VwGH 85/07/0088

VwGH85/07/00884.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Janystin, über die Beschwerde der österreichischen Bundesforste in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1, Singerstraße 17 - 19, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Februar 1985, Zl. LAS-417/2-84, betreffend Ablösung von Holzbezugsrechten (mitbeteiligte Parteien: 1) Gemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister, 2) Raiffeisenkasse W, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:

Normen

Servitutenregulierungsurkunde Waidring 1869 Pkt2;
Servitutenregulierungsurkunde Waidring 1869 Pkt3;
WWSGG §13;
WWSGG §15;
WWSLG Tir 1952 §26 Abs1 litb;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4;
Servitutenregulierungsurkunde Waidring 1869 Pkt2;
Servitutenregulierungsurkunde Waidring 1869 Pkt3;
WWSGG §13;
WWSGG §15;
WWSLG Tir 1952 §26 Abs1 litb;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat den Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und den beiden mitbeteiligten Parteien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren der belangten Behörde und der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Servitutenregulierungsurkunde vom 23. Juli 1869, Nr. 12349/337, stehen dem "Schusterhäusl", dessen Miteigentümer (zu unterschiedlichen Anteilen) die nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Parteien sind und zu dem die in der Liegenschaft EZ. 400 II KG W vorkommenden Grundstücke (Bp. 26 Wohnhaus und Gp. 434 Flurstück) gehören, jährliche Brennsowie Bau- und Nutzholzbezugsrechte auf bestimmten Grundstücken der beschwerdeführenden Partei zu.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1984 wies das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, welches mit Bescheid vom 13. September 1984 das Servitutenregulierungsverfahren eingeleitet hatte, gemäß § 38 in Verbindung mit § 26 des Wald- und Weideservitutengesetzes, LGuVBl. für Tirol Nr. 21/1952 (WWSG), den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ablösung der zuvor genannten Holzbezugsrechte als unbegründet ab.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, welche mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Februar 1985 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) in Verbindung mit § 38 Abs. 2 und § 26 Abs. 1 lit. b WWSG abgewiesen wurde. Begründend wies die Rechtsmittelbehörde nach einer Darlegung des vorangegangenen Verwaltungsgeschehens darauf hin, daß der Gutsbestand der berechtigten Liegenschaft seit der Urkundenherstellung keine Änderung erfahren habe, das ursprüngliche Bauobjekt jedoch teilweise abgetragen bzw. umgebaut worden sei und nun einen Gebäudebestand darstelle, worin die Erstmitbeteiligte mit ihren Amtsräumen und die Zweitmitbeteiligte untergebracht seien und sich überdies einige Wohnungen befänden, während es sich bei der Gp. 484 in der Natur um eine Parkanlage mit Denkmal handle. Die beschwerdeführende Partei vertrete die Auffassung, daß die Einforstungsrechte für das Schusterhäusl entbehrlich geworden wären, weil Objekt und Gutsbestand den ehemals landwirtschaftlichen Charakter verloren hätten und heute ganz anderen Zwecken dienten; bei Beurteilung der Frage, ob die Nutzungsrechte dauernd entbehrlich wären - was gemäß § 26 Abs. 1 lit. b WWSG zu deren Ablösung führte -, käme es allein darauf an, ob das Schusterhäusl heute noch einen Landwirtschaftsbetrieb darstellte. Dem könne sich der Landesagrarsenat nicht anschließen. Es sei vom urkundlichen Rechtsbestand auszugehen. Nach dem Wortlaut der Servitutenregulierungsurkunde sei das Holzbezugsrecht ausdrücklich zugunsten des Schusterhäusls und nicht zum Zweck der Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes festgestellt worden. Punkt III. der genannten Urkunde gebe ausdrücklich an, daß der Holzbezug zur Herstellung und Instandhaltung "der eingeforsteten Gebäulichkeiten" diene. Der Servitutsurkunde sei keine Bestimmung zu entnehmen, wonach der Servitutsholzbezug nur zum Zweck der Führung und Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes einreguliert worden wäre. Im übrigen seien nicht nur landwirtschaftliche Anwesen, sondern auch nichtlandwirtschaftliche Güter eingeforstet, wie das Vicariatshaus und die Schule nach Punkt II. der Urkunde. Aus dieser ergebe sich überdies kein Hinweis darauf, daß das Holzbezugsrecht dann entbehrlich wäre, wenn das urkundliche Objekt wie auch die urkundlichen Grundstücke den landwirtschaftlichen Charakter verloren haben sollten. Gegenüber dem urkundlichen Baubestand sei die Bausubstanz auf den berechtigten Grundstücken wesentlich vergrößert worden, die Gebäulichkeiten wiesen besten Bauzustand auf. Der konkrete nachhaltige Bau- und Brennholzbedarf dürfte sich durch die wesentliche Vergrößerung der Objekte sogar erhöht haben. Das urkundliche Ausmaß der eingeforsteten Liegenschaft sei mit 1037 m2 vollkommen gleich geblieben. Daß es sich beim Schusterhäusl um einen Landwirtschaftsbetrieb gehandelt haben müsse, sei im übrigen eine unbewiesene Behauptung. Das zeige schon das geringe Flächenausmaß, welches vielmehr darauf hindeute, daß schon zur Zeit der Urkundenerstellung nicht von der alleinigen Zweckwidmung des Schusterhäusls als Landwirtschaftsbetrieb ausgegangen worden sei; nach den in der Rechtsprechung erarbeiteten Merkmalen habe es sich bei der urkundlichen Größe des Schusterhäusls um keinen solchen gehandelt. Bei der Beschreibung der berechtigten Objekte zu Punkt II. der Servitutsurkunde sei dort, wo Einforstungsrechte zugunsten eines landwirtschaftlichen Betriebes bestanden hätten - anders als beim Schusterhäusl - der landwirtschaftliche Gutsbestand durch die Aufzählung der vielen Grundstücke benannt worden. Im übrigen sei es früher durchaus üblich gewesen, auch Kleinhäusler oder bürgerliche Wohnhäuser einzuforsten. Aber selbst dann, wenn man mit der beschwerdeführenden Partei eine Widmungsänderung annehmen wolle, werde der aufrechte Bestand eines laufenden Holzbezugsrechtes nicht allein durch eine allfällige Änderung der Widmung oder der Bausubstanz oder eine gänzliche Erneuerung der notwendigen Gebäude oder deren Verlegung an einen anderen Platz berührt. Zu einer Verminderung im Baubestand oder in der Größe der urkundlich berechtigten Liegenschaft sei es im Beschwerdefall hingegen nicht gekommen.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bekämpft, wobei sich die beschwerdeführende Partei nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Ablösung der besagten Nutzungsrechte verletzt erachtet.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Parteien erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten. Die beschwerdeführende Partei gab hiezu ihrerseits eine Äußerung ab, auf welche die erstmitbeteiligte Gemeinde mit einer Stellungnahme erwiderte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob in bezug auf die betroffene eingeforstete Liegenschaft gemäß § 26 Abs. 1 lit. b WWSG die Voraussetzungen für eine Ablösung der in Rede stehenden Nutzungsrechte wegen dauernder Entbehrlichkeit für das berechtigte Gut erfüllt sind.

Einforstungsrechte bestehen zugunsten bestimmter Grundstücke (Liegenschaften), auch bezugsberechtigter Baulichkeiten (§ 10 lit. d WWSG); das Gesetz spricht gleichermaßen von berechtigten Gütern. Deren Bedarf ist - auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Ablösung - am regulierten Umfang und Bestand sowie den sonst festgelegten Modalitäten, und dies im Rahmen des Gesetzes, zu messen.

Das berechtigte Gut der mitbeteiligten Partei ist, verglichen mit dem Stand zur Zeit der Regulierung 1869 nach Lage der Verwaltungsakten jedenfalls flächenmäßig unverändert geblieben, die eingeforstete Baulichkeit, die ihm den Namen gegeben hat, wurde in der Zwischenzeit teilweise abgetragen und umgebaut, wobei die Bausubstanz zugenommen hat.

Die beschwerdeführende Partei sieht darin sowie in der weiter oben beschriebenen heutigen Funktion der Baulichkeit und im Fehlen einer landwirtschaftlichen Nutzung der ganzen Anlage die Entbehrlichkeit der in Frage stehenden Nutzungsrechte. Sie meint, das berechtigte Gut habe zur Zeit der Errichtung der Regulierungsurkunde den Charakter eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes besessen - das in diesem Zusammenhang erstmals im Beschwerdeverfahren behauptete Detail, der Bau habe früher auch eine Dreschtenne umfaßt, muß als Neuerung unberücksichtigt bleiben; da das berechtigte Gut nun kein bäuerliches Anwesen mehr darstelle, sei der urkundliche Verwendungszweck verlassen worden; dies komme dem Untergang des berechtigten Gutes gleich.

Daß das Holzbezugsrecht im Beschwerdefall vom Bestand eines landwirtschaftlichen Betriebes abhängig wäre, ergibt sich indessen aus den von der beschwerdeführenden Partei geäußerten Vermutungen nicht und ist weitgehend bereits im angefochtenen Erkenntnis entkräftet worden. Wenn eingangs der Servitutenregulierungsurkunde von den begünstigten "Gutsbesitzern" die Rede ist, läßt sich auch daraus nicht, wie die beschwerdeführende Partei nun ferner meint, ableiten, daß die Nutzungsberechtigung an das Bestehen eines landwirtschaftlichen (bäuerlichen) Gutes gebunden gewesen wäre; denn unter jenen werden alle Inhaber der nach der Urkunde berechtigten Objekte schlechthin verstanden, und zu letzteren zählen nach deren Absatz II. auch solche wie das "Vicariatshaus der Gemeinde W" und die "Schule der Gemeinde W", Güter, denen zweifellos der Charakter eines landwirtschaftlichen Betriebes fehlt. Dazu kommt, daß der Holzbezug, wie im angefochtenen Erkenntnis dargelegt, den Bestimmungen der Regulierungsurkunde zufolge (Absatz III.1.) der Herstellung und Instandhaltung (unter anderem) "der eingeforsteten Gebäulichkeiten/:Absatz II:/" ohne Festlegung einer spezifischen Verwendung derselben (für landwirtschaftliche Zwecke) dienen soll. Daran ändert nichts, daß zum "Schusterhäusl" auch ein - inzwischen abgelöstes - Weiderecht im Ausmaß zweier Grasrechte und ein ebenfalls abgelöstes Streubezugsrecht gehört hat, weil auch ein seinerzeit insoweit gegebener Anspruch keine bindende Zweckwidmung des eingeforsteten Gebäudes in sich schloß, welches seinerseits im Vordergrund der Berechtigung stand, wie schon der Name Schusterhäusl zeigt, im Gegensatz zu vielen anderen, als "-gut", "-gütl" oder "- anwesen" in der Regulierungsurkunde bezeichneten berechtigten Objekten. Ebensowenig ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß das Nutzungsrecht vom Bestand einer früher vorhandenen Schusterwerkstatt - über eine solche werden erstmals im Beschwerdeverfahren Vermutungen geäußert - abhängig gewesen wäre.

Auch aus dem Hinweis in der Beschwerde auf § 4 Abs. 4 WWSG läßt sich für jene nichts gewinnen; nach dieser Norm haben die Berechtigten für die ihnen gesetzlich freigestellte Weiterverwendung der Holz- und Streumengen keinerlei Entschädigung an die Verpflichteten zu leisten, jedoch die notwendigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Zäune auch dann in wirtschaftsfähigem Zustande zu erhalten, wenn diese Verpflichtung in der Regulierungsurkunde nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Die Vorschrift regelt somit nur unter der - nicht in jedem Fall gegebenen (vgl. neuerlich etwa die schon erwähnte eingeforstete Schule) - Voraussetzung, daß vorhandene Wohn- und Wirtschaftsgebäude ihrer Widmung nach einen "wirtschaftlichen" Zustand besitzen müssen, die entsprechende Verwendung der Holzmengen; dies gilt mit der näheren Bestimmung, daß die Erhaltung des beschriebenen - andernfalls des sonst erforderlichen (und soweit durch Holz herstellbaren) baulichen - Zustandes (bzw. die Folgen einer ihn berührenden Unterlassung) nur die "notwendigen" (also nicht etwa andere noch vorhandende) Objekte betrifft.

Bauliche Änderungen als solche an (zum notwendigen Bestand gehörigen) eingeforsteten Baulichkeiten sind, soweit sich die Holznutzung auf sie bezieht und die Bausubstanz nicht auf Dauer kleiner geworden ist, noch kein Grund für eine Ablösung, und es dient gerade auch das Bauholz der - so im Beschwerdefall - (nicht nur erstmaligen) "Herstellung" (ohne Verbot einer Abweichung) der eingeforsteten Gebäulichkeiten (Absatz III.1. der Urkunde).

Der Verwaltungsgerichtshof kann somit nicht finden, daß die belangte Behörde zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, im Beschwerdefall seien die bezeichneten Nutzungsrechte für das berechtigte Gut nicht als dauernd entbehrlich geworden zu betrachten.

Da sich die Beschwerde deshalb als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft in Hinsicht der belangten Behörde den den gesetzlichen Vorlageaufwand übersteigenden Betrag sowie einen von den mitbeteiligten Parteien beanspruchten Ersatz nicht (im Sinn des § 48 Abs. 3 Z. 3 VwGG) entstandener Reisekosten.

Wien, am 4. April 1989

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