VwGH 89/01/0230

VwGH89/01/02304.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des IY in W, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1989, Zl. 224.907/3-II/9/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1
FlKonv Art1 AbschnA

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989010230.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer - ein syrischer Staatsangehöriger - reiste mit gültigem Reisepaß und italienischem Sichtvermerk zunächst nach Mailand und gelangte illegal am 1. Februar 1987 in das Bundesgebiet. Am 2. Februar 1987 stellte er Asylantrag und begründete diesen bei seiner Einvernahme am 1. April 1987 im wesentlichen wie folgt: Er sei so wie seine Familienangehörigen niemals bei einer Partei oder bei einer anderen politischen Organisation gewesen. In seinem Heimatland sei er weder politisch noch religiös verfolgt worden. Er gehöre der syrisch-orthodoxen Minderheit an. Er lehne es ab, den Militärdienst in Syrien zu leisten, da dieser sehr lange dauere und auch mit "Schwierigkeiten", nämlich mit Kriegsführung gegen Israel, verbunden sei. Er sei nach Österreich gekommen, weil sein Bruder hier in Österreich lebe und bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitze.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Mai 1987 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ausführte, er habe genügend Gründe angegeben, um die Flüchtlingseigenschaft "zu erhalten", weil er einer religiösen Minderheit angehöre. Sein Bruder habe im Jahre 1978 aus den gleichen Gründen Asyl erhalten. Sein Paß sei bereits abgelaufen; er könne keine Verlängerung erhalten, weil er nicht den Militärdienst in seinem Heimatland abgelegt habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie aus, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge müßten konkrete Umstände für die behauptete Furcht vor Verfolgung geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Befragung am 1. April 1987 ausdrücklich erklärt, daß er zwar einer religiösen Minderheit angehört hätte, jedoch weder politisch noch religiös in Syrien verfolgt worden sei. Er möchte jedoch keineswegs in Syrien seinen Militärdienst ableisten. Keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention stelle jedoch die Ablehnung der Wehrdienstleistung dar, weil es sich beim Militärdienst um eine Pflicht handle, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne. In der Tatsache, daß der Beschwerdeführer mit seinem Reisepaß sowie einem italienischen Sichtvermerk legal ausreisen habe können, sei ein Indiz dafür gelegen, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Bezüglich des Hinweises auf seinen Bruder sei kein Verfolgungsgrund des Beschwerdeführers ersichtlich, weil das persönliche Vorbringen des Asylwerbers das zentrale Entscheidungskriterium darstelle. Die Flüchtlingseigenschaft könne einer Person nur zuerkannt werden, deren Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, insbesondere schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte erleiden zu müssen, wohlbegründet sei. Es genüge daher nicht, wenn das Vorliegen dieser Furcht bloß behauptet werde. Von einer wohlbegründeten Furcht könne erst gesprochen werden, wenn die Zustände im Heimatland auch aus objektiver Sicht dergestalt seien, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland aus den in der Konvention genannten Gründen unerträglich geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Asylgesetz 1968, BGBl. Nr. 126, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt.

Daß in bezug auf die Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 1 der Flüchtlingskonvention erfüllt seien, hat weder der Beschwerdeführer behauptet noch sind im Zuge des Verfahrens Tatsachen hervorgekommen, die in eine solche Richtung wiesen. Auch Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Flüchtlingskonvention liegen nicht vor, weshalb nur zu prüfen bleibt, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmungen angesehen werden kann, ist unter anderem Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, liegt es in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der zitierten Konventionsnorm die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar ist und von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muß. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel bzw. als Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung.

Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so lassen sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner ersten Vernehmung und in der Berufung keine Feststellungen treffen, die eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention glaubhaft machen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer selbst angegeben, in seinem Heimatland weder aus politischen noch religiösen Gründen verfolgt zu werden. Die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe reicht nicht aus, um eine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu rechtfertigen. Auch allein aus dem Umstand, daß Syrien Verbündeter des Irans ist, läßt sich eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung des Beschwerdeführers aus religiösen Gründen nicht ableiten, abgesehen davon daß diese Behauptung erstmals in der Beschwerde aufgestellt worden ist (§ 41 VwGG).

Die Verweigerung des Militärdienstes, mag sie auch aus religiösen Gründen erfolgen, ist kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention. Denn die Militärpflicht trifft alle im entsprechenden Alter befindlichen Staatsbürger (zumindest männlichen Geschlechts) in gleicher Weise (vgl. hg. Erkenntnisse vom 7. Mai 1986, Zl. 84/01/0275, vom 10. Februar 1988, Z1. 86/01/0250 und vom 29. März 1989, Zl. 88/01/0272). Daß ein Zivildienst im Heimatland des Beschwerdeführers nicht vorgesehen ist, vermag daran nichts zu ändern.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 4. Oktober 1989

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