑ ‑ angenommen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 1 StGB begangen und wurde hiefür nach dieser Bestimmung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten (bedingt auf drei Jahre Probe) verurteilt.

In dem sich daran anschließenden Disziplinarverfahren hatte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres den Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 27. Juli 1988 schuldig befunden, seine Dienstpflichten (§§ 43 Abs. 1 und 2 und 44 Abs. 1 BDG 1979) dadurch verletzt zu haben (§ 91 BDG 1979), daß er am 28. Oktober 1987 vom Kellner V., gegen den er im Streifendienst der Verkehrsabteilung eine Amtshandlung wegen fehlender Lenkerberechtigung geführt hätte, für das Unterlassen einer Anzeige Geld in der Höhe von S 5.000,‑ ‑ gefordert und nach entsprechender Absprache am 28. Oktober 1987 gegen 19.45 Uhr einen Teilbetrag von S 1.000,--entgegengenommen habe, weshalb er am 23. März 1988 (mit dem oben zitierten Urteil) vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig (siehe dazu näher oben) verurteilt worden sei und daß er ferner (insofern über die strafgerichtliche Verurteilung hinausgehend) entgegen der bestehenden Vorschriften seine geladene Dienstpistole außer Dienst geführt habe. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

In der Begründung führte die Disziplinarbehörde erster Instanz im wesentlichen aus, gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 sei die Disziplinarkommission an das rechtskräftige Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien gebunden; auch habe sich der Beschwerdeführer schuldig bekannt. Ein „disziplinärer Überhang“ im Sinn des § 95 BDG 1979 wurde bejaht: Das Strafgericht habe nur auf den strafrechtlichen Tatbestand Bedacht zu nehmen gehabt und habe den Gesichtspunkten, die den vom Beschwerdeführer begangenen Verfehlungen aus disziplinärer Sicht ihr besonderes Gewicht verliehen, nicht Rechnung zu tragen. Die Handlung des Beschwerdeführers stelle eine besonders schwerwiegende Verfehlung dar, die ein äußerst bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen erkennen lasse. Der Beschwerdeführer habe durch diese Verfehlung gerade jene „Rechtsgüter“ verletzt, die „zum Schutz der Rechtspflege erlassen“ worden seien und habe hiedurch nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern das seines Exekutivkörpers im besonderen und der gesamten Beamtenschaft nachhaltig beeinträchtigt. Dies habe zur Folge, daß das zwischen dem Beschwerdeführer und der Verwaltung bestehende Vertrauensverhältnis, das die Grundlage des österreichischen Berufsbeamtentums bilde, schwerstens erschüttert worden sei. Er könne daher nicht mehr im öffentlichen Dienst verwendet werden. Die Entlassung sei überdies nur die Folge der vom Beschwerdeführer selbst zu verantwortenden Handlung, wobei noch darauf hinzuweisen sei, daß in der Privatwirtschaft schon wesentlich geringere Verstöße zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würden. Außer dem Vertrauensverhältnis und dem Ansehen würde auch der Unbestechlichkeitsgrundsatz verletzt werden, der zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine geordnete Amtstätigkeit gehöre. Auf die psychologische Situation des Beschwerdeführers und die Einmaligkeit der Verfehlungen habe wegen der besonderen Schwere der Dienstpflichtverletzung, wegen der nur der Ausspruch der schwersten Disziplinarstrafe der Entlassung in Frage gekommen sei, keine Rücksicht genommen werden können.

In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung, die sich ausdrücklich nur gegen die verhängte Strafe richtete, brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, bei Prüfung aller Umstände des Falles läge kein derartig schwerer Vertrauensverlust vor, der die Entlassung rechtfertige. Ohne sein Verschulden sei er in seine prekäre finanzielle Situation geraten. Zur Renovierung seiner Wohnung sowie deren Einrichtung habe er einen Kredit von S 200.000,‑ ‑ aufgenommen. Diese Wohnung, die er nicht mehr besitze, sei ohne sein Verschulden abgebrannt, ohne daß ein entsprechender Versicherungsschutz vorhanden gewesen sei. Er hätte daher wieder höhere Beträge zum Ersatz der Einrichtung bzw. zur Wiederherstellung aufzuwenden gehabt, sodaß es deshalb zu Kontoüberziehungen und letztlich zu Exekutionsverfahren gegen ihn gekommen sei. Auf Grund dieses Umstandes sei er zum Tatzeitpunkt unter schwerer psychischer Belastung gestanden. Dazu komme, daß er Nachtdienst gehabt habe, übermüdet gewesen sei und Alkohol in nicht unbeträchtlichem Ausmaß konsumiert habe. Offensichtlich im Zusammenspiel aller dieser Komponenten sei es zu der ihm vollkommen unerklärlichen Handlung gekommen, die in auffallendem und eklatantem Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes stünde. Nicht nur sein Kollege, mit dem er Streifendienst verrichtet habe, hätte von der Amtshandlung gegen V. gewußt. Der Beschwerdeführer habe diese Amtshandlung auch nach seinem Einrücken gemeldet, sodaß der Vorfall amtsbekannt geworden sei und seine nachfolgenden Handlungen nur auf plötzliche durch die oben erwähnten Faktoren ausgelöste Reaktion zurückzuführen seien, die bei klarer und sonst ihm eigener Überlegung niemals hervorgekommen wäre. Es könne nicht ernstlich angenommen werden, daß sich der Beschwerdeführer sonst auf eine derartige Vorgangsweise eingelassen hätte, weil er durch das Bekanntsein der Amtshandlung früher oder später mit einer Entdeckung habe rechnen müssen. Auch wenn das Strafgericht (nur) die strafrechtliche Komponente zu berücksichtigen habe, sei aus der unter Setzung einer Probezeit ausgesprochenen bedingten Strafe ein Vertrauensbeweis gegenüber seiner Person abzuleiten, daß es des Vollzugs der Freiheitsstrafe nicht bedürfe, um weitere derartige Handlungen zu verhindern. Daraus könne für das Disziplinarverfahren abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer eine derartige charakterliche Stärke aufweise, daß eine Wiederholung derartiger Vorfälle auszuschließen sei. Auch habe der Beschwerdeführer zur Bereinigung seiner finanziellen Situation eine ordnungsgemäß gemeldete Nebenbeschäftigung angenommen; in absehbarer Zeit sei mit deren Sanierung zu rechnen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. November 1988 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis. Zur Begründung führte sie nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, im Hinblick auf die auf die verhängte Strafe eingeschränkte Berufung sei in die Schuldfrage nicht einzugehen gewesen. Bei der Beurteilung der Straffrage habe die belangte Behörde davon auszugehen, daß gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 grundsätzlich die Schwere der Dienstpflichtverletzung das Maß für die Höhe der Strafe bilde, wobei noch auf die Erschwerungs- und Milderungsgründe, auf die persönlichen Verhältnisse des Beamten und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen sei. Die dem Beschwerdeführer angelasteten Verfehlungen stellten sich als durchaus gravierende Dienstpflichtverletzungen dar, zumal die Annahme von Geldgeschenken oder anderen Vermögensvorteilen bei der Verrichtung von Dienstpflichten an sich schon ein für einen Beamten unwürdiges Verhalten darstelle. Im Beschwerdefall erscheine es aber als besonders verwerflich, daß der Beschwerdeführer den Vermögensvorteil zwecks Unterlassung einer Anzeigenerstattung wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden Verwaltungsübertretung angenommen bzw. gefordert habe. Ein derartiges Vorgehen bringe nicht nur den Beamten selbst, sondern die gesamte Beamtenschaft in der Öffentlichkeit in Mißkredit. Die damit verbundene Vertrauensschädigung sei bereits im erstinstanzlichen Erkenntnis ausführlich erörtert worden; den diesbezüglichen Ausführungen sei vollinhaltlich beizutreten. Durch die Verfehlung des Beschwerdeführers, die sich gerade gegen jene Rechtsgüter gerichtet habe, zu deren Schutz der Beamte auf Grund seiner dienstlichen Stellung berufen sei, sei das zwischen ihm und der Verwaltung bestehende Vertrauensverhältnis so nachhaltig erschüttert worden, daß seine Weiterverwendung im öffentlichen Dienst für nicht mehr möglich zu erachten gewesen sei. Die belangte Behörde sei sich durchaus bewußt, daß die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Bedienstete ‑ im Hinblick auf ihre Auswirkungen ‑ nur dann verhängt werden solle, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspreche. Naturgemäß komme ihr, zum Unterschied von anderen Strafmitteln, keine Erziehungsfunktion in bezug auf den Beschuldigten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im BDG 1979 enthaltenen sogenannten „Untragbarkeitsgrundsatzes“ zu sehen. Zweck dieser Strafe sei es somit, daß sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses trennen könne. Dem aus der Berufung erkennbaren Argument, auch eine mildere Strafe würde ausreichen, den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, habe daher im vorliegenden Fall keine Bedeutung beigemessen werden können. Zu den in der Berufung vorgebrachten Milderungsgründen (Geständnis des Beschwerdeführers; seine disziplinäre Unbescholtenheit; Ausführungen über seine persönlichen Verhältnisse) sei grundsätzlich auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 4. März 1981, Zl. 274/80, zu verweisen, wonach bei Vorliegen besonders schwerwiegender Dienstvergehen ‑ und um ein solches handle es sich hier ‑ und der daraus resultierenden gravierenden Nachteile für den Dienstgeber schon aus dem Grund, daß hierauf kraft Gesetzesbefehles (§ 93 Abs. 1 BDG 1979) Bedacht zu nehmen sei, andere Kriterien, insbesondere das bisherige Verhalten des Beschuldigten, für die Strafbemessung nicht ausschlaggebend sein könnten. Auch der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, daß er sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, habe keine Berücksichtigung finden können, weil einerseits weder das Strafgericht diese Tatsache bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt habe, sich anderseits aber auch diese gegebenenfalls vorliegende Beeinträchtigung nicht über den gesamten Zeitraum der Tathandlungen erstreckt habe. Sollte der Beschuldigte nämlich auch zum Zeitpunkt der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeuglenker V. noch unter Alkoholeinfluß gestanden sein, so treffe dies sicherlich nicht mehr auf die Zusammenkunft am 28. Oktober 1987 abends zu, bei der der Beschwerdeführer den Geldbetrag angenommen habe. In den vom Beschwerdeführer dargelegten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Entlassung sehe die belangte Behörde ebenfalls keine ausreichende Begründung, von dieser Maßnahme Abstand nehmen zu können. Auf Grund des Alters des Beschwerdeführers, dem im übrigen keine Sorgepflichten oblägen, erscheine es durchaus möglich, daß er eine Beschäftigung außerhalb des staatlichen Bereiches finden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtverhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung verletzt. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt er ‑ wie bereits im Verfahren vor den Disziplinarbehörden ‑ im wesentlichen vor, es handle sich in seinem Fall um eine einmalige Verfehlung, die nicht bereits den für die Entlassung notwendigen totalen Vertrauensverlust herbeigeführt habe. Gerade bei einem einmaligen Vorfall müßten alle hiemit im Zusammenhang stehenden Umstände sowie das gesamte Umfeld in die Beurteilung einbezogen werden. Der Beschwerdeführer habe sich im Zeitpunkt seiner Tat in einer Situation befunden, die in einer für ihn selbst unerklärlichen Handlung gemündet habe. Von besonderer Bedeutung sei der Umstand, daß er die Amtshandlung gegen den Kfz‑Lenker nach dem Einrücken vom Außendienst gemeldet habe und diese seinem Kollegen, der mit ihm Streifendienst versehen habe, gleichfalls bekannt gewesen sei. Wäre er in der Lage gewesen, sein Verhalten klar abzuschätzen, hätte er sich auf eine derartige Vorgangsweise niemals eingelassen, weil seine Handlungsweise notwendigerweise früher oder später der Dienstbehörde wegen ihrer Kenntnis von der Amtshandlung bekannt werden hätte müssen. Die Alkoholisierung habe in Verbindung mit seiner prekären finanziellen Situation bei der Entschlußfassung eine gewisse (wenn auch nicht allein ausschlaggebende) Rolle gespielt. Dies habe die belangte Behörde insoweit richtig erkannt, wenn sie ausführe, daB er bei der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Kfz‑Lenker, nicht aber mehr bei der Zusammenkunft am Abend alkoholisiert gewesen sei. Die belangte Behörde hätte aber die Alkoholisierung wegen ihrer Bedeutung für die Entschlußfassung nicht vollkommen beiseite lassen dürfen. Die Nichtberücksichtigung der Alkoholisierung im strafgerichtlichen Verfahren sei für das Disziplinarverfahren ohne Bedeutung. Auch seine Bemühungen zur Bereinigung seiner finanziellen Situation (Annahme einer Nebenbeschäftigung; Sparmaßnahmen im persönlichen Bereich) weise auf eine charakterliche Festigkeit hin, die gewährleiste, daß in Zukunft derartige (disziplinäre) Vorfälle nicht mehr vorkommen würden. Außerdem sei der Vorfall der Öffentlichkeit praktisch nicht bekanntgeworden; der Schluß der Behörde, sein Verhalten würde die gesamte Beamtenschaft in Mißkredit bringen, sei nicht zulässig. Schließlich sei das von der Behörde erster Instanz verwendete und von der belangten Behörde geteilte Argument, wonach in der Privatwirtschaft bereits wesentlich geringere Verstöße zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses führten, unzutreffend: Abgesehen davon, daß diese pauschal aufgestellte Behauptung nicht in gedanklich nachvollziehbarer Weise dargelegt werde, was der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, stünde dem Dienstgeber im privaten Bereich, der die Entscheidung zu treffen habe, ob er seinen Mitarbeiter noch das entsprechende Vertrauen entgegenbringen könne oder nicht, auf Grund der zumeist größeren Naheverhältnisse zum betroffenen Dienstnehmer wesentliche Entscheidungshilfen zur Verfügung, während im öffentlich-rechtlichen Bereich die Beurteilung der Vertrauensfrage der Disziplinarbehörde übertragen werde, die ihre Entscheidung träfe, ohne den Dienstnehmer näher zu kennen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Die Disziplinarstrafe der Entlassung des Beschwerdeführers wurde im Beschwerdefall ‑ wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, die überwiegend auf diesen Vorfall abstellt ‑ primär auf das von einem Strafgericht geahndete Vergehen der Geschenkannahme nach § 304 Abs. 1 StGB gestützt, obwohl dem Beschwerdeführer darüber hinaus auch noch eine weitere schuldhafte Dienstpflichtverletzung (Führung einer geladenen Dienstpistole außer Dienst) zur Last gelegt wurde. Unbestritten ist, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung offenkundig davon ausgegangen ist, daß die zur strafgerichtlichen Verurteilung führende Tat im Sinn des § 93 Abs. 2 BDG 1979 die schwerste Dienstpflichtverletzung darstellt.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob dieser strafgerichtlich geahndete Vorfall zur Verhängung der schwersten Disziplinarstrafe der Entlassung führen durfte oder nicht.

Wird von einer Verfolgung nach § 95 Abs. 1 BDG 1979 mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht abgesehen, dann ist nach der Anordnung des § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Disziplinarstrafe nur auszusprechen, wenn und so weit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Diese Bestimmung regelt die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine der im § 92 Abs. 1 Z. 1 bis 4 BDG 1979 abschließend aufgezählten Disziplinarstrafen auch dann noch ausgesprochen werden darf, wenn gegen den Beamten zuvor wegen desselben Sachverhaltes (Tatidentität) eine gerichtliche Strafe verhängt worden war.

Die Richtlinien, nach denen bei der Strafbemessung vorzugehen ist, enthält § 93 Abs. 1 BDG 1979, wonach das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, wie weit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Bei der Strafbemessung ist nach der oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmung des § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 vor allem die Schwere die Dienstpflichtverletzung, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen die einem Beamten auferlegten Pflichten verstoßen oder der Dienst beeinträchtigt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 86/09/0220 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Das strafrechtliche Delikt liegt in der Verletzung eines der von der Rechtsordnung allgemein geschützten Rechtsgüter, in einer Störung der öffentlichen Ordnung. Demgegenüber ist der Zweck des Disziplinarrechtes nicht, gegen einen Beamten Sanktionen zu verhängen, etwa um ihn für begangenes Unrecht zu strafen, um ihn Unrecht sühnen zu lassen. Das Disziplinarrecht ist vielmehr das einzige Mittel des Staates, das sonst von der Seite des Dienstgebers nicht mehr lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden, sofern der Beamte durch eigene Schuld untragbar (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis vom 23. März 1983, Zl. 83/09/0004 und die darin erwähnte weitere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung) geworden ist, oder den für ein öffentliches Amt weiter tragbaren Beamten durch geeignete Maßnahmen auf das Pflichtwidrige seines Tuns hinzuweisen und ihn ‑ erzieherisch ‑ zu künftiger Pflichterfüllung anzuhalten (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1983, Zl. 83/09/0118 und vom 9. November 1983, Zl. 83/09/0126).

Zutreffend haben die Disziplinarbehörden das Verhalten des Beschwerdeführers als einen besonders schweren Verstoß gegen die dem Beamten in den §§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 und 44 Abs. 1 BDG 1979 auferlegten Pflichten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt und seine Vorgesetzten zu unterstützen, gewürdigt. Der entscheidende Gesichtspunkt ist nämlich der, daß sich die Bundespolizei bei einem Exekutivorgan auf die Vertrauenswürdigkeit bei der Ausübung seines Dienstes verlassen können muß.

Wenn ein Exekutivbeamter der Erfüllung der ihm zugewiesenen dienstlichen Aufgaben dadurch zuwiderhandelt, daß er von demjenigen, den er auf Grund dienstlicher Wahrnehmungen bei Begehung einer von Amts wegen zu verfolgenden Verwaltungsübertretung auf frischer Tat betreten hat, für das pflichtwidrige Unterlassen der rechtlich gebotenen Anzeige Geld fordert bzw. einen (Teil)-Betrag annimmt, wird dadurch nicht nur die Achtung, welche der Beschwerdeführer zur Wahrung seines schwierigen Exekutivdienstes benötigt, sondern auch das Vertrauensverhältnis, das zwischen ihm und der Verwaltung besteht und das die Grundlage des österreichischen Beamtentums bildet, schwer erschüttert. Dies deshalb, weil die Unbestechlichkeit eines Beamten zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine geordnete Amtstätigkeit gehört (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1980, Zl. 1725/79 = Slg. N.F. Nr. 10.007/A). Wegen dieses außerordentlich schweren Ansehens- und Vertrauensverlustes kann eine weitere Tragbarkeit des Beschwerdeführers für einen geordneten Dienstbetrieb nicht mehr angenommen werden.

Die Disziplinarstrafe der Entlassung hat nicht zum Ziel, dem Beamten einen Nachteil zuzufügen, ihn gleichsam zu bestrafen. Der Zweck besteht ausschließlich darin, das Dienstverhältnis von Beamten aufzulösen, deren Vertrauenswürdigkeit zerstört ist, um damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern. Demnach sind gegenüberzustellen der Vertrauensverlust einerseits und die daraus resultierende Entlassung anderseits. Ist das Vertrauensverhältnis aber zerstört, so ist die Disziplinarstrafe der Entlassung die einzig mögliche Entscheidung, um dem genannten Zweck der Verhängung einer Disziplinarstrafe gerecht zu werden. Handelt es sich, wie im Beschwerdefall, um die pflichtwidrige Unterlassung der Anzeige einer von Amts wegen zu verfolgenden Verwaltungsübertretung, für die der Beamte von einem anderen für sich einen Vermögensnachteil fordert bzw. annimmt, so ist in einem solchen Verhalten eine so schwerwiegende Beeinträchtigung des Dienstbetriebes und des korrekten Verhaltens gegenüber der Bevölkerung gegeben, daß die Fortsetzung des öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses unzumutbar ist.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen können im Beschwerdefall die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einmaligkeit seines Fehlverhaltens sowie die von ihm geltend gemachten Begleitumstände (psychische Belastung; Alkoholeinwirkung; widersprüchliche Vorgangsweise) den eingetretenen schweren Vertrauensverlust nicht aufheben oder soweit mindern, daß die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht mehr rechtmäßig hätte verhängt werden dürfen. Auch seine Bemühung um die Sanierung seiner prekären finanziellen Situation ändert nichts daran, daß er durch sein Verhalten, das in unüberbrückbarem Widerspruch zu der mit seiner dienstlichen Stellung untrennbar verbundenen Aufgabe, für den Schutz der ihm anvertrauten Rechtsgüter vorzusorgen, steht, wegen gravierender Verletzung seiner Dienstpflichten nicht mehr das Vertrauen des Dienstgebers beanspruchen kann.

Dem tatsächlichen Bekanntwerden eines disziplinären Vorfalls in der Öffentlichkeit kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Strafzumessung nach § 93 BDG 1979 weder bei der objektiven Betrachtung der Schwere der Dienstpflichtverletzung noch im Rahmen der Milderungs- und Erschwerungsgründe entscheidende Bedeutung zu, weil dieser Umstand von Zufälligkeiten abhängt, die sich der Objektivierung bzw. der persönlichen Einflußnahme des Beamten entziehen.

Die aus dem von der Behörde erster Instanz getroffenen Verweis auf die Praxis in der Privatwirtschaft vom Beschwerdeführer gezogenen Schlüsse gehen schon deshalb ins Leere, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermag, daß diesem Begründungselement (vgl. die Wendung im Bescheid der Disziplinarkommission „wobei noch darauf hinzuweisen wäre, daß in der Privatwirtschaft schon wesentlich geringere Verstöße zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würden“) tragende Bedeutung zukommt.

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Hinsichtlich der in diesem Erkenntnis zitierten nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 18. Oktober 1989

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