VwGH 88/13/0009

VwGH88/13/00097.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Mag. Wimmer, über die Beschwerde der HW und des MW, beide in E, beide vertreten durch Dr. Franz Marschall, Rechtsanwalt in Wien I, Goldschmiedgasse 8/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. November 1987, GZ 6/3-3410/87, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167;
BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §21 Abs2 Z2;
EStG 1972 §23 Z2;
EStG 1972 §4 Abs4;
UStG 1972 §2 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Ehegatten. Für die Streitjahre ermittelte jeder von ihnen gesondert den Gewinn für "seinen landwirtschaftlichen Betrieb" nach Durchschnittssätzen.

Anläßlich einer 1986 für die Jahre 1982 bis 1984 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer unter anderem die Auffassung, es handle sich nicht um zwei getrennt geführte Betriebe, sondern vielmehr um einen einheitlichen, in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht geführten landwirtschaftlichen Betrieb. Diese Ansicht stützte der Betriebsprüfer auf folgende Feststellungen:

1. Hofstelle HW

Bis 1983 sei eine eigene Einstell- und Lagermöglichkeit für landwirtschaftliche Maschinen und Betriebsmittel nicht gegeben gewesen. Im genannten Jahr sei ein Schuppen mit rund 100 m2 Nutzfläche errichtet worden, der jedoch zum Einstellen des Maschinenparks und zur Lagerung der Betriebsmittel des Betriebsteiles der Ehegattin "nur bedingt geeignet ist und eher eine Alibifunktion erfüllt".

2. 1977 sei mittels eines Teilungsvertrages das im gemeinsamen Besitzstand befindliche landwirtschaftliche Grundvermögen auf die Beschwerdeführer aufgeteilt worden. Die beantragte bewertungsrechtliche Aufteilung habe jedoch versagt werden müssen, "zumal die erforderlichen Kriterien für zwei landwirtschaftliche Betriebe nicht vorlagen".

3. Hofstelle MW

In den Gebäuden dieser Hofstelle seien auch "sämtliche der HW gehörenden Maschinen abgestellt".

Die Lagerung der Vorräte (Saatgut, Spritzmittel etc.) erfolge für beide Betriebsteile an dieser Hofstelle.

4. Seit einem Unfall im Jahr 1982 sei MW zur Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten (vor allem Maschinenarbeiten) im "Betriebsteil HW" nicht mehr in der Lage. Diese Arbeiten würden ausschließlich von seinem Sohn erledigt, der jedoch sozialversicherungsrechtlich im Betriebsteil MW "als mittätig gemeldet ist".

5. Das Mißverhältnis der Erträge bei der Körnerfrüchten und das Mißverhältnis beim Betriebsaufwand (Treibstoff, Pflanzenschutzmittel) zwischen den beiden Betriebsteilen weise auf eine gemeinwirtschaftliche Vermarktung und Führung eines gemeinsamen Betriebes hin.

6. Für 1984 sei ein Düngemitteleinkauf durch den Betriebsteil HW nicht nachgewiesen worden.

7. Eine tatsachen- und periodengerechte Abrechnung der gegenseitig erbrachten Lieferungen und Leistungen erfolge nicht. Aufzeichnungen hiefür fehlten.

Die Feststellungen der Betriebsprüfung wurden von den Beschwerdeführern anläßlich der Schlußbesprechung am 14. Mai 1986 unter Rechtsmittelverzicht anerkannt, worauf das Finanzamt die entsprechenden Bescheide erließ. In der Folge beantragten die nunmehr steuerlich vertretenen Beschwerdeführer bei der belangten Behörde diese erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 299 BAO aufzuheben. Mit Bescheid vom 29. Juni 1987, GZ GA 4-1532/3/87, entsprach die belangte Behörde diesem Begehren.

In der Folge ermittelte das Finanzamt die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft auf Grund der Pauschalierungsverordnungen und erließ neue Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1982 bis 1984 für die M und HW Gesellschaft nach bürgerlichem Recht.

Innerhalb offener Frist erhoben die Beschwerdeführer gegen diese Bescheide Berufung, in welcher sie im wesentlichen folgendes ausführten:

Das Finanzamt gehe von der Annahme aus, daß die Beschwerdeführer einen landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht betrieben. Grund für diese Ansicht bildeten die im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen, "nach denen die von dem Ehepaar behauptete Führung zweier getrennter Einzelbetriebe nicht dem wahren Sachverhalt entspreche".

Zur steuerlichen Anerkennung von Familiengesellschaften sei der Nachweis des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und ein nach außen gerichtetes Auftreten Voraussetzung, "um mißbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden".

Es sei wohl gewiß, daß im Falle zweier Gewerbebetriebe die Feststellung der Betriebsprüfung, sinngemäß angewendet, nicht ausreichen würde, "die Finanzbehörde zu überzeugen, es läge eigentlich eine Innengesellschaft vor, mit allen steuerlichen Konsequenzen".

Warum "die vorgenannte Rechtsübung bei landwirtschaftlichen

Betrieben nicht gilt, ... hat die Finanzbehörde nicht erläutert".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und in der Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Trotz des seinerzeit abgegebenen Rechtsmittelverzichtes seien die Beschwerdeführer zur Einbringung einer Berufung berechtigt, weil in den "nun ergangenen" erstinstanzlichen Bescheiden, die Höhe der Bemessungsgrundlagen von jener, die in der den Rechtsmittelverzicht enthaltenden Niederschrift ausgewiesen sei, abweiche.

In dem vorliegenden Rechtsmittel würden weder die festgestellten Sachverhalte noch die vorgenommene Berechnung der Einkünfte in Frage gestellt. Es würde "als Einwand lediglich die Umkehrung von vom Verwaltungsgerichtshof zur Erkennung von ‚Familiengesellschaften' aufgestellte Kriterien" vorgebracht.

Nun sei zwar richtig, daß nach Auffassung des Gerichtshofes zur "Erkennung" und daher "Anerkennung" einer familienhaften Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ein "Gesellschaftsvertrag" und ein "nach außen gerichtetes Auftreten" gegeben sein müsse. Nirgends werde aber dargetan, daß bei "klar erkennbar unbestritten gegebenen, eine Gesellschaft nach bürgerlichen Recht

dokumentierenden Verhältnissen, nun auch diese zwei ... genannten

Kriterien vorzuliegen hätten, um erst damit das Vorliegen einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht postulieren zu können". Die Beschwerdeführer verwechselten Erkennungskriterien mit Voraussetzungskriterien.

Sämtliche - unbestrittenen - Feststellungen der Betriebsprüfung, zeigten deutlich, eine derartige Verflechtung "beider" landwirtschaftlicher Betriebe, "daß nur ein einziger Betrieb tatsächlich vorliegt, sodaß auch konkludent das Vorliegen eines entsprechenden Vertragsverhältnisses unterstellt werden muß".

Gegen die Höhe der festgestellten Gewinne sei nichts vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verwaltungsverfahren bekämpften die Beschwerdeführer die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, es handle sich nicht um zwei getrennt geführte Betriebe, sondern um einen einheitlichen, in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht geführten Betrieb, lediglich mit dem Argument, Verträge zwischen nahen Angehörigen seien nach der bisherigen Verwaltungsübung und Rechtsprechung steuerlich nur dann anzuerkennen, wenn sie nach außen hin ausreichend zum Ausdruck kämen. Eine derartige Voraussetzung läge aber im Beschwerdefall nicht vor.

Der belangten Behörde ist beizustimmen, wenn sie diesbezüglich sinngemäß zu dem Schluß gelangt, daß die Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen allein eine Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise der Finanzverwaltung nicht darzutun vermögen; denn wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 1988, Zl. 85/13/0218, ausgesprochen hat, haben die von ihm für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien ihre Bedeutung ausschließlich im Rahmen der Beweiswürdigung. Sie kommen daher nur in Fällen zum Tragen, in welchen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen. Im Beschwerdefall ist daher zu prüfen, ob die Feststellungen des Betriebsprüfers, auf welche allein sich die belangte Behörde stützt, ausreichen, um zu dem Schluß zu gelangen, daß die Beschwerdeführer nicht zwei getrennte Betriebe, sondern einen einheitlichen Landwirtschaftsbetrieb in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht führen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, zu denen auch Gesellschaften nach bürgerlichem Recht gehören, sind dann Unternehmer, wenn sie selbständig sind und durch gewerbliche oder berufliche Leistungen nach außen hin in Erscheinung treten (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 2 Tz 27).

Gemäß § 188 Abs. 1 BAO werden unter anderem einheitliche und gesonderte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind.

Die wesentlichen Elemente eines Mitunternehmers sind das Entwickeln einer Unternehmerinitiative und die Übernahme eines Unternehmerrisikos. Unternehmerinitiative entfaltet, wer auf das betriebliche Geschehen Einfluß nehmen kann. Das Unternehmerrisiko besteht vor allem in der Haftung für Gesellschaftsschulden, die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie die Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1988, Zl. 86/13/0082, und die dort angeführte Literatur).

Im Beschwerdefall mangeln den Feststellungen des Betriebsprüfers, welche die Basis für die Entscheidung der belangten Behörde darstellen, konkrete Auseinandersetzungen einerseits mit jenen Kriterien, die für die Bejahung der Unternehmereigenschaft der von der Finanzverwaltung angenommenen Gesellschaft nach bürgerlichem Recht sprechen und andererseits mit jenen Kriterien, die die Bejahung einer Mitunternehmerschaft der Beschwerdeführer zulassen würden; denn zum einen bieten die Ermittlungsergebnisse der Betriebsprüfung keinen zuverlässigen Anhaltspunkt dafür, daß beide Beschwerdeführer gemeinsam nach außen hin in Erscheinung getreten sind und zum anderen geht die Finanzverwaltung auf Umstände, auf Grund welcher sie unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Gesichtspunkte (Unternehmerinitiative, Unternehmerrisiko) auf eine Mitunternehmerschaft der Beschwerdeführer schließt, konkret überhaupt nicht ein.

Im Hinblick auf diese Darlegungen erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beilage nur in einer Ausfertigung vorgelegt wurde.

Wien, am 7. Dezember 1988

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