VwGH 88/08/0144

VwGH88/08/014419.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer - Blaschka, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt, Wien IV, Kolschitzkygasse 15/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales, vom 29. März 1988, Zl. 121.160/3-7/88, betreffend Begünstigung gemäß den §§ 500 ff. ASVG (mitbeteiligte Partei: FS in Buenos Aires, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt, Wien II, Taborstraße 10/2), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §500;
AVG §73 Abs2;
ASVG §500;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1985, Zl. 84/08/0017, und vom 29. Juni 1987, Zl. 86/08/0183, verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin vom 30. Juli 1968 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 leg. cit. hinsichtlich des Zeitraumes vom 7. Oktober 1938 bis 31. März 1959 Folge und stellte in Abänderung des bekämpften Bescheides fest, daß die Zeit vom 7. Oktober 1938 bis 31. März 1959 aufgrund der §§ 500, 502 Abs. 4 und 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG in der Fassung der 44. Novelle in der Pensionsversicherung der Angestellten begünstigt anzurechnen sei.

In der Bescheidbegründung bejaht die belangte Behörde zunächst die Zulässigkeit und Berechtigung des Devolutionsantrages der mitbeteiligten Partei. Das obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1987 sei der Einspruchsbehörde am 29. Juli 1987 zugestellt worden. Die sechsmonatige Frist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 sei somit am 25. Februar 1988, dem Datum der Einlangung des Devolutionsantrages bei der belangten Behörde, bereits verstrichen gewesen. Nach Auffassung der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde liege es im gegenständlichen Fall im alleinigen Verschulden der Einspruchsbehörde, daß das fortgesetzte Verfahren zur Erlassung eines Ersatzbescheides bisher noch nicht abgeschlossen habe werden können.

In der Sache selbst sei als Grundlage der Entscheidung der maßgeblichen Frage, ob die Mitbeteiligte aufgrund einer objektiv begründeten Gefahr einer konkreten politischen Verfolgung am 7. Oktober 1938 ausgewandert sei, aufgrund der Aussagen des Zeugen Dr. AB sowie der Zeuginnen LK, MU und KS und aufgrund des Parteivorbringens folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt worden: Es sei unbestritten geblieben, daß die Mitbeteiligte zu Dr. B, der jüdischer Abstammung sei, vor dem März 1938 und nachher - bis zu seiner Auswanderung am 22. Juni 1938 - in einer engen Beziehung gestanden sei. Diese Beziehung sei nach dem Ermittlungsergebnis einem großen Kreis von Personen (Verwandten und Freunden) bekannt gewesen. Nach der Auswanderung von Dr. B sei zwischen der Mitbeteiligten und ihm eine Korrespondenz geführt worden, deren Existenz und Inhalt den nationalsozialistischen Behörden bekannt geworden sei. Wie seitens aller Zeugen widerspruchsfrei und übereinstimmend angegeben worden sei, sei die Mitbeteiligte zu mehreren Vernehmungen durch die Gestapo und in einem Wiener Polizeikommissariat vorgeladen worden. Die Mitbeteiligte behaupte weiters glaubwürdig, daß ihr seitens eines Bekannten des Dr. B, des Polizeirates Dr. Z, die Mitteilung zugekommen sei, sie stehe bereits auf einer Verhaftungs- und Deportationsliste. Die Tatsache, daß der Mitbeteiligten diese Warnung zugekommen sei, sei nach Auffassung der belangten Behörde ebenso wie die Tatsache der Beschäftigung eines Dr. Z beim Bezirkskommissariat Wieden im fraglichen Zeitraum erwiesen. Die Mitbeteiligte sei zuletzt bis zum 30. Juni 1938 bei der R beschäftigt gewesen. Sie habe am 9. Oktober 1938 in Besitz der entsprechenden Reisepapiere das Gebiet des damaligen deutschen Reiches verlassen und sei mit einem Touristenvisum in Uruguay eingereist.

Der Erörterung der entscheidungswesentlichen Frage nach dem Vorliegen der objektiven Gefahr einer politischen Verfolgung seien folgende Erwägungen über die objektive Situation der mit Menschen jüdischer Abstammung in enger Verbindung stehenden Personen in dem im Streit stehenden Zeitraum zugrunde zu legen: Die Verfolgung von Personen jüdischer Abstammung bzw. die damit verbundene Propaganda gegen diese Personen und gegen Personen, die Menschen jüdischer Abstammung unterstützten ( z. B. mit ihnen verkehrten bzw. mit ihnen Geschäfte tätigten), sei im besonderen in dem dem 12. März 1938 folgenden Zeitraum ohne gesetzliche Regelung erfolgt und die Art der Maßnahmen gegen diese Personen sei weitestgehend der Willkür der Funktionäre der nationalsozialistischen Organisationen auf jeder Ebene überlassen gewesen (vergleiche auch das Schreiben der Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes vom 18. Mai 1987, in dem zu einem anderen Fall Stellung genommen worden sei). In diesem Zusammenhang sei für die gegenständliche Angelegenheit bedeutsam, daß aus diesem Grund eventuelle gegen die Mitbeteiligte gesetzte Verfolgungshandlungen weder aus dem Verfahrensrecht der damaligen Polizei - und sonstigen Behörden abgeleitet werden könnten noch mit einer Dokumentation in Form von Akten zu rechnen sei. Wie aus dem von der Mitbeteiligten vorgelegten Ausschnitt aus Band 3 der Dokumentation "Widerstand und Verfolgung in Wien 1934 bis 1945", Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, Jugend und Volk Verlagsgesellschaft mbH., hervorgehe, seien Personen wegen "rassenschänderischem Verhalten" festgenommen und in ein Konzentrationslager überstellt worden.

Bezogen auf diesen politischen Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die konkret gegen die Mitbeteiligte gesetzten Verfolgungshandlungen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß die Mitbeteiligte aus Gründen der politischen Verfolgung im Jahre 1938 ausgewandert sei; dies aus folgenden Erwägungen: Die Mitbeteiligte habe jederzeit damit zu rechnen gehabt, daß - im Hinblick auf den großen Spielraum von Funktionären jeder Ebene in der sogenannten "Judenfrage" - gegen sie weitere und schwerwiegendere Verfolgungshandlungen gesetzt würden. Es sei auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vergleiche das Erkenntnis vom 12. Dezember 1980, Zl. 08/3280/78) hinzuweisen, wonach eine Person des § 500 ASVG nicht habe abwarten müssen, bis eine konkrete Verfolgung gegen sie wegen der in dieser Bestimmung genannten Gründe eingesetzt habe. In vielen Fällen hätte nämlich das Einsetzen konkreter Verfolgungshandlungen gegen eine Person bereits die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Möglichkeit ihrer Auswanderung zunichte gemacht. Die allgemeine Gefahr von willkürlichen Verfolgungen habe sich im besonderen im Pogrom vom 10. November 1938 (Reichskristallnacht), vor dessen Folgen sich die Mitbeteiligte durch ihre Auswanderung geschützt habe, manifestiert. Die belangte Behörde weise aber auch darauf hin, daß unter der historisch unumstrittenen Tatsache, daß Verhöre bei der Gestapo unter Mißachtung selbst eines Mindeststandards von Menschenrechten vor sich gegangen seien, bereits diese als konkrete Verfolgungshandlungen anzusehen seien. Die Mitbeteiligte sei mehrere Male sowohl von der Gestapo als auch auf dem Polizeikommissariat 4 verhört und von einem ihr bekannten Polizeirat gewarnt worden, sie stehe bereits auf der Verhaftungsbzw. Deportationsliste. Diese Warnung bzw. die Verhöre seien nach den letzten Angaben der Mitbeteiligten in den Monaten August und September 1938 erfolgt. Das Dienstverhältnis der Mitbeteiligten habe aber mit Juni 1938 geendet. Diese Tatsache könnte so die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (im Erkenntnis vom 29. Juni 1987) - insofern von Bedeutung sein, als darin ein Indiz auf eine eventuell vorhandene andere Motivation für die Auswanderung als die der politischen Verfolgung gesehen werden könnte. Die belangte Behörde schicke voraus, daß der Aussage der Zeugin LK, sie habe von der Stiefmutter der Mitbeteiligten (ES) gehört, die Mitbeteiligte wandere wegen Dr. B nach Argentinien aus, keine entscheidende Beweiskraft zukomme, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil Frau S nach verschiedenen Aussagen von Zeugen das Verhalten ihrer Stieftochter der Gestapo gemeldet und daher gegenüber Bekannten und Freunden die unter anderem damit entstandene Gefahr der Verfolgung der Mitbeteiligten wohl nicht erwähnt habe. Im übrigen habe die Zeugin K angegeben, mit der Mitbeteiligten vor der Auswanderung wenig Kontakt gehabt zu haben; auch habe sie angegeben, daß die Mitbeteiligte ihr zum Abschied nicht gesagt habe, aus welchen Gründen sie auswandere. Bedeutung komme auch der Aussage der Zeugin U zu, die erwähne, daß die Mitbeteiligte bei ihr als Mitglied der NSDAP Beistand gegen die Verfolgung gesucht habe. Die Zeugin U habe weiters angegeben, sie habe der Mitbeteiligten mitgeteilt, darauf keinen Einfluß zu haben, und ihr geraten, das Land zu verlassen. Diesem Rat einer Freundin und eines Mitgliedes der NSDAP werde seitens der belangten Behörde ein entscheidender Einfluß auf die Entschlußfassung der Mitbeteiligten beigemessen. Angesichts der ausreichend allgemein bekannten und im Verfahren dokumentierten politischen Situation sei nach Ansicht der belangten Behörde dem soeben erörterten Indiz der Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ende Juni 1938 nicht die Bedeutung beizumessen, daß damit eine aus politischen Gründen erfolgte Auswanderung unglaubwürdig wäre und eine sogenannte "freiwillige Auswanderung" in Frage käme. Weitere Versuche zu klären, aus welchen Gründen auch immer das Dienstverhältnis zu dem genannten Zeitpunkt beendet worden sei, könnten angesichts der schwerwiegenden Indizien, die für die Auswanderung aus politischen Gründen sprechen, unterbleiben. Im übrigen sei die zu klärende Tatfrage nicht, aus welchen Gründen das Dienstverhältnis der Mitbeteiligten geendet habe, sondern ob politische Gründe für die Auswanderung ausschlaggebend gewesen seien. Die Einschätzung der Mitbeteiligten, daß die Zurücklassung ihres Vermögens und der endgültige Verlust ihres Postens, den wiederzuerlangen für sie als Tochter des Direktors sicherlich keine Schwierigkeit bedeutet hätte, mit ihrer Auswanderung im Zusammenhang stünden, sei trotz des zeitlichen Auseinanderfallens voll verständlich und erschüttere die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht. Die Argumentation der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 9. März 1988, aus einem in einem anderen Fall ergangenen Gutachten der Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gehe hervor, daß einer Person, die auf der Liste für die Einlieferung in ein Konzentrationslager gestanden sei, ausgestellt worden wären, wie bereits oben erwähnt, auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Ausdruck einer konkreten Verfolgung nicht verlangt werde, daß die Verfolgungshandlungen (z. B. Aufnahme in die Liste zur Einlieferung in ein Konzentrationslager) bereits gesetzt worden seien, zumal damit die Möglichkeit einer Auswanderung unter Umständen vereitelt worden wäre. Die Tatsache, daß der Mitbeteiligten ein deutscher Paß ausgestellt worden sei, lasse sich aus einer zu diesem Zeitpunkt offenbar noch mangelhaft funktionierenden Kommunikation der einzelnen Behörden erklären. Auch die Tatsache, daß die - dem Deutschen Reich politisch nahestehende - argentinische Regierung die aus diesem Staat eingewanderten Ausländer der deutschen Arbeitsfront in Buenos Aires zugewiesen habe, sei nicht von durchschlagender Beweiskraft, zumal sich die Mitbeteiligte nicht freiwillig an diese Behörde gewandt habe, sondern den Anweisungen der Einwanderungsbehörde gefolgt sei. Schließlich sei anzunehmen, daß die Tatsache des engen Verhältnisses der Mitbeteiligten zu einem Mann jüdischer Abstammung den deutschen Behörden in Argentinien nicht bekannt gewesen sei. Als Indiz für die politischen Gründe der Auswanderung sei auch die Tatsache zu sehen, daß die Mitbeteiligte nicht abgewartet habe, bis sie ein - künftige Schwierigkeiten mit den Einwanderungsbehörden verschiedener Länder vermeidendes - argentinisches Einwanderungsvisum erhalten habe, sondern daß sie im Besitz eines uruguayischen Touristenvisums die Reise "ins Ungewisse" angetreten habe. Was die Beitragserstattung durch die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte betreffe, sei darauf hinzuweisen, daß im Gegensatz zur Behandlung und Verfolgung von Personen jüdischer Abstammung das Verfahren zur Auszahlung des Ausstattungsbeitrages sich nach der Bestimmung des § 47 (Reichs) Angestelltenversicherungsgesetz und des § 1309 a RVO gestaltet habe und die Mitbeteiligte die erforderlichen Voraussetzungen (im wesentlichen Heirat und rechtzeitige Antragstellung) erfüllt habe. Zusammenfassend erachte die belangte Behörde die von der Mitbeteiligten geltend gemachte objektive Gefahr einer konkreten politischen Verfolgung auf Grund der nationalsozialistischen Ideologie zur Rassenfrage als sichtlich gegeben; sie sei somit dem Personenkreis des § 500 ASVG zuzurechnen. Da das Vorliegen von Beitragszeiten nach § 226 ASVG ebenso nachgewiesen sei wie die Tatsache, daß die Mitbeteiligte zum 7. Oktober 1938 das 15. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe, sei sie gemäß § 502 Abs. 1 und Abs. 4 ASVG zu begünstigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde den Devolutionsantrag der Mitbeteiligten nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG 1950 abweisen müssen. Die belangte Behörde habe lediglich festgestellt, daß die sechsmonatige Frist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 überschritten worden sei und die Verzögerung im alleinigen Verschulden der Einspruchsbehörde liege. Eine Begründung, worin das Verschulden liege, werde nicht geliefert. Diesbezüglich liege ein offenkundiger Begründungsmangel vor, der eine Überprüfung der Erwägungen der belangten Behörde unmöglich mache. Die Tatsache der Fristüberschreitung könne jedenfalls als Begründung für ein ausschließliches Verschulden der Behörde nicht genügen. Gehe man davon aus, daß das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1987 der Einspruchsbehörde am 29. Juli 1987 zugestellt worden sei, dann habe die Frist des § 73 AVG 1950 Ende Jänner 1988 geendet. Die Einspruchsbehörde habe aber ohne unnötige Verzögerung (mit Note vom 23. Oktober 1987) Ermittlungen bei der Bundespolizeidirektion Wien eingeleitet, die im Dezember 1987 hätten abgeschlossen werden können. Diese Ermittlungen hätten dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes im eben zitierten Erkenntnis entsprochen und könnten nicht als unzweckmäßig angesehen werden. Danach sei der Akt der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt worden, bei der er sich auch zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages noch befunden habe. Somit stehe fest, daß die Einspruchsbehörde kein Verschulden an der Verzögerung treffe, da sie das Ermittlungsverfahren korrekt geführt und überdies den Parteien des Verfahrens Parteiengehör habe gewähren müssen.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im Fall der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof beginnt die sechsmonatige Frist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 ab dem Tag zu laufen, an dem der Behörde die schriftliche Ausfertigung des aufhebenden Erkenntnisses zugestellt worden ist (vergleiche das Erkenntnis vom 27. Februar 1981, Zl. 08/3408/78, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Unbestritten ist in der vorliegenden Beschwerdesache (bezüglich derer die Verwaltungsvorschriften keine vom § 73 Abs. 1 AVG 1950 abweichende Frist normieren), daß die Einspruchsbehörde innerhalb von sechs Monaten ab der Zustellung des mehrfach genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1987 über den Einspruch der Mitbeteiligten nicht entschieden hat; strittig ist, ob die Verzögerung ausschließlich auf ein Verschulden der Einspruchsbehörde zurückzuführen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vergleiche unter anderem die Erkenntnisse vom 14. April 1983, Zl. 82/08/0129, vom 26. Februar 1981, Zl. 08/2878/79, und vom 20. Juni 1980, Zl. 1567/76, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen) ist die Verzögerung der Entscheidung dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch ein Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde. Die Unmöglichkeit, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber bis zum Ablauf der festgesetzten Frist von sechs Monaten, den Bescheid zu erlassen, fällt daher der Behörde in allen jenen Fällen allein zur Last, in denen sie weder durch ein Verschulden der den Devolutionsantrag stellenden Partei noch durch ein unüberwindliches, ihrem Einflußbereich entzogenes Hindernis daran gehindert war, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung der diese Verwaltungssache betreffenden Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§§ 37, 39 Abs. 2 sowie 66 Abs. 3 und 4 AVG 1950). Der im § 39 Abs. 2 AVG 1950 ausgesprochene Grundsatz der Amtswegigkeit allein rechtfertigt jedenfalls keine Durchbrechung der durch § 73 Abs. 1 AVG 1950 festgesetzten Maximalfrist; sonst hätte es die Behörde in der Hand, durch ergänzende Sachverhaltsermittlungen ihre Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 in Frage zu stellen; vielmehr müssen die obgenannten Umstände hinzu kommen. Zu den dem Einflußbereich der Behörde entzogenen Hindernissen zählt unter anderem auch die Notwendigkeit eines für die Entscheidung erforderlichen länger dauernden Ermittlungsverfahrens, sofern die Behörde das Verfahren auch durchgehend zügig betreibt und nicht etwa grundlos zuwartet oder überflüssige (nicht die konkrete Verwaltungssache betreffende) Verfahrenshandlungen setzt. Hiebei ist aber nicht der fiktive Verlauf des Ermittlungsverfahrens (nämlich die Frage, ob das Verfahren bei zügiger Betreibung innerhalb des maßgeblichen Zeitraumes tatsächlich hätte beendet werden können) entscheidend, sondern, ob die tatsächlich eingetretene Verzögerung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, daß die belangte Behörde für ihre Auffassung, es liege "im gegenständlichen Fall im alleinigen Verschulden der Einspruchsbehörde, daß das fortgesetzte Verfahren zur Erlassung eines Ersatzbescheides bisher noch nicht abgeschlossen werden konnte", jegliche Begründung schuldig bleibt. Dieser Begründungsmangel ist aber nicht relevant. Dem Akt ist nämlich zu entnehmen, daß die Einspruchsbehörde nach Abschluß ihrer Ermittlungen am 22. Dezember 1987 der Beschwerdeführerin laut Begleitschreiben vom 30. Dezember 1987 "das gesamte Aktenmaterial mit dem Ersuchen übermittelt" hat, "zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen", ohne, wie es nach dem Grundsatz der zügigen Betreibung des Verfahrens erforderlich gewesen wäre, eine (angesichts des bevorstehenden Ablaufes der Sechsmonatsfrist und der eher dürftigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens angemessen kurze Frist zu setzen. Schon deshalb kann vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage nicht von einer zügigen Betreibung des Verfahrens durch die Einspruchsbehörde gesprochen werden und entspricht die Nichtabweisung des Devolutionsantrages der Mitbeteiligten dem Gesetz. Es brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob das an die Bundespolizeidirektion Wien gerichtete Ersuchen der Einspruchsbehörde vom 5. August 1987 (das am 23. Oktober 1987 wiederholt und nicht - wie die Beschwerdeführerin behauptet - erstmals gestellt wurde) um Auskunft, "welche Paßbehörde im Jahre 1938 und davor für Personen zuständig war, deren Wohnsitz sich im dritten Wiener Gemeindebezirk gefunden hat", dem "Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes" entsprochen hat.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erweise sich der angefochtene Bescheid aber auch in meritorischer Hinsicht aus folgenden Gründen nicht haltbar: Die belangte Behörde sei den Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes zur Klärung bzw. Erörterung der mit den Umständen der Ausstellung eines neuen Reisepasses und der Beendigung des Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten zusammenhängenden Fragen nur ungenügend nachgekommen. So hätte sie sich etwa mit dem Teil des von der Einspruchsbehörde vorgelegten Gutachtens der Stiftung Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes vom 18. Mai 1987 auseinandersetzen müssen, worin zum Ausdruck komme, daß ein auf einer Liste für die Einlieferung in ein Konzentrationslager stehender Staatsangehöriger weder Ausreisedokumente noch eine Emigrationsgenehmigung erhalten hätte. Stattdessen stelle sich die belangte Behörde auf den Standpunkt, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlangt werde, daß die Verfolgungshandlungen bereits gesetzt worden seien. Außerdem habe die Kommunikation der einzelnen Behörden damals offenbar noch mangelhaft funktioniert. Die belangte Behörde bleibe eine Begründung oder Erklärung dafür schuldig, warum sie vom schlechten Funktionieren der Behörden (immerhin mehr als ein halbes Jahr nach dem "Anschluß") ausgehe. Überdies gehe die belangte Behörde bei der Beweiswürdigung erkennbar davon aus, daß sie die Existenz der Verhaftungsliste mit dem Namen der Mitbeteiligten als erwiesen annehme, um damit die begründete Gefahr von politischer Verfolgung glaubhaft zu machen. Wenn sie später davon ausgehe, eine solche Liste habe nicht bestanden, sei die Beweiswürdigung unschlüssig. Damit fehle es aber auch an Anhaltspunkten für die Annahme der begründeten Gefahr einer konkreten politischen Verfolgung. Ferner könne die Ansicht der belangten Behörde, die Mitbeteiligte habe sich durch ihre Auswanderung vor den Folgen der Reichskristallnacht geschützt, nur als reine Konstruktion gewertet werden, da dieses Ereignis der Mitbeteiligten zum Zeitpunkt ihrer Emigration nicht habe bekannt sein können. Auch sei ein Zusammenhang damit deshalb nicht herstellbar, weil die Ereignisse der Reichskristallnacht sich ausschließlich gegen jüdische Personen, deren Eigentum und deren religiöse Einrichtungen gerichtet hätten. Zur Entkräftung der Aussage der Zeugin K sei bemerkt, daß einer Anzeige der Mitbeteiligten durch ihre jüdische Stiefmutter nur geringe Wahrscheinlichkeit zukomme, da es in den damaligen Verhältnissen für jüdische Personen nicht ratsam gewesen wäre, arische Personen wegen "Rassenschande" bei der Gestapo anzuzeigen. Schließlich sei auch die Erörterung der Beendigung des Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten nicht überzeugend, da die belangte Behörde dadurch nicht entkräften könne, daß die Lösung des Dienstverhältnisses durch die Mitbeteiligte kurz nach der Abreise von Dr. B bei unbefangener Betrachtung nur dahingehend gedeutet werden könne, die Mitbeteiligte habe diesem ins Ausland nachreisen wollen.

Zum Einwand der nur ungenügenden Befolgung von "Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes" ist folgendes zu bemerken: Der Gerichtshof hat im Vorerkennntis vom 29. Juni 1987 ausgeführt, es sei ausschlaggebend, ob es glaubwürdig sei, daß Polizeirat Dr. Z der Mitbeteiligten mitgeteilt habe, sie stehe bereits auf der "Verhaftungs- und Deportationsliste", und die Mitbeteiligte deshalb und im Hinblick auf die vorangegangenen wiederholten Vernehmungen durch die Gestapo und in einem Wiener Polizeikommissariat, wie sie behaupte, Wien fluchtartig unter Aufgabe ihres Postens und Zurücklassung ihrer Habe verlassen habe und über Hamburg ausgewandert sei. Treffe dies nämlich zu, so wäre eine Auswanderung wegen objektiv begründeter Gefahr einer politischen Verfolgung zu bejahen. Die damals belangte Behörde habe aber diesbezüglich das Vorliegen eines objektiven Beweises mit der Begründung verneint, daß diese Umstände nur auf Behauptungen der Mitbeteiligten beruhten, diese aber aus drei näher angeführten Argumenten (u. a. wegen der Paßerteilung durch eine nationalsozialistische Behörde) als unglaubwürdig erachtet habe, und die bezüglichen Zeugenaussagen nicht bedeutsam seien, weil die Zeugen ihr Wissen nur aus Mitteilungen der Mitbeteiligten haben könnten. Der Gerichtshof erachtete die drei Argumente nicht ausreichend für die Bejahung einer Schlüssigkeit der Beweiswürdigung. Zur Paßerteilung führte er aus, sie vermöchte nur dann die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin zu erschüttern, wenn feststünde, daß nach den damaligen Verhältnissen ein "Paßumtausch" (nämlich die Ausstellung eines deutschen Reisepasses an die Mitbeteiligte, die einen österreichischen Reisepaß besessen habe, in Hamburg) nur nach vorheriger Kontaktierung der zuständigen österreichischen Polizeidienststellen (bei denen die Mitbeteiligte nach ihrer Behauptung auf einer Verhaftungs- und Deportationsliste gestanden sei) erfolgt sei. Zur mangelnden Bedeutsamkeit der Zeugenaussagen wies der Gerichtshof darauf hin, daß die drei Zeugen (U, S und P), die die relevanten Behauptungen der Mitbeteiligten bestätigten, nach dem Inhalt ihrer Aussagen ihr Wissen schon aus Mitteilungen der Mitbeteiligten vor ihrer Auswanderung im Jahre 1938 bezogen hätten, die damals belangte Behörde aber keinen Grund dafür anführe, warum die Mitbeteiligte den Zeugen schon damals die Unwahrheit mitgeteilt haben solle. Daß die Zeugen unglaubwürdig seien, sage die damals belangte Behörde in der Bescheidbegründung nicht. Sie führe auch nicht an, daß die bezüglichen Behauptungen der Mitbeteiligten schon in sich widersprüchlich seien und daher gegen ihre Glaubwürdigkeit sprächen. Das sei auch nicht aktenkundig. Gehe man allerdings vom letzten Stand der Behauptungen der Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren aus, wonach Dr. B am 22. Juni 1938 emigriert sei, den Behörden die Beziehungen der Mitbeteiligten zu ihm erst im August oder September 1938 auf Grund einer Anzeige ihrer Stiefmutter bekannt geworden seien und erst danach die behaupteten Vernehmungen und die Mitteilungen des Dr. Z erfolgt seien, so könnte zwar die schon am 30. Juni 1938 erfolgte Beendigung ihres Dienstverhältnisses als Sekretärin, die sich also acht Tage nach der Emigration von Dr. B zu einem Zeitpunkt ereignet habe, zu dem ihren eigenen Behauptungen nach noch keine Anzeichen einer objektiv begründeten Gefahr einer konkreten politischen Verfolgung bestanden habe, ein Indiz dafür sein, daß sie schon damals den Auswanderungswillen gehabt habe und ihre spätere Auswanderung nicht aus den von ihr genannten, sondern aus anderen Gründen (z. B. Visabeschaffung) "freiwillig" (wegen Dr. B, wie die Zeugin K bekundet habe) erfolgt sei. Ohne Erörterung dieser Frage könne aber nicht von vornherein die obgenannte Version der Geschehensabläufe entsprechend dem letzten Stand der Behauptungen der Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren als in sich widersprüchlich und daher unglaubwürdig abgetan werden.

Dies erweist, daß es sich bei den von der Beschwerdeführerin als "Aufträge des Verwaltungsgerichtshofes" bezeichneten Darlegungen im Vorerkenntnis um eine Auseinandersetzung mit der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der damals belangten Behörde gehandelt hat. Die nunmehr belangte Behörde hat aber vor dem Hintergrund der auf das Schreiben des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes an die Einspruchsbehörde vom 18. Mai 1987 gestützten Feststellungen über die Verfolgung von Personen jüdischer Abstammung und solcher Personen, die Menschen jüdischer Abstammung unterstützten, in der ersten Zeit nach dem 12. März 1938 die von der Mitbeteiligten und den Zeugen Dr. B, U und S bekundeten Geschehensabläufe, die für eine Auswanderung der Mitbeteiligten wegen objektiv begründeter Gefahr der politischen Verfolgung sprechen, für erwiesen erachtet, und hiefür auch den Umstand ins Treffen geführt, daß die Mitbeteiligte nicht den Erhalt eines argentinischen Einwanderungsvisums abgewartet, sondern die Ausreise mit Hilfe eines uruguayischen Touristenvisums angetreten habe; demnach hat sie die Ausstellung eines deutschen Reisepasses an die Mitbeteiligte in Hamburg (bei Annahme einer den Namen der Mitbeteiligten enthaltenden Verhaftungs- und Deportationsliste) aus einer zu diesem Zeitpunkt offenbar noch mangelhaft funktionierenden Kommunikation der einzelnen Behörde erklärt und der Beendigung des Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten mit 30. Juni 1938 für die Qualifizierung einer später erfolgten Auswanderung keine Bedeutung beigemessen.

Diese Beweiswürdigung ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes weder unschlüssig noch beruht sie auf einem mangelhaften Verfahren. Die Beschwerdeführerin zeigt nämlich erstens nicht auf, warum entweder die genannten Zeugen unglaubwürdig sein sollten oder ihnen die Mitbeteiligte schon im Jahre 1938 die Unwahrheit mitgeteilt haben sollte. Sie wendet sich zweitens auch nicht gegen die Erwägungen der belangten Behörde zur Erhärtung der Qualifikation der Auswanderung der Mitbeteiligten auf Grund ihres Nichtabwartens des argentinischen Einreisevisums und bekämpft schließlich drittens auch nicht die von der belangten Behörde festgestellte politische Situation im Anschluß an die Besetzung Österreichs im März 1938 in bezug auf Personen, die in engeren Beziehungen zu Juden standen. Demnach und unter Beachtung der Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Dezember 1987 (auf eine Anfrage der Einspruchsbehörde vom 30. November 1987), es könne die Frage, ob anläßlich der Ausstellung eines deutschen Reisepasses im Oktober 1938 in Hamburg mit einer österreichischen Polizeidienststelle Kontakt aufgenommen werden mußte, nach heutigem Wissenstand nicht dezidiert beantwortet werden, vermag die Paßerteilung auch unter Beachtung des oben genannten Schreibens des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, wonach die Ausreise von nichtjüdischen deutschen Staatsangehörigen an die entsprechenden Ausreisedokumente der Behörden gebunden war, wobei in der Regel die Gestapo eingeschaltet wurde, und ein auf einer Liste für die Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau stehender Staatsangehöriger mit Gewißheit weder solche Ausreisedokumente (Paß mit entsprechenden Stempeln) noch eine Emigrationsgenehmigung erhalten hätte, - gleichgültig, ob damals die Kommunikation der einzelnen Behörden noch mangelhaft funktionierte, oder ob im Einzelfall eine Kommunikation unterlassen wurde, - nicht eine Unschlüssigkeit der Würdigung der Aussagen der genannten Zeugen sowie jener der Mitbeteiligten erkennen. Deshalb ist es auch bedeutungslos, ob die belangte Behörde in der Tat zunächst vom Bestehen einer Verhaftungs- oder Deportationsliste mit dem Namen der Mitbeteiligten ausgegangen ist, ob es sich bei der von der Mitbeteiligten genannten Liste (am 21. Mai 1968 brachte sie vor, Dr. Z habe zu ihr gesagt, sie sei schon "auf der Liste der Leute, die sie abholen kommen", um eine der im Schreiben des Dokumentationsarchives genannten Listen gehandelt hat und ob die Ausführungen der belangten Behörde zur Reichskristallnacht in dem von der Beschwerdeführerin gemeinten Sinn zu verstehen sind (diese Ausführungen können nämlich auch so verstanden werden, daß sich die Mitbeteiligte durch ihre Auswanderung vor den Folgen der Ausschreitungen dieser Nacht geschützt hat, ohne daß die belangte Behörde damit sagen wollte, die Mitbeteiligte habe dies beabsichtigt).

Was schließlich die Einwände gegen die Würdigung der Aussage der Zeugin K und der Beendigung des Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten mit dem 30. Juni 1938 durch die belangte Behörde betrifft, so vermögen sie schon deshalb keine Unschlüssigkeit der Würdigung der Aussagen der übrigen Zeugen und der Mitbeteiligten darzutun, da selbst dann, wenn die Mitbeteiligte ursprünglich - noch vor einer objektiven Gefahr einer politischen Verfolgung - den Entschluß gefaßt haben sollte, Dr. B in die Emigration zu folgen, die dann erfolgte überstürzte Auswanderung ihren Grund in der inzwischen eingetretenen objektiven Gefahr einer politischen Verfolgung gehabt haben könnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 19. September 1989

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