VwGH 88/15/0109

VwGH88/15/010919.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetze1 und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der BS in W, vertreten durch Dr. Elisabeth Fechter‑Petter, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Juli 1988, Zl. GA 11‑1494/1/88, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §21
GebG 1957 §22
GebG 1957 §26
GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1
GebG 1957 §33 TP5 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988150109.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bestandvertrag vom 20. April 1986 mietete die Beschwerdeführerin näher bezeichnete Grundstücke und Baulichkeiten mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 zunächst auf bestimmte Zeit bis zum 30. September 1989 (drei Jahre) und sodann auf unbestimmte Zeit. Als monatlicher Mietzins wurde ein Betrag von S 5.000,-- und ab 1. Jänner 1998 ein Betrag von S 20.000,-- vereinbart. Laut Pkt. VI des Vertrages verpflichtete sich die Beschwerdeführerin, auf dem Bestandobjekt verschiedene bauliche Investitionen, unter anderem die Errichtung einer Reithalle im Ausmaß von 20 x 60 m vorzunehmen. Dazu wurde in Pkt. VIII folgendes vereinbart:

„Die Bestandnehmerin ist bis zum 31. Dezember 1997 berechtigt, dem Bestandgeber einen Rechtsnachfolger (Nachbestandnehmer) namhaft zu machen, der als solcher in diesen Bestandvertrag vollinhaltlich einzutreten hat. Der Bestandgeber ist jedoch berechtigt, diesen abzulehnen, wenn gegen seine Person wesentliche Bedenken bestehen. Der Bestandgeber ist weiters berechtigt, den Gegenstand dieses Pachtvertrages laut Pkt. I anstelle des namhaft gemachten Rechtsnachfolgers auch ohne das Vorliegen wesentlicher Bedenken gegen dessen Person und ohne Angabe von Gründen selbst zu übernehmen. Diesfalls hat er der Bestandnehmerin die von ihr nach den Bestimmungen dieses Vertrages getätigten Investitionen bis zu einem Höchstbetrag von S 2 Mio. abzulösen. Der Bestandgeber ist jedoch ungeachtet der für den Bestandzins von monatlich S 5.000,-- vereinbarten Wertsicherung berechtigt, von dieser Investitionsablöse jene Summe in Abzug zu bringen, welche sich aus der Differenz zwischen dem monatlichen Anfangszins per S 5.000,-- und dem ab 1. Jänner 1998 vereinbarten monatlichen Bestandzins von S 20.000,--, sohin S 15.000,-- je Monat bis zum Tage der tatsächlichen Übernahme des Vertragsgegenstandes durch den Bestandgeber ergibt. Nach dem 31. Dezember 1997 hat die Bestandnehmerin keinen Anspruch auf Ersatz der von ihr getätigten Investitionen, welcher Art immer.“

Mit dem im Instanzenzug ergangenen und nun angefochtenen Bescheid errechnete die belangte Behörde, ausgehend von der im Verwaltungsverfahren dem Grunde nach unbestritten gebliebenen Gebührenpflichtigkeit der gegenständlichen Vereinbarung, die Bemessungsgrundlage mit S 3,017.750,-- und setzte dementsprechend gemäß § 33 TP 5 GebG die Gebühr mit 1 v. H. davon im Betrag von S 30.177,-- fest. Die Bemessungsgrundlage ermittelte die belangte Behörde wie folgt:

Bestandzins

S 5.000,-

 

Betriebskosten (tatsächliche Höhe)

S 350,41

 

 

S 5.350,41

 

einschließlich 10 % Umsatzsteuer

S 5.885,45

 

36 Monate

 

S 211.876,20

Bestandzins

S 20.000,--

 

Betriebskosten (tatsächliche Höhe)

350,41

 

 

20.350,41

 

Einschließlich 10 % Umsatzsteuer

22.385,41

 

36-fache

 

S 805.874,76

einmalige Leistung (Investitionen)

 

2,000.000,--

 

 

3,017.750,96

   

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Den Beschwerdeausführungen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß bei Berechnung der gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG zu entrichtenden Gebühr ein Betrag von S 423.752,40 (das sind 72 x S 5.885,45) die Bemessungsgrundlage bildet. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, es sei nicht nur für die ersten drei Jahre, sondern auch für die weiteren in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehenden drei Jahre der Mietzins von S 5.000,-- zuzüglich der Umsatzsteuer und der Betriebskosten zugrunde zu legen, da ein höherer Mietzins von S 20.000,-- monatlich erst ab 1. Jänner 1998 zu entrichten sei. Außerdem finde der von der belangten Behörde für die von der Beschwerdeführerin zu erbringenden Investitionen in die Bemessungsgrundlage aufgenommene Ansatz von S 2,000.000,-- im Gesetz keine Deckung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur ersten von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, wie bei einem schriftlichen Bestandvertrag, dessen unbestimmte Dauer unbestrittenermaßen am 1. Oktober 1989 beginnen wird, die wiederkehrenden Leistungen der Beschwerdeführerin als Bestandnehmerin für die Gebührenfestsetzung im Sinne des Gebührengesetzes 1957 (in der Folge: GebG) zu bewerten sind, wenn als Zins ‑ abgesehen von der hier nicht mehr strittigen Umsatzsteuer und den Betriebskosten - bis zum 31. Dezember 1997 S 5.000,-- und für den Fall, daß das Bestandverhältnis länger dauern sollte, für die Zeit nach diesem Termin S 20.000,‑‑ monatlich vereinbart worden waren, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei im wesentlichen ähnlich gelagerten Sachverhalten den Standpunkt vertreten, daß in solchen Fällen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 3 erster Satz GebG dem Urkundenprinzip und dem in den §§ 21 und 22 GebG enthaltenen Grundgedanken Rechnung tragend von dem - gemäß § 26 GebG als unbedingt und sofort fällig geltenden erhöhten - Mietwert auszugehen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1987, Zl. 85/15/0246, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, und die dort angeführten Erkenntnisse). Von dieser Rechtsprechung abzugehen findet der Verwaltungsgerichtshof auch unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen keinen Anlaß.

In der Heranziehung des mit einem bestimmten Zeitpunkt während der unbestimmten Dauer des Bestandvertrages sich erhöhenden Mietzinses bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage kann daher keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Aber auch der weitere Einwand der Beschwerde, der sich gegen die Einbeziehung des Wertes der Investitionen in die Bemessungsgrundlage richtet, ist nicht begründet.

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert einer Rechtsgebühr von 1 v. H. Als „Wert“, von dem die Gebühr für Bestandverträge zu berechnen ist, ist der Preis (die Leistungen, die der Bestandnehmer für die Überlassung der Sache zum Gebrauch zu erbringen hat) anzusehen (vgl. u. a. das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1973, Zl. 622/71, Slg. Nr. 4491/F). Die Beschwerdeführerin hat in Pkt. VI des Bestandvertrages die Verpflichtung übernommen, auf dem ihr zur Benutzung überlassenen Grundstück auf ihre Kosten vor allem eine Reithalle im Ausmaß von 20 x 60 m zu errichten, aber auch noch mehrere andere Bauvorhaben ohne Rücksicht auf den von ihr zu entrichtenden Mietzins vornehmen zu lassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits zitierten Erkenntnis und den dort angeführten weiteren Erkenntnissen ausgesprochen, daß im Fall einer vertraglichen Verpflichtung zu bestimmten Investitionen die Kosten derselben in die Bemessungsgrundlage für die Bestandvertragsgebühr einzubeziehen sind. Die Beschwerdeführerin kann selbst nicht bestreiten, daß die von ihr auf Grund des Bestandvertrages zu tätigenden Investitionen Teil des Preises sind, den sie für die Überlassung des Gebrauches des Bestandobjektes zu leisten hat. Bestätigt wird dies durch den von der Beschwerdeführerin selbst ins Treffen geführten Pkt. VIII des Bestandvertrages, aus dem sich im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 2 GebG - ganz abgesehen von § 17 GebG - ergibt, daß die von der Beschwerdeführerin vorzunehmenden Investitionen zum Wert gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG zählen.

Soweit die belangte Behörde die Kosten der in Frage stehenden Investitionen in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen hat, kann daher eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.

Von der Beschwerde wird die Einbeziehung der Kosten der vereinbarten Investitionen in die Bemessungsgrundlage ausdrücklich nur dem Grunde nach unter dem Blickwinkel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bekämpft. Den Beschwerdeausführungen zufolge hält die Beschwerdeführerin aber auf Grund einer Interpretation des Vertragsinhaltes eine „Variante“ der Berechnung der Bemessungsgrundlage (72 x S 22.385,41) für „möglicher“, als die von der belangten Behörde herangezogene. Obzwar die Beschwerdeführerin selbst die von ihr aufgezeigte „Rechnungsvariante“ ausdrücklich ablehnt, ist der Vollständigkeit halber zu bemerken, daß eine Aufteilung der einmalig von der Beschwerdeführerin zu erbringenden Leistungen (Investitionen) auf die wiederkehrenden Leistungen des Mietzinses schon deshalb nicht möglich ist, weil es nach dem Vertragsinhalt völlig ungewiß ist, ob der Bestandgeber jemals Ersatz für diese Investitionen zu leisten hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1981, Zl. 80/15/3621).

Daher kann auch die volle Einbeziehung der Kosten der Investitionen in die Bemessungsgrundlage für die Rechtsgebühr keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen.

Aber auch die Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften hafte dem angefochtenen Bescheid nach Ansicht der Beschwerdeführerin deshalb an, weil sie den der Höhe nach unstrittigen Wert der Investitionen (S 2,000.000,--) ohne ordentliches Ermittlungsverfahren im Schätzungsweg festgestellt habe. Insbesondere habe die belangte Behörde den Parteiwillen nicht erforscht.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde - wie sowohl aus dem Inhalt der Verwaltungsakten als auch aus den der Beschwerde beigelegten Urkunden entnommen werden kann - mit Schreiben vom 17. Februar 1988 der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht hat, daß und warum sie die Investitionen mit S 2,000.000,-- bewertet hat und beabsichtigt, den Wert in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin ersucht, die Höhe der bisher aufgelaufenen Kosten für die Investitionen bekanntzugeben, und zur Stellungnahme eingeladen. Da die Beschwerdeführerin dieses Schreiben unbeantwortet gelassen hat, kann sie sich nicht dadurch beschwert erachten, wenn die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid den ihr bekanntgegebenen Wert der Investitionen der Bemessung zugrunde gelegt hat. Ein Verfahrensmangel ist daher der belangten Behörde nicht anzulasten.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Wien, am 19. Juni 1989

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