VwGH 89/03/0091

VwGH89/03/009113.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des M O in S, vertreten durch Dr. Fritz Oberrauch und Dr. Helmut Stadlmayr, Rechtsanwälte in Salzburg, Griesgasse 31, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Jänner 1989, Zlen. 9/01‑30991‑1989, 9/01‑30992‑1989, 9/01‑30993‑1989, 9/01‑30994‑1989, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches gegen eine Strafverfügung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita
VStG §49 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989030091.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 17. Oktober 1988 wurden dem Beschwerdeführer vier Strafverfügungen der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 26. und 27. Mai, 2. Juni und 16. Juli 1987 wegen Übertretungen der StVO zugestellt. (Der Beschwerdeführer hatte sich zwischenzeitlich in der BRD aufgehalten).

Gegen diese Strafverfügungen erhob der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer Einspruch. Die betreffenden Schriftsätze wurden am 2. November 1988 zur Post gegeben.

Mit vier Bescheiden vom 7. November 1988 wies die Bundespolizeidirektion Salzburg diese Einsprüche als verspätet zurück, da die Rechtsmittelfrist am 31. Oktober 1988 geendet habe.

Daraufhin richtete der Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Salzburg am 17. November 1988 vier Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche auch am 17. November 1988 zur Post gegeben wurden. Darin machte er übereinstimmend geltend, er habe die ihm jeweils am 17. Oktober 1988 zugestellte Strafverfügung seinem ausgewiesenen Vertreter zur weiteren Bearbeitung übergeben. Das Kuvert, auf dem das Zustelldatum festgehalten gewesen sei, sei im Hause seiner Eltern verblieben, wo er die Strafverfügung persönlich übernommen habe. In weiterer Folge sei dieses Kuvert unauffindbar gewesen. Nach Einlangen des Originales der Strafverfügung in der Kanzlei seines ausgewiesenen Vertreters habe diese mit ihm Kontakt aufgenommen, um das Zustelldatum zur Wahrung der Frist zur Erhebung des Einspruches zu erfahren. Bei dieser Kontaktaufnahme müsse jedenfalls ein Übertragungs‑ und/oder Übermittlungsfehler unterlaufen sein. Auf der in Fotokopie beiliegenden Strafverfügung finde sich oben rechts als handschriftlicher Vermerk von Frau Gertrud V., einer Sekretärin der Kanzlei, das Datum 18. Oktober 1988 als Zustelldatum der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung. Auf der Basis dieses Übermittlungs‑ und/oder Übertragungsfehlers habe sein ausgewiesener Vertreter den Vormerk der Frist zur Einhebung des Einspruches vorgenommen. Erst mit Zustellung des Zurückweisungsbescheides am 10. November 1988 habe er Kenntnis vom entstandenen Übermittlungs‑ und/oder Übertragungsfehler bzw. Hörfehler erhalten. Daraus erhelle die Verkettung unglücklichster Umstände bzw. Zufälle, die im vorliegenden Fall die Annahme eines für ihn unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses rechtfertigten, das ihn an der rechtzeitigen Erhebung des Einspruches gehindert habe.

Mit Bescheiden vom 22. November 1988 wies die Bundespolizeidirektion Salzburg diese Anträge gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 ab. In der Begründung führte die Behörde jeweils aus, der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers, der zugleich sein Vater sei, hätte sich nach Übernahme der Strafverfügung sogleich informieren müssen, wann der Beschwerdeführer diese Strafverfügung erhalten habe. Bei dieser Gelegenheit hätte, sollte das Kuvert der Strafverfügung nicht mehr auffindbar gewesen sein, der Beschwerdeführervertreter durchaus die Möglichkeit gehabt, das Zustelldatum vom Beschwerdeführer zu erfragen oder aber dies durch telefonische Rückfrage in der Bundespolizeidirektion Salzburg zu eruieren. Ein für den Beschwerdeführervertreter unabwendbares unvorher gesehenes Ereignis, nämlich nicht in Kenntnis des genauen Zustelldatums gelangt zu sein, sei somit nicht vorgelegen. Aber auch das weitere Vorbringen, nämlich eines Übermittlungs‑ oder Hörfehlers, könne nach Ansicht der Bundespolizeidirektion Salzburg kein Grund für die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages sein, da die von der Sekretärin falsch vorgenommene Fristvormerkung dem Beschwerdeführervertreter selbst zuzurechnen sei, weil er überhaupt keine Maßnahmen zur weiteren Kontrolle seiner Sekretärin gesetzt habe. Es werde nicht einmal eine stichprobenweise Kontrolle der Tätigkeit der Sekretärin behauptet.

Gegen diese Bescheide berief der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 12. Dezember 1988 jeweils mit der Begründung, es läge keine falsche Fristvormerkung vor, da die Frist auf der Grundlage des irrtümlich angenommenen Zustelldatums (18. Oktober 1988) richtig berechnet worden sei. Vielmehr sei bei der Übermittlung dieses Datums ein Übermittlungs‑, Übertragungs‑, Informations‑ und/oder Hörfehler erfolgt, der ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis darstelle. Gerade für Fälle wie dem gegenständlichen, also bei Verkettung solch unglücklicher Umstände, ja Zufälle, sei das Instrument der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gesetzlich vorgesehen. Es diene dazu, dem Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen zu entsprechen und diesem einen Schutz vor Nachteilen zu bieten. Eine Verpflichtung zu weiteren Kontrollen und Überprüfungen könne für ihn und seinen Vertreter nicht bestehen. Auf der Basis des Informations‑, Übertragungs‑, Übermittlungs‑ und/oder Hörfehlers, der evidenten Wurzel der tatsächlichen Fristversäumnis, sei das Datum des Beginnes des Fristenlaufes irrtümlich, weder ihm noch seinem Vertreter zurechenbar, festgestellt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 1989 gab die Salzburger Landesregierung diesen Berufungen nicht Folge. Sie führte dazu in der Begründung aus, gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 sei es Aufgabe des Wiedereinsetzungswerbers, das vermeintliche unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis konkret anzuführen und weiters auch glaubhaft zu machen. Dies habe der Beschwerdeführer unterlassen. Es bleibe nämlich völlig offen, ob der Wiedereinsetzungswerber der Sekretärin seines Rechtsvertreters das Zustelldatum richtig genannt habe und die Sekretärin dies falsch übertragen habe, oder ob der Wiedereinsetzungswerber sich in der Angabe des Zustelldatums geirrt habe. Letzteres wäre als Verschulden der Partei anzusehen, welches eine Wiedereinsetzung gegen eine Fristversäumnis von vornherein ausschließe. Ein angeblicher Hörfehler würde wiederum den Schluß nahelegen, daß der Beschwerdeführer das Zustelldatum zwar am Telefon richtig angegeben habe, die Sekretärin dieses aber falsch verstanden habe. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, daß sich der Beschwerdeführer hier insofern widerspreche, als er in seiner Berufung ausdrücklich ausführe, daß ein Irrtum und Fehler seiner Kanzleiangestellten ohnehin nicht gegeben sei. Zusammenfassend sei daher zu sagen, daß es sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers um eine bloße Vermutung handle. Keinesfalls sei damit glaubhaft gemacht, daß der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehens und unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist zur Erhebung des Einspruches einzuhalten. Im übrigen dürfe nicht unerwähnt bleiben, daß es im vorliegenden Fall bei Einhaltung der gehörigen Sorgfalt sowohl durch den Beschwerdeführer als auch durch seinen Rechtsvertreter möglich gewesen wäre, rechtzeitig Einspruch zu erheben. Dem Beschwerdeführer habe nämlich aufgrund der in den Strafverfügungen enthaltenen Rechtsmittelbelehrung klar sein müssen, daß er binnen vierzehn Tagen ab Zustellung Einspruch zu erheben hatte, wenn er der Ansicht gewesen sei, daß er zu Unrecht bestraft worden sei. Er hätte daher anläßlich der Übergabe der Strafverfügungen an seinen ausgewiesenen Vertreter und Vater diesem das genaue Zustelldatum bekanntgeben können. Ebenso hätte der Vater des Beschwerdeführers bereits anläßlich der Übergabe der Strafverfügungen das genaue Zustelldatum erfragen können, wie die Behörde erster Instanz in der Begründung ihrer Bescheide bereits zutreffend ausgeführt habe. Beides sei offenbar nicht geschehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, der von ihm geltend gemachte Übermittlungs‑, Übertragungs‑, Informations‑ und/oder Hörfehler sei kein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 AVG 1950.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Übermittlungs‑, Übertragungs‑, Hör‑ und/oder Informationsfehler stellt zweifelsohne ein derartiges unvorhergesehenes Ereignis im Sinne der zitierten Bestimmung dar. Jedoch mangelte es für die Bewilligung der Wiedereinsetzung an der Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch dieses Ereignis ohne sein Verschulden bzw. ohne das Verschulden seines Rechtsvertreters, das ebenfalls dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 20. September 1985, Zl. 85/11/0181) gehindert war, die Frist einzuhalten. Zutreffend führte die belangte Behörde aus, daß ein Irrtum des Beschwerdeführers bei Angabe des Zustelldatums ihm als Verschulden zuzurechnen ist.

Aber auch die zweite Variante des Geschehens, nämlich ein Hörfehler der Kanzleiangestellten fiele sowohl dem Beschwerdeführer als auch seinem Rechtsvertreter als Verschulden zur Last. Der Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügungen ist für die weiteren beabsichtigten Verfahrensschritte von so wesentlicher Bedeutung, daß sowohl die Übermittlung des Datums als auch die Übernahme einer diesbezüglichen Information besondere Sorgfalt erfordert. Um derartige Fehler auszuschließen, hätte sich der Beschwerdeführer daher schon bei, aber jedenfalls nach Übermittlung des Datums davon überzeugen müssen, daß dieses von der Kanzleikraft auch richtig verstanden worden sei. Aber auch der Vertreter des Beschwerdeführers hätte die Information nicht ungeprüft von seiner Kanzleikraft übernehmen dürfen (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 1987, Zl. 86/10/0114). Derartige Überprüfungen durch den Beschwerdeführer bzw. seinen Rechtsvertreter sind jedoch ‑ nach der Aktenlage ‑ nicht erfolgt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß es sowohl dem Beschwerdeführer als auch seinem Vertreter trotz Einhaltung gehöriger Sorgfalt unmöglich gewesen sei, rechtzeitig Einspruch zu erheben, zumal der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargetan hat, worin die von ihm und seinem Vertreter eingehaltene gehörige Sorgfalt bestanden haben soll. Darüberhinaus ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie ausführt, der Beschwerdeführer hätte seinem ausgewiesenen Vertreter bereits anläßlich der Übergabe der Strafverfügungen das genaue Zustelldatum bekanntgeben können, womit sich das Telefonat mit der Kanzleikraft erübrigt hätte.

Da es dem Beschwerdeführer sohin nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, 13. Dezember 1989

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