VwGH 89/05/0032

VwGH89/05/003210.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Honsig-Erlenburg, über die Beschwerde des CR in W, vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien VII, Seidengasse 28, gegen die Bauoberbehörde für Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung einer Berufung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

BaumschutzG Wr 1974;
BauO Wr §13;
Kanalanlagen- und EinmündungsgebührenG Wr §2 Abs1;
Kanalanlagen- und EinmündungsgebührenG Wr §2 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989050032.X00

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG wird der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Juni 1988, MA 37/19 - Unterer S-weg E 687/1975/88, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers dahingehend geändert, daß von der Verpflichtung zum Kanalanschluß Regenwässer ausgenommen werden; im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.445,-- binnnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. September 1901 hatte das Magistratische Bezirksamt für den 19. Wiener Gemeindebezirk die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer dreigeschoßigen Villa auf dem Grundstück 703 KG X erteilt. Laut Bauplan betrug die Bau(stellen)platzfläche 1539 m2, die verbaute Fläche 189,09 m2.

In der Folge erging eine Reihe weiterer Baubewilligungen. Zu erwähnen ist insbesondere die Baubewilligung vom 18. Dezember 1956, mit der unter anderem eine neue Senkgrube bewilligt worden ist; ursprünglich war nach dem Bauplan im Bereich der nordöstlichen Grundgrenze diese Senkgrube vorgesehen, später jedoch dann in der Mitte des Grundstückes nahe der westlichen Grundgrenze angeordnet. In den zuletzt erteilten Baubewilligungen (etwa vom 21. April 1982) sind in den Bauplänen die Grundstücke 703/1, 2 und 3 genannt, ohne daß erkennbar ist, wie diese Grundstücke situiert sind, wurde doch die Bezeichnung S-Weg für die gesamte Grundfläche zwischen dem Unteren S-Weg und dem S-Weg verwendet. (Einem im Akt erliegenden Grundbuchsauszug ist zu entnehmen, daß das Grundstück 703/2 das Hauptgebäude betrifft, die Grundstücke 703/3 und 4 kleinere Baulichkeiten; ein weiterer bei den Verwaltungsakten erliegender Plan läßt auch die Lage dieser Grundstücke erkennen.)

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Wiener Magistrat mit Bescheid vom 14. Juni 1988 dem Beschwerdeführer und einer weiteren Miteigentümerin als Eigentümer der Baulichkeit auf der Liegenschaft Wien XIX, S-Weg 116 den auf § 2 Abs. 1 des Wiener Kanalgesetzes gestützten Auftrag, binnen einer Frist von sieben Monaten nach Rechtskraft des Bescheides alle Abwässer in den Straßenkanal zu leiten und nach hergestellter Einmündung innerhalb eines Monats die Senkgrube bzw. Sickergrube zu beseitigen. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß die Verpflichtung zum Kanalanschluß durch die nunmehrige Herstellung des öffentlichen Straßenkanales (im Bereich des Unteren S-Weges) entstanden sei, weil die Liegenschaft nicht mehr als 30 m vom Straßenkanal entfernt sei. Im Bereich des S-weges werde der Straßenkanal nur bis zum Haus S-Weg hergestellt werden.

Gegen diesen Auftrag erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung. Gleichzeitig beantragten eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Anschluß an das öffentliche Kanalnetz. Im wesentlichen führte er aus, daß die Behörde erster Instanz von der unrichtigen Annahme ausgegangen sei, das Grundstück sei eine Einheit. Dies sei nicht der Fall, vielmehr schließe an den Unteren S-Weg ein reiner Gartengrund ohne Baulichkeiten an, sodaß die anzuschließende Liegenschaft mehr als 30 m vom Straßenkanal entfernt ist. Darüberhinaus würde eine Ausnahme vom Kanalanschluß keine Schädigung öffentlicher Interessen und keinen Nachteil für die Nachbarn bedeuten. "Eine Kanalführung über straßenseitig sowohl Landeseigentum als auch Bundeseigentum" sei rechtlich noch nicht geklärt, sodaß bei einem Einspruch gegen die Kanalführung der Anschluß unbenützbar wäre bzw. auch eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zur Folge haben könne. Der Kanalbau würde zwangsweise mehrere Bäume, darunter drei ca. achtzigjährige Tannen im Wurzelstock so stark beschädigen, daß mit einem Absterben der Bäume zu rechnen sei. Die Verantwortung hiefür könnte nur von den Kanalbetreibern übernommen werden.

Zu diesem Vorbringen wurde das Gutachten eines Amtssachverständigen der Wasserbauabteilung des Wiener Magistrates eingeholt, der im einzelnen begründete, aus welchen Erwägungen gegen eine Versickerung der Regenwässer keine Bedenken bestünden, gleichzeitig aber einer Ausnahme zur Ableitung der Schmutzwässer nicht zustimmte.

Mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 7. Oktober 1988, wurde gemäß § 2 Abs. 3 des Wiener Kanalgesetzes der Antrag auf Ausnahme von der Verpflichtung zur Ableitung der Schmutzwässer abgewiesen, von einem Ausspruch über die Verpflichtung zur Ableitung von Regenwässern jedoch Abstand genommen.

In seiner beim Verwaltungsgerichtshof am 16. Februar 1989 eingelangten Säumnisbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, daß die Bauoberbehörde für Wien durch mehr als sechs Monate nach Einlagen der Berufung über diese bisher nicht entschieden habe. Mit Verfügung vom 23. Februar 1989 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Der belangten Behörde wurde die Beschwerde mit dem Auftrage zugestellt, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 1989 legte die Bauoberbehörde für Wien die Verwaltungsakten vor. In einem ergänzenden Ermittlungsverfahren prüfte der Verwaltungsgerichtshof die Fragen der rechtlichen und tatsächlichen Existenz der Verkehrsfläche Unterer S-Weg, der Errichtung des öffentlichen Straßenkanals und der Voraussetzungen der Kanalanschlußpflicht sowie die mögliche Herstellung eines öffentlichen Straßenkanales auf dem S-Weg. Zum Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens bot der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer, von diesem allerdings ungenutzt, Parteiengehör.

Zunächst ist davon auszugehen, daß zu Recht Säumnisbeschwerde erhoben wurde, weil die belangte Behörde durch mehr als sechs Monate nicht über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Auftrag zum Kanalanschluß entschieden hat (vgl. § 27 VwGG).

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Wiener Kanalgesetzes, LGBl. Nr. 22/1955, müssen von Baulichkeiten auf Bauplätzen alle Abwässer unterhalb der Verkehrsflächen in den Kanal eingeleitet werden, wenn der Bauplatz von einem bei der Bauführung bereits bestehenden Straßenkanal ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft nicht mehr als 30 m entfernt ist. Dieselbe Verpflichtung zur Einmündung tritt ein, wenn der Straßenkanal nach Errichtung der Baulichkeit hergestellt wird.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat vom Beschwerdeführer unbestritten ergeben, daß ein Straßenkanal nach Errichtung der Baulichkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Wiener Kanalgesetzes hergestellt worden ist.

Auf Grund der die Konsentierung betreffenden Verwaltungsakten, insbesondere der in der Sachverhaltsdarstellung erwähnten Baubewilligung für das bestehende Hauptgebäude vom 30. September 1901, kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das damalige Grundstück 703 KG G die gesamte Liegenschaft S-Weg umfaßt, also die gesamte zwischen dem Unteren S-Weg und dem S-Weg befindliche Grundfläche. Wie insbesondere auch der ergänzend eingeholte Plan zeigt, entspricht diese Grundfläche den nunmehrigen Grundstücken 703/1-4. Wenn auch, wie in der Beschwerde richtig ausgeführt wird, der sachenrechtliche Begriff Liegenschaft mit dem baurechtlichen Begriff Bauplatz (vgl. insbesondere die §§ 13 ff. der Bauordnung für Wien) nicht übereinstimmen muß, ist im Beschwerdefall die Liegenschaft mit dem Bauplatz ident. Das bedeutet aber, wie die Behörde erster Instanz zutreffend ausgeführt hat, daß der Bauplatz von dem 1988 errichteten Straßenkanal nicht mehr als 30 m entfernt ist. Ob die bestehende Verkehrsfläche sich im Eigentum der Stadt Wien oder im Eigentum des Bundes befindet, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zum Kanalanschluß nach § 2 Abs. 1 des Wiener Kanalgesetzes ohne Bedeutung, handelt es sich es doch hiebei nicht um eine andere Liegenschaft im Sinne der zitierten Gesetzesstelle.

Auch das in der Berufung vorgebrachte Argument des Beschwerdeführers, daß bei einem Kanalbau zwangsläufig Bäume beschädigt würden, vermag an der Verpflichtung zum Kanalanschluß mangels Berücksichtigung solcher Situationen durch den Gesetzgeber nichts zu ändern.

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof noch die Frage geprüft, ob die Errichtung eines öffentlichen Kanales auf der Verkehrsfläche S-Weg vorgesehen ist, was zu dem Ergebnis geführt hat, daß dies nicht der Fall ist. Die Wiener Stadtverwaltung beabsichtigt nämlich, im Bereich des S-Weges nur bis zum Haus Nr. 98 einen öffentlichen Straßenkanal herzustellen. Berücksichtigt man die in diesem Bereich gegebene tatsächliche Verbauung und die im Flächenwidmungsplan festgesetzte Baulandwidmung, so erweist sich eine solche Absicht als sachgerecht, ist doch im Bereich des S-Weges nur bis zur Liegenschaft Nr. 98 eine beiderseitige Bebauung möglich. Der eingeholte geltende Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument X weist im übrigen für die Liegenschaft des Beschwerdeführers die Widmung Bauland - Wohngebiet aus, sodaß etwa die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1958, Slg. N. F. Nr. 4811/A, angestellten Erwägungen über eine Ausnahme vom Anschlußzwang hier nicht Platz greifen. Über die Frage einer Ausnahme vom Anschlußzwang hat in der Zwischenzeit der Wiener Magistrat mit dem Bescheid vom 7. Oktober 1988 bereits rechtskräftig entschieden. Da in diesem Bescheid von einem Abspruch über die Verpflichtung zur Ableitung von Regenwässern in den öffentlichen Straßenkanal Abstand genommen worden ist, war in dieser Beziehung der erstinstanzliche Bescheid spruchgemäß abzuändern. Im übrigen erweist sich die Berufung auf Grund der dargelegten Erwägungen als unbegründet.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 10. Oktober 1989

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