Normen
AVG §33 Abs4
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
KAG Wr 1987 §54 Abs3
KAG Wr 1987 §54 Abs5
KAG 1957 §30
KAG 1957 §32
VwGG §36 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988180050.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei solche in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die nach ihren Angaben im Schriftsatz an den Magistrat der Stadt Wien vom 21. März 1986 Pflegegebühren, die ihr für einen Spitalsaufenthalt im Hanusch‑Krankenhaus vorgeschrieben worden waren, bereits bezahlt hatte, erhob im nachhinein bei der Wiener Gebietskrankenkasse als Rechtsträgerin des genannten Krankenhauses „Einwendungen“ gegen die „vorgeschriebenen Pflegegebühren in der Höhe von S 19.900,--“, und zwar mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1985. In der Folge beharrte sie in mehreren Schreiben an die Wiener Gebietskrankenkasse auf der Vorlage dieser „Einwendungen“ an den Magistrat der Stadt Wien.
Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den nn Wiener Gemeindebezirk vom 20. Juni 1986 wurden diese Einwendungen „gegen die Rechnung der Wiener Gebietskrankenkasse, Hanusch‑Krankenhaus, vom 19. Dezember 1985, im Sinne des § 41 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 lit. a des Wiener Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 1/1985“, zurückgewiesen. In der Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes im wesentlichen ausgeführt, daß wegen bereits erfolgter Bezahlung der Pflegegebühren eine Zahlungsaufforderung gar nicht mehr habe ergehen können, so daß die Einwendungen gegen eine nicht existierende Zahlungsaufforderung zurückzuweisen gewesen seien.
Über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid entschied die Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 2. September 1987, zugestellt der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 14. September 1987, im Sinne der Bestätigung des Erstbescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der einzigen Maßgabe, daß der offenbare Schreibfehler im Spruch des Erstbescheides „LGBl. Nr. 1/1985“ auf „LGBl. Nr. 1/1958“ richtiggestellt werde. In der Begründung wurde ausgeführt, daß gemäß § 54 des Wiener Krankenanstaltengesetzes (WKAG) in der Fassung der Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 23/1987, der dem § 41 in der alten Fassung entspreche, zur Einbringung der Pflegegebühren eine Zahlungsaufforderung auszufertigen sei. Eine solche Zahlungsaufforderung setze daher das Bestehen eines Rückstandes voraus. Im vorliegenden Fall sei aber kein Rückstand vorgelegen, weil die Beschwerdeführerin die offenen Pflegegebühren offensichtlich unmittelbar nach Ausstellung der Rechnung, jedenfalls aber noch am selben Tag (ergänze: die Rechnung ist mit 19. Dezember 1985 datiert) gezahlt habe. Daher seien die Einwendungen gegen die nicht existierende Zahlungsaufforderung mit Recht zurückgewiesen worden.
Der Erlassung dieses Berufungsbescheides war ein Säumnisverfahren zu Zl. 87/09/0125 des Verwaltungsgerichtshofes vorangegangen, weil die belangte Behörde nach den Angaben der Beschwerdeführerin mit der Erledigung der Berufung gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den nn Bezirk vom 20. Juni 1986 säumig gewesen war. Der Verwaltungsgerichtshof hatte über die am 6. Mai 1987 eingebrachte Säumnisbeschwerde am 12. Mai 1987 das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde eine Frist von drei Monaten im Sinne des § 36 Abs. 2 VwGG zur Nachholung des versäumten Berufungsbescheides gesetzt. Diese Frist begann am 5. Juni 1987 zu laufen, wäre somit am 5. September 1987 abgelaufen. Am 31. August 1987 ersuchte ein Beamter der belangten Behörde den Berichter des Verwaltungsgerichtshofes telefonisch um Fristverlängerung, welche der Berichter im Ausmaß von einer Woche ebenso telefonisch bewilligte. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wurde von dieser Fristverlängerung nicht verständigt. Die säumige und hier belangte Behörde legte am 11. September 1987 dem Verwaltungsgerichtshof eine Ausfertigung des versäumten Bescheides vor; die Zustellung dieses Bescheides an die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin erfolgte am 14. September 1987. Die vom Berichter um eine Woche verlängerte Frist wäre am Samstag, dem 12. September 1987, abgelaufen, gemäß § 33 Abs. 2 AVG 1950 (§ 62 Abs. 1 VwGG) hatte als letzter Fristtag jedoch Montag, der 14. September 1987 zu gelten. Mit Beschluß vom 14. September 1987 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wegen rechtzeitiger Nachholung des versäumten Bescheides gemäß § 36 Abs. 2 VwGG ein.
Gegen den mehrfach erwähnten Berufungsbescheid vom 2. September 1987 richtet sich die vorliegende, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin. Die Unzuständigkeit der belangten Behörde wird darin erblickt, daß die Erlassung des versäumten Bescheides nicht innerhalb der (ursprünglichen) Dreimonatsfrist erfolgte, weshalb die belangte Behörde zur Bescheiderlassung nicht mehr zuständig gewesen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Den gleichen Antrag stellte die mitbeteiligte Partei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Rüge der Unzuständigkeit der belangten Behörde ist nicht begründet, weil der vorerwähnte Einstellungsbeschluß vom 14. September 1987 nämlich materielle Rechtskraft bewirkte u.a., dahin, daß das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG, somit wegen Nachholung des versäumten Bescheides innerhalb gesetzter Frist, eingestellt wurde.
Aber auch die Rechtsrüge vermag nicht zu überzeugen.
Hat die Berufungsbehörde, wie im vorliegenden Fall, über eine verfahrensrechtliche Entscheidung der Erstbehörde (Zurückweisung der Einwendungen) eine bestätigende Entscheidung gefällt, so hat sie sehr wohl in der Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 entschieden, weil die Sache eben die verfahrensrechtliche Frage darstellt, ob gegen eine nicht erlassene Zahlungsaufforderung Einwendungen im Sinne des § 54 Abs. 3 WKAG neuer Fassung erhoben werden können. Der zureichend begründeten Rechtsansicht der Erstbehörde und der belangten Behörde setzt die Beschwerdeführerin nur ihre nicht weiter begründete Rechtsansicht entgegen, die Zustellung einer Rechnung könne nur als Zahlungsaufforderung verstanden werden. Damit ist sie aber im Unrecht, weil unter Zahlungsaufforderung im Sinne des § 54 Abs. 3 leg. cit. nur eine formalisierte Entscheidung mit dem im § 54 Abs. 2 leg. cit. näher genannten Inhalt verstanden werden kann, nicht aber die bloße Vorlage einer Rechnung. Letztere würde ja schon aus formalen Gründen keinen Exekutionstitel darstellen, wie ihn eine formelle Zahlungsaufforderung gemäß § 54 Abs. 5 leg. cit. darstellt. Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 25. April 1988
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