VwGH 87/08/0081

VwGH87/08/00817.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und Senatspräsident Dr. Liska sowie die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer‑Blaschka, über die Beschwerde der FB‘s Nachfolger Ing. S Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Wolf‑Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Februar 1987, Zl. MA 14‑B 1/87, betreffend Beitragsvorschreibung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15‑19), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §49 Abs3 Z1 Satz2 idF 1973/031
ASVG §49 Abs4
ASVG §49 Abs4 idF 1973/031

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1987080081.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 17. Oktober 1986 wurde die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 und 3 leg. cit. in Verbindung mit §§ 44 und 49 ASVG, § 62 Abs. 2 AlVG sowie § 13 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, § 19 Abs. 4 des Arbeiterkammergesetzes, § 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Wohnungsbeihilfen bis zum Ende des Beitragszeitraumes Dezember 1983 und § 5 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages verpflichtet, für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1986 Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von S 155.535,32 an die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse zu entrichten.

Im daraufhin erhobenen Einspruch der Beschwerdeführerin heißt es, daß dieser gegen den Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 17. Oktober 1986, „mit welchem die seitens unserer Gesellschaft im Zeitraum bis 31.5.1985 in kollektivvertraglicher Höhe bezahlten Trennungsgelder an Gastarbeiter im Gesamtbetrag von S 383.423,-- der Sozialversicherungspflicht unterzogen wurden“, erhoben wird. Die Beschwerdeführerin beantragte in diesem Einspruch die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides mit der Gutschrift der zu Unrecht vorgeschriebenen Beiträge und Umlagen im Gesamtbetrag von S 155.535,32 und führte zur Begründung aus, daß die strittigen Trennungsgelder in Höhe von S 383.423,-- ausschließlich in kollektivvertraglicher Höhe entrichtet worden seien und ausschließlich Beitragszahlungen bis einschließlich 31. Mai 1985 betroffen hätten. Demnach sei hinsichtlich der Beurteilung der Beitragspflicht dieser Trennungsgelder die damalige Rechtslage anzuwenden, wonach auf Grund der Ermächtigung des § 49 Abs. 4 ASVG der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit Rundbrief vom 21. Juli 1983, veröffentlicht in der „Sozialen Sicherheit“, in kollektivvertraglicher Höhe gewährte Trennungsgelder im Baugewerbe als nicht der Beitragspflicht unterliegend festgestellt habe. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984 sei die einschränkende Wortfolge des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG „kollektivvertragliche Regelungen“ mit Wirkung zum 31. Mai 1985 aufgehoben worden, womit bis zum Aufhebungsstichtag, mit Ausnahme des Anlaßfalles, altes Recht anzuwenden sei. Demnach sei die Einbeziehung der in kollektivvertraglicher Höhe bis zum 31. Mai 1985 bezahlten Trennungsgelder in Höhe von S 383.423,-- in die Sozialversicherungsbemessungsgrundlage rechtswidrig erfolgt, womit die Beschwerdeführerin um Stattgebung ihres Einspruches ersuche.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 17. Oktober 1986 gemäß § 66 Abs. 4 ASVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Zusätzlich wurde gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG festgestellt, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 und 3 leg. cit. in Verbindung mit §§ 44 und 49 ASVG, § 62 Abs. 2 AlVG sowie § 13 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, § 19 Abs. 4 des Arbeiterkammergesetzes, § 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Wohnungsbeihilfen bis zum Ende des Beitragszeitraumes Dezember 1983 und § 5 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages verpflichtet sei, für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1986 Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von S 155.535,32 an die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse zu entrichten. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zunächst u.a. die Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG (nur) in der bis 31. Mai 1985 geltenden Fassung BGBl. Nr. 31/1973, nicht aber in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 205/1985, die gemäß ihrem Art. V Abs. 1 mit 1. Juni 1985 in Kraft trat, zitiert. Anschließend heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß im Gegenstande auf Grund der Aktenlage feststehe, daß die Beschwerdeführerin an die in der Anlage zum erstinstanzlichen Bescheid genannten Dienstnehmer (Gastarbeiter) in den Jahre 1984 und 1985 Trennungsgelder bezahlt, von diesen jedoch keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. Unbestritten sei, daß die genannten Dienstnehmer im Inland aufgenommen worden seien, auf Wiener Baustellen gearbeitet und in Wien gewohnt hätten. Die belangte Behörde sei der Auffassung, daß die an die Dienstnehmer ausbezahlten Trennungsgelder keine Vergütungen für den mit Arbeiten außerhalb des Betriebes verbundenen Mehraufwand darstellten und somit nicht durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßte Aufwendungen des Dienstnehmers seien, die als beitragsfrei zu behandeln wären. Zu den Einspruchsangaben sei auszuführen, daß nach Ansicht der belangten Behörde die Feststellungen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem sonstigen Wortlaut des § 49 ASVG interpretiert werden könnten. Nach Ansicht der belangten Behörde seien aber im vorliegenden Fall durch die Trennungsgelder keine durch dienstliche Verrichtungen veranlaßte Aufwendungen der Dienstnehmer abgegolten worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der angefochtene Bescheid in seinem gesamten Inhalt angefochten und dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Die Beschwerdeführerin erklärt, sich in ihrem Recht auf Stattgebung des Einspruches und Feststellung der für bezahlte Trennungsgelder zu entrichteten Beiträgen und Umlagen in einer Höhe von S 0,-- in eventu auf richtige Bemessung der hiefür zu entrichtenden Beiträge und Umlagen verletzt zu erachten. Nach dem Beschwerdevorbringen habe sich die Rechtslage im Zeitraum vom Jänner 1984 bis September 1986 mehrfach geändert. Der angefochtene Bescheid sei insofern inhaltlich rechtswidrig, als damit pauschal eine Beitragspflicht in Höhe von S 155.535,32 für den Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1986 ausgesprochen werde, ohne jedoch hinsichtlich der Entstehung dieser Beitragspflicht zeitlich zu differenzieren. Dies sei jedoch unerläßlich, da spätestens mit Inkrafttreten der amtlichen Verlautbarung Nr. 13/1985 des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (Beginn des Beitragszeitraumes, in den der auf die Verlautbarung in der „Sozialen Sicherheit Nr. 2/1985“ nächstfolgende Monatserste fällt), also März 1985, für alle Sozialversicherungsträger und Behörden verbindlich festgestellt worden sei, daß Trennungsgelder in gewissen festgelegten Höhen nicht zum Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 und 2 ASVG gehörten und damit auch nicht sozialversicherungsbeitragspflichtig seien. Über die entsprechende Relevierung dieses Faktums im Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse habe sich die belangte Behörde ohne sachliche Auseinandersetzung hinweggesetzt, sodaß schon aus diesem Grund der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Obzwar im Einspruch der Beschwerdeführerin vorgebracht werde, daß Trennungsgelder in Höhe von S 383.423,-- an Gastarbeiter im Zeitraum bis 31. Mai 1985 bezahlt worden seien, fehle im angefochtenen Bescheid jegliche Feststellung über den der Beitragspflicht zugrundegelegten Auszahlungsbetrag an Trennungsgeldern, sodaß der angefochtene Bescheid auch deshalb inhaltlich rechtswidrig sei, weil er rechnerisch nicht nachvollziehbar sei. Darüber hinaus spreche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid über die Höhe der Beitragspflicht nicht für einen Zeitraum bis 31. Mai 1985, sondern bis 30. September 1986 ab. Dabei werde auf die durch die 41. Novelle zum ASVG in das Sozialversicherungsrecht eingeführte neue gesetzliche Regelung des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG überhaupt nicht eingegangen, wodurch der angefochtene Bescheid neuerlich mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet werde. Für den Zeitraum bis 31. Mai 1985 komme die (vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobene) Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 205/1985 für die gegenständliche Angelegenheit zum Tragen, wonach unter „Tages- und Nächtigungsgelder“ auch auf Grund von Kollektivverträgen gezahlte Trennungsgelder gefallen seien. Jedenfalls sei die belangte Behörde an die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 53 vom 5. März 1965 verlautbarte Feststellung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gebunden gewesen, wonach die streitgegenständlichen Zahlungen nicht zum beitragspflichtigen Entgelt gehörten. Diese Feststellung sei im Sinne des § 49 Abs. 4 ASVG verbindlich gewesen, weil im gegenständlichen Fall nicht die durch den Verfassungsgerichtshof bereinigte Rechtslage, sondern die ursprüngliche auf Grund der 29. ASVG‑Novelle zur Debatte stehe. Für den Zeitraum ab März 1985 sei die im Heft „Soziale Sicherheit Nr. 2/1985“ verlautbarte Feststellung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, die gleichfalls gemäß § 49 Abs. 4 ASVG verbindlich sei, zu beachten. Diese Feststellung schaffe ‑ wie schon der Name sage ‑ nicht neues Recht, sondern lege die Rechtslage deklarativ (allerdings mit Bindungswirkung zur Beseitigung allfälliger Zweifelsfragen) fest.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse verpflichtete mit ihrem erstinstanzlichen Bescheid vom 17. Oktober 1986 die Beschwerdeführerin zur Entrichtung von Beiträgen und Umlagen für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1986.

Es liegt aber die prozessuale Situation vor, daß schon der Einspruch der Beschwerdeführerin auf den Zeitraum bis einschließlich 31. Mai 1985 bzw. auf die vorgeschriebenen Beiträge von den bis zu diesem Zeitpunkt bezahlten Trennungsgeldern beschränkt war. Die Beschwerdeführer bekämpfte die Beitragspflicht im Betrag von S 155.535,32 aus Zahlungen, von denen behauptet wurde, sie seien bis 31. Mai 1985 erfolgt. Nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 17. Oktober 1986 sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin den betreffenden Dienstnehmern „in den Jahren 1984 und 1985“ Trennungsgelder gezahlt habe. Entsprechend dem Beschwerdevorbringen seien ab Juni 1985 die Trennungsgelder, die an diese Dienstnehmer bezahlt worden seien, der Sozialversicherungspflicht unterzogen worden. Im angefochtenen Bescheid wird festgestellt, daß „für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1986 Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von 155.535,32 S“ zu entrichten seien.

Durch diese Bestätigung des überschießenden Zeitraumes vom 1. Juni 1985 bis 30. September 1986 wurde aber die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt, weil aus diesem Zeitraum ohnedies keine Beitragspflicht resultiert. Jedenfalls kann der Verwaltungsgerichtshof aus der dargelegten prozessualen Situation nicht erkennen, daß die Beitragsvorschreibung in der Höhe von S 155.535,32 auch solche Trennungsgelder betrifft, die von der Beschwerdeführerin für die Zeit nach dem 31. Mai 1985 bezahlt wurden. Ansonsten hätte sich die belangte Behörde damit auseinandersetzen müssen, wann die Trennungsgelder, für die im angefochtenen Bescheid die Beitragspflicht festgestellt wurde, tatsächlich gezahlt wurden.

Aus diesen Erwägungen betrifft die gegenständliche Beitragsvorschreibung in der Höhe von S 155.535,32 die von der Beschwerdeführerin vor dem 1. Juni 1985 bezahlten Trennungsgelder in der Höhe von S 383.423,--. Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ob diese für den Zeitraum vor dem 1. Juni 1985 gemachte Beitragsvorschreibung rechtmäßig ist oder nicht.

Nach der Auffassung der Beschwerdeführerin habe vor diesem Zeitpunkt keine Beitragspflicht für Trennungsgelder bestanden, während die belangte Behörde auf die Frage der zeitlichen Verschiedenheit deshalb nicht einging, weil nach ihrer Rechtsmeinung sowohl vor als auch nach dem 31. Mai 1985 bzw. 1. Juni 1985 Beitragspflicht für diese Art von Trennungsgeldern gegeben gewesen sei.

Für die rechtliche Beurteilung der gegenständlichen Angelegenheit ist bloß die Rechtslage vor dem 1. Juni 1985 maßgebend. Die Beschwerdeführerin behauptet, ihren Dienstnehmern solche kollektivvertraglich vorgesehene Trennungsgelder gezahlt zu haben, die auf Grund der gemäß § 49 Abs. 4 ASVG jeweils geltenden Feststellung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger beitragsfrei gewesen seien. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, daß die von der Beschwerdeführerin ausbezahlten Trennungsgelder keine Vergütung für einen Mehraufwand darstellten, der mit Arbeiten außerhalb des Betriebes verbunden gewesen sei, sondern lediglich für einen Mehraufwand, der durch Arbeiten außerhalb des Wohnsitzes entstanden sei. Die Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG sei ‑ nach Meinung der belangten Behörde ‑ auf Vergütungen beschränkt, die für den mit Arbeiten außerhalb des Betriebes verbundenen Mehraufwand geleistet werden müßten.

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984, VfSlg. Nr. 10 089, wurde der zweite Satz im § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, sowie die Wortfolge „oder kollektivvertraglicher Regelungen“ im § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des 31. Mai 1985 in Kraft.

Da die vorliegende Angelegenheit kein Anlaßfall war, ist von der Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz ASVG in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG auszugehen.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG in der für den im maßgebenden Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 31. Mai 1985 geltenden Fassung der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, galten als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 nicht Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten wurden (Auslagenersatz); hiezu gehörten insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)Heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt wurden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht überstiegen. Unter Tages- und Nächtigungsgeldern fielen auch die auf Grund von Kollektivverträgen oder Arbeits(Betriebs)ordnungen, sofern diese im Rahmen von Kollektivverträgen vorgesehen waren, gezahlten Vergütungen für den mit Arbeiten außerhalb des Betriebes verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen u.ä.

Nach § 49 Abs. 4 in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, kann der Hauptverband nach Anhörung der Interessensvertretungen der Dienstnehmer und Dienstgeber feststellen, ob und in welchem Ausmaß Bezüge, die in kollektivvertraglichen Regelungen vorgesehen und als Bezüge im Sinne des Abs. 3 Z. 1, 2, 6 oder 11 bezeichnet sind, als nicht zum Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 3 gehörend gelten. Derartige Feststellungen sind in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit“ zu verlautbaren und für alle Sozialversicherungsträger und Behörden verbindlich.

In der vorliegenden Angelegenheit wird von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt, daß für den maßgebenden Zeitraum vor dem 31. Mai 1985entsprechende kollektivvertragliche Regelungen und Feststellungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in Geltung standen.

Auch das Ausmaß der diesen Vorschriften entsprechenden beitragsfreien Zulagen ist nicht strittig. Die belangte Behörde verneint vielmehr die Beitragsfreiheit dieser Trennungsgelder als solche.

Bei Gewährung von im § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz ASVG (in der Fassung vor der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juni 1984, VfS1g. Nr. 10 089) angeführten Vergütungen im Rahmen der kollektivvertraglichen Sätze erübrigt sich eine Prüfung durch den Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörde, ob und inwieweit sie dem tatsächlichen Aufwand entsprechen. Eine solche Prüfung könnte ‑ nicht im Einzelfall, sondern generell ‑ nur durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auf Grund der ihm durch § 49 Abs. 4 ASVG erteilten Ermächtigung erfolgen, nach Anhörung der Interessenvertretungen der Dienstgeber und Dienstnehmer mit verbindlicher Kraft festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die in kollektivvertraglichen Regelungen vorgesehenen und als Bezüge im Sinne des Abs. 3 Z. 1, 2, 6 oder 11 bezeichneten Beträge als nicht zum Entgelt gehörend zu gelten haben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1958, Slg. Nr. 4762/A).

Die Art des Zustandekommens lohngestaltender Vorschriften durch eine Vereinbarung zwischen den Interessensvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer bieten im allgemeinen die Gewähr dafür, daß die Bezeichnung einer in der Vereinbarung festgesetzten Zulage zum Grundlohn der Zweckbestimmung dieser Zulage entspricht. Der Gesetzgeber hat aber nicht übersehen, daß bei der Vielfalt der in lohngestaltenden Vereinbarungen vorgesehenen Zulagen und Zuwendungen Zweifel auftreten könnten, ob tatsächlich in allen Fällen die Bezeichnung dieser Zulagen und Zuwendungen einen verläßlichen Schluß dahingehend zuläßt, daß allein schon auf Grund dieser Bezeichnung die Beitragsfreiheit im Sinne der in Betracht kommenden Bestimmungen des § 49 Abs. 3 ASVG gegeben sei. Er hat daher in der Vorschrift des § 49 Abs. 4 ASVG festgesetzt, daß der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nach Anhörung der Interessensvertretungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber feststellen kann, ob und in welchem Ausmaß Bezüge, die in kollektivvertraglichen Regelungen vorgesehen sind, als nicht zum Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 gehörend gelten, welche Feststellungen im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ zu verlautbaren und sodann für alle Versicherungsträger und Behörden verbindlich sind. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger kann im Grunde der Vorschrift des § 49 Abs. 4 ASVG sowohl eine positive als auch eine negative Feststellung treffen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1965, Sig. Nr. 6729/A).

In der vorliegenden Beschwerdeangelegenheit wurden die verfahrensgegenständlichen Trennungsgelder unbestritten auf Grund von kollektivvertraglichen Regelungen, denen auch die als Verordnung zu qualifizierenden Feststellungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht entgegenstanden, bezahlt. Deshalb waren diese Trennungsgelder auf Grund der damaligen Gesetzeslage, die für diese Zeit durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984 unangreifbar wurde, gemäß § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz ASVG in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, beitragsfrei. Wegen der Gewährung dieser Vergütungen im Rahmen von kollektivvertraglichen Regelungen stand der belangten Behörde eine Prüfung, ob und inwieweit sie dem tatsächlichen Aufwand entsprachen, nicht zu.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 7. Dezember 1989

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