Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988130245.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte die Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten für das Kalenderjahr 1988 und machte dazu Aufwendungen zur Beseitigung der Folgen eines Verkehrsunfalles, den er mit seinem Kraftfahrzeug erlitten hatte, geltend.
Das Finanzamt wies den Antrag ab. Der Verkehrsunfall habe sich auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, also auf einer Privatfahrt, ereignet.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Er habe auf dem Weg zur Arbeitsstätte einen Geschäftsfreund seines Arbeitgebers zu besuchen gehabt; der Verkehrsunfall habe sich auf dem Weg von diesem Geschäftsfreund zur Arbeitsstätte, also auf einer Dienstfahrt, ereignet.
Das Finanzamt gab mit seiner Berufungsvorentscheidung der Berufung teilweise statt. Es anerkannte als Werbungskosten statt der geltend gemachten S 50.562,-- ausgehend vom Neuwert des Kraftfahrzeuges unter Berücksichtigung der AfA, des Verkaufserlöses und des Versicherungsersatzes sowie des „Privatanteiles“ am Schaden nur S 5.036,--.
Der Beschwerdeführer beantragte, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Die AfA könne nur für vier Jahre angesetzt werden und es sei der gesamte Schaden zu berücksichtigen.
Die Finanzlandesdirektion wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung die Berufung ab. Bei der Ermittlung von Werbungskosten müsse eine Abgrenzung zwischen dienstlich und privat gefahrenen Kilometern vorgenommen werden. Das Finanzamt habe daher völlig zu Recht den Schaden und damit die Werbungskosten so errechnet, wie die mit dem verunfallten Fahrzeug gefahrenen dienstlichen Kilometer zu den privat gefahrenen Kilometern im Verhältnis gestanden seien. Auch bei der Berechnung des Restbuchwertes zum Unfallszeitpunkt habe das Finanzamt richtig entschieden. Da § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 festlege, daß Absetzungen für Abnutzung Werbungskosten seien und auf § 7 EStG 1972 hinweise, habe die Absetzung für Abnutzung gemäß dieser Gesetzesstelle ermittelt werden müssen. Das Kraftfahrzeug sei im März 1984 angeschafft worden, sodaß die AfA für dieses Kalenderjahr in voller Höhe anzusetzen gewesen sei. Die Berechnung der Höhe der Werbungskosten sei vom Finanzamt richtig durchgeführt worden, „weshalb wie im Spruch zu entscheiden war“.
Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, es sei der tatsächliche wirtschaftliche Schaden ohne Ausscheidung eines Privatanteils als Werbungskosten anzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:
Gemäß § 276 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen. Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monates der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden. Wird ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtzeitig eingebracht, so gilt ungeachtet des Umstandes, daß die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung dadurch nicht berührt wird, die Berufung von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt.
Durch die Fiktion, daß ungeachtet des rechtzeitig eingebrachten Antrages auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz die ursprüngliche Berufung ‑ ab dem Zeitpunkt der Einbringung des Vorlageantrages ‑ als unerledigt gilt, verbleibt einerseits die Berufungsvorentscheidung im Rechtsbestand, andererseits tritt die Verpflichtung der Abgabenbehörde zweiter Instanz ein, über die Berufung ‑ die zur Berufungsvorentscheidung führte ‑ zu entscheiden. Die ursprüngliche Berufung gilt eben als unerledigt, bedarf also einer abschließenden Erledigung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 664).
Die Wirkungen der Berufungsvorentscheidung bleiben nur bis zur abschließenden Berufungserledigung erhalten (vgl. Stoll, a.a.O., 665).
Im Hinblick darauf, daß die in der Sache entscheidende Abgabenbehörde zweiter Instanz über die als unerledigt geltende Berufung abzusprechen hat, kann sie den angefochtenen, also den ursprünglichen erstinstanzlichen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder bestätigen, ohne durch die in der Berufungsvorentscheidung getroffene Sacherledigung präjudiziert zu sein oder in dieser Berufungsvorentscheidung eine formelle Grenze zu finden. Sie kann somit sowohl vom Inhalt des ursprünglichen Bescheides wie auch von dem der Berufungsvorentscheidung nach jeder Richtung abweichen, aber auch das Ergebnis des Verfahrens bestätigen (vgl. Stoll, a.a.O., 666).
Dem Spruch des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, daß die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes abgewiesen wird; dies ist gegenüber der Berufungsvorentscheidung eine Verböserung. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber zu entnehmen, daß „die Berechnung der Höhe der Werbungskosten vom Finanzamt richtig durchgeführt“ worden sei.
Da somit der Spruch und die Begründung des angefochtenen Bescheides miteinander im Widerspruch stehen - erachtet die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung in eben demselben Umfang für begründet wie das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung, dann muß sie dies im Spruch der Berufungsentscheidung zum Ausdruck bringen -, ist der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1989, Zl. 87/13/0073).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Der Schriftsatzaufwand beträgt nur S 10.110,--.
Wien, am 13. September 1989
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