VwGH 89/07/0075

VwGH89/07/00755.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des Ing. H und der AL in M, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien III., Am Heumarkt 9, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 27. Jänner 1989, Zl. LAS-263/6-1989, betreffend Gegenleistung für urkundliche Holzbezugsrechte (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesforste, vertreten durch den Generaldirektor Dr. FE in Wien III., Marxergasse 2), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1383;
ABGB §861;
B-VG Art10 Abs1 Z6;
B-VG Art12 Abs1 Z3;
B-VG Art7 Abs1;
EinforstungsrechteG Slbg 1986 §10 Abs1;
Regulierungspatent 1853 §13;
Regulierungspatent 1853 §38;
Regulierungspatent 1853 §9;
RegulierungspatentDV 1857 §51;
RegulierungspatentDV 1857 §81;
StGG Art5;
WWSGG;
ABGB §1383;
ABGB §861;
B-VG Art10 Abs1 Z6;
B-VG Art12 Abs1 Z3;
B-VG Art7 Abs1;
EinforstungsrechteG Slbg 1986 §10 Abs1;
Regulierungspatent 1853 §13;
Regulierungspatent 1853 §38;
Regulierungspatent 1853 §9;
RegulierungspatentDV 1857 §51;
RegulierungspatentDV 1857 §81;
StGG Art5;
WWSGG;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unbestritten ist, daß die beiden Beschwerdeführer Eigentümer von als "X" und "Y" bezeichneten Liegenschaften sind, welche einerseits auf Grund der Regulierungsurkunde (Vergleich) vom 3. August 1869, Nr. 4139/c, und andererseits auf Grund des Regulierungserkenntnisses vom 28. Jänner 1870, Nr. 502, mit bestimmten Holzbezugsrechten in Wäldern der mitbeteiligten Partei (MB) eingeforstet sind. Unbestritten ist ferner, daß als urkundengemäße Gegenleistung für das wirklich bezogene Holz für jede Wiener Klafter Brennholz zehn Kreuzer und für jeden Kubikschuh Bau-, Zaun- und Zeugholz ein halber Kreuzer zu entrichten waren.

Da die Beschwerdeführer im Jahre 1987 die Zahlung der gemäß dem Salzburger Einforstungsrechtegesetz, LGBl. Nr. 74/1986 (in der Folge kurz SERG), ermittelten Gegenleistungen verweigerten, erließ das Amt der Salzburger Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) über Antrag der MB den Bescheid vom 22. August 1988, mit welchem die beiden Beschwerdeführer gemäß den §§ 10 Abs. 1 und 47 SERG iVm mit den einschlägigen Bestimmungen der Regulierungsurkunden verpflichtet wurden, als Gegenleistung für das 1987 bezogene Einforstungsholz einen Betrag von insgesamt S 1.250,07 an die MB zu bezahlen.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung hat die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 1989 gemäß § 1 AgrVG 1950 iVm § 66 Abs. 4 AVG 1950 und mit den §§ 10 Abs. 1 und 47 SERG als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die in den Regulierungsurkunden festgelegten Gegenleistungen seien in § 10 Abs. 1 SERG in der Weise neu festgesetzt worden, daß ein Kreuzer österreichischer Währung 85 Groschen gleichzustellen sei. Bei Umrechung der urkundlichen Meßeinheit in das metrische Meßsystem ergebe dies eine Gegenleistung von S 2,49 pro rm Brennholz und von S 13,46 pro fm Nutzholz. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführer die im Bescheid der AB angeführte Holzmenge bezogen hätten und daß die daraus errechnete Geldleistung noch offen sei. Mit den in der Berufung angeführten Gründen gegen die im § 10 Abs. 1 SERG festgesetzte Erhöhung der Gegenleistung habe sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1988, Zl. B 679/88, eingehend mit dem Ergebnis auseinandergesetzt, daß diese Bestimmung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid "im gesamten Umfang hinsichtlich Höhe und dem Grunde nach" richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde. Unter anderem wird in der Beschwerde angeregt, der Verwaltungsgerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof eine (neuerliche) Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 SERG beantragen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die MB hat eine Gegenschrift eingebracht und ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen in erster Linie geltend, daß die Agrarbehörden im Beschwerdefall unzuständigerweise außerhalb eines mit einem Einleitungsbescheid eingeleiteten Regulierungsverfahrens eingeschritten seien. Anders als in einem solchen Regulierungsverfahrens hätten die von ihren Rechtsvorgängern vertraglich wohlerworbenen Rechte aus den Regulierungsurkunden nicht verändert werden dürfen, und zwar auch nicht durch den Landesgesetzgeber, dem ein Eingriff in privatrechtliche Verträge nur dann gestattet sei, wenn dies verfassungsrechtlich gedeckt sei.

Die im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden haben sich zur Rechtfertigung ihrer Vorgangsweise demgegenüber auf § 10 Abs. 1 SERG berufen. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die in den Urkunden festgelegten und nicht abgelösten Gegenleistungen werden ohne Unterschied, ob ein Verfahren nach diesem Gesetz eingeleitet wird oder nicht, in der Weise neu festgesetzt, daß ein Kreuzer österreichischer Währung 85 Groschen gleichzustellen ist.""

In seinem bereits oben erwähnten Erkenntnis vom 6. Oktober 1988, Zl. B 679/88, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als nicht verfassungswidrig festgestellt, und zwar - kurz zusammengefaßt - aus folgenden Gründen:

Bei einem Regulierungserkenntnis handle es sich nicht um einen privatrechtlichen Vertrag, sondern um einen Hoheitsakt. Die vorgenommene Valorisierung widerspreche nicht dem Gleichheitsgrundsatz, sondern sei geradezu sachlich geboten gewesen. Diese Regelung sei ferner weder dem "Zivilrechtswesen" noch dem "Geldwesen" zuzuordnen, sondern sie sei geradezu typisch für den Kompetenztatbestand "Bodenreform". Die vom Landesgesetzgeber getroffene Regelung widerspreche auch nicht dem Wald- und Weidenutzungs-Grundsatzgesetz 1951, sondern halte sich inhaltlich in dessen Rahmen; insbesondere ermächtige § 8 Abs. 2 dieses Grundsatzgesetzes die Landesgesetzgebung, zumindest für die Holzbezugsrechte (Einforstungsrechte), "nähere Bestimmungen" zu erlassen. Die Festsetzung von Nutzungsrechten und ihrer Gegenleistungen stelle auch keine Enteignung dar.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, dieser Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht zu folgen. Soweit die Beschwerdeführer daher neuerlich die Fragen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Landesgesetzgebers bzw. der Grundsatzgesetzwidrigkeit der strittigen Bestimmung aufwerfen, sind sie auf die nähere Begründung des oben wiedergegebenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen.

Die Beschwerdeführer erachten indes das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ungeachtet seines Inhaltes als deshalb für den vorliegenden Beschwerdefall nicht präjudiziell, weil es sich in dem diesem Erkenntnis zugrundegelegenen Fall um die Abänderung eines Regulierungserkenntnisses, also eines Bescheides, gehandelt habe, während es nunmehr im Falle der Beschwerdeführer um die Abänderung eines (nach Auffassung der Beschwerdeführer rein privatrechtlichen) Regulierungsvergleiches gehe.

Dazu ist vorweg festzustellen, daß im nunmehrigen Beschwerdefall zwei Regulierungsurkunden von der Neuregelung des § 10 Abs. 1 SERG betroffen erscheinen, und zwar einerseits der Regulierungsvergleich vom 3. August 1869, Nr. 4139/c (betreffend die "X"), und andererseits das Regulierungserkenntnis vom 28. Jänner 1870, Nr. 520 (betreffend das "Y"). Auf letzteres treffen die Argumente des Verfassungsgerichtshofes somit ohne ergänzende Erwägungen zu.

Aber auch ein nach den einschlägigen - im folgenden noch zu erörternden - Vorschriften geschlossener Regulierungsvergleich stellt entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung keinen "privatrechtlichen Vertrag" dar, auf welchen die betreffenden Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes nicht zutreffen würden. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf, daß auch der Regulierungsvergleich vom 3. August 1869 zu seiner Rechtswirksamkeit einer hoheitlichen Bestätigung bedurfte, auf welche im letzten Absatz der betreffenden Regulierungsurkunde (im Anschluß an deren Absatz XIV) auch hingewiesen worden ist.

Regulierungserkenntnisse wie auch Regulierungsvergleiche hatten ihre Rechtsgrundlage im Kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, "wodurch die Bestimmungen über die Regulirung und Ablösung der Holz-, Weide- und Forstproducten-Bezugsrechte, dann einiger Servituts- und gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte festgesetzt werden". In § 9 dieses Kaiserlichen Patentes heißt es:

"Die streitigen Punkte, sowie überhaupt der ganz Ablösungs- oder Regulirungsact sind thunlichst durch gütliches Übereinkommen der Parteien festzustellen, welches stets von Amtswegen angestrebt werden muß.

Ein solches Übereinkommen darf nur dann beanständet werden, wenn dadurch Bestimmungen dieses Patentes, insbesondere die Rücksichten der Landescultur verletzt werden, oder wenn begründete Hindernisse in Absicht auf die Durchführung bestehen."

Nur wenn es zu einem zulässigen Übereinkommen nicht kommt, muß gemäß § 13 des Patentes "stets ein motovirtes Erkenntniß darüber gefällt werden ...".

Gemäß § 38 des Patentes haben

"die endgiltigen Erkenntnisse, sowie die genehm gehaltenen

Vergleiche ... die Rechtswirkung gerichtlicher Erkenntnisse

beziehungsweise Vergleiche, und sind gleich diesen auf Verlangen der Parteien von dem Civilrichter zu vollstrecken".

Die bloße zivilrechtliche Einigung der Beteiligten ist demnach für die Rechtswirksamkeit eines Regulierungsvergleiches nicht hinreichend; dieser bedarf vielmehr auch einer hoheitlichen Genehmigung. Dies ergibt sich auch aus den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung der Ministerien des Innern und der Justiz vom 31. Oktober 1857 "betreffend die Einführung einer Instruction zur Durchführung der Grundlasten-Ablösung und Regulirung nach dem Allerhöchsten Patente vom 5. Juli 1853" (RGBl. Nr. 218/1857). Das Vorgehen des Verhandlungsleiters zum Zwecke und nach Erreichung des stets von Amts wegen anzustrebenden gütlichen Übereinkommens ist insbesondere in deren §§ 48 bis 50 geregelt, § 51 lautet dann:

"Die auf diese Weise zu Stande gekommene Auseinandersetzung ist sammt allen Verhandlungsacten ohne Verzug von der Localcommission, mit den vor ihr gemachten Wahrnehmungen und gutächtlichen Anträgen begleitet, der Landescommission behufs der Bestätigung einzusenden."

Die folgenden Bestimmungen befassen sich mit dem amtlichen Vorgehen bei Nicht- oder nur teilweisem Zustandekommen eines Übereinkommens und bei der "Schöpfung des Erkenntnisses über die streitigen Puncte"; in § 81 wird dann über die vorgelegten Vergleiche bestimmt:

"Wenn die Landescommission einen nach § 51 dieser Instruction ihr vorgelegten Vergleich zu genehmigen findet, so hat sie den Parteien den vollen Inhalt des genehmigten Vergleiches auf die im § 80 vorgeschriebene Weise zu intimiren".

Die Rechtswirksamkeit eines Regulierungsvergleiches hängt demnach vom Vorliegen einer behördlichen Genehmigung ab. Damit wird das den Gegenstand eines solchen Vergleiches bildende Rechtsverhältnis letztlich durch einen Hoheitsakt gestaltet. Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1988, Zl. B 679/88, treffen daher auch auf den Beschwerdefall im vollen Umfang zu. Eine neuerliche Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit den von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Fragen erübrigt sich daher.

Einen weiteren Grund für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, und zwar eine Unzuständigkeit der eingschrittenen Agrarbehörden, erblicken die Beschwerdeführer darin, daß der Vorsitzende der belangten Behörde (HR Dr. P) auch an der erstinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt habe. Auch zutreffendenfalls könnte darin allerdings keine Unzuständigkeit, wohl aber möglicherweise eine als Verfahrensmangel relevante Befangenheit gelegen sein. Nun trifft es zwar zu, daß HR Dr. P auch Leiter der Abteilung 4 des Amtes der Salzburger Landesregierung ist, als deren Unterabteilung 4/1 die Agrarbehörde Salzburg (mit einem eigenen Behördenleiter) eingerichtet ist. Eine Mitwirkung des HR Dr. P am (monokratisch erlassenen) erstinstanzlichen Bescheid vom 22. August 1988 gemäß der Behauptung der Beschwerdeführer geht aber aus den vorgelegten Akten nicht hervor, wonach dieser Bescheid mit "für die Agrarbehörde Salzburg: Dr. F" gezeichnet ist. Allein die Funktion des HR Dr. P als Leiter der Abteilung 4 des Amtes der Salzburger Landesregierung begründet noch nicht seine Befangenheit bei der Mitwirkung im vorliegenden Berufungsverfahren (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1989, Zl. 88/07/0130).

Zur Berechnung der Höhe der den Beschwerdeführern für ihren Holzbezug vorgeschriebenen Gegenleistungen haben die Beschwerdeführer - abgesehen von der Bekämpfung des § 10 Abs. 1 SERG - im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben sie sich darauf beschränkt, den angefochtenen Bescheid ohne nähere Ausführungen nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach zu bekämpfen. Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher in dieser Richtung nicht aufgezeigt worden.

Die insgesamt unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Dabei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Abhaltung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen der gestellten Anträge - auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 sowie C Z. 7 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Wien, am 5. Dezember 1989

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