VwGH 88/04/0102

VwGH88/04/010222.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des E K in I, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria‑Theresien‑Straße 38, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. März 1988, Zl. IIa‑19.494/2, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §366 Abs1 Z1
GewO 1973 §9 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988040102.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Oktober 1987 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

„Sie haben es in Ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der von Ihnen und Herrn HU, geb. 1942, wh. in Innsbruck, A‑Straße 28b, gebildeten Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zu verantworten, daß durch diese Gesellschaft in den Standorten Innsbruck, S‑Weg 21, und in Innsbruck, A‑Straße 28d, in der Zeit vom 28.7.1985 bis 17.7.1987 und des weiteren vom 28.7.1985 bis 17.7.1986 in Innsbruck, K 36, und vom 18.7.1986 bis 17.7.1987 in Innsbruck, S 75, das Stukkateurgewerbe i.S. des § 94 Ziff. 76 der Gewerbeordnung 1973 durch die gewerbsmäßige Anbringung von Ornamenten an Bauwerken ausgeübt wurde, ohne daß Sie über die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung i.S. des § 94 Ziff. 76 GewO (Stukkateurgewerbe) verfügten.“

Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung des § 366 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 94 Z. 76 GewO 1973 begangen und es werde über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1972 eine Geldstrafe von S 8.000,‑‑ (Ersatzarreststrafe 8 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, auf Grund der unzweifelhaften und unbestritten gebliebenen Ausführungen im Bericht des Städtischen Erhebungsamtes vom 17. Juli 1987 sowie auf Grund der vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme vorgebrachten Darlegungen nehme die Behörde als erwiesen an, daß durch die mehrfach erwähnte Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, deren Gesellschafter der Beschwerdeführer gewesen sei, das Stukkateurgewerbe ausgeübt worden sei. Sowohl aus dem Bericht des Städtischen Erhebungsamtes vom 17. Juli 1987 als auch aus der vorerwähnten Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 17. September 1987 gehe hervor, daß durch die angeführte Gesellschaft nach bürgerlichem Recht im Zusammenhang mit der Ausübung der einschlägigen Tätigkeiten das entsprechende Betriebsrisiko getragen worden sei, zumal der Beschwerdeführer selbst ausgeführt habe, daß zwischen ihm und Josef H keinerlei Angestelltenverhältnis bestehe und daß er selbst alle im Zusammenhang mit der Durchführung der gegenständlichen Tätigkeit anfallenden Regien anteilig zu tragen habe, ebenso wie auch die diesbezüglich anfallenden Steuern und ferner, daß auch die Abrechnung zwischen den drei erwähnten Personen so erfolge, daß nach Durchführung der Aufträge das erhaltene Geld zwischen ihnen zu drei gleichen Teilen aufgeteilt werde. Über eine hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung habe der Beschwerdeführer während des in Rede stehenden Zeitraumes nicht verfügt.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 10. März 1988 keine Folge. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, die Behörde habe außer acht gelassen, daß er freier Mitarbeiter des Josef H gewesen sei, der über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt habe. Auf Grund dieses Umstandes erscheine seine Tätigkeit gewerberechtlich gedeckt. Auf ein Angestelltenverhältnis, auf das die Behörde abstelle, komme es dabei nicht an. Maßgeblich sei lediglich, ob der Beschwerdeführer gewerberechtlich im eigenen Namen aufgetreten sei. Dies sei selbst nach der Feststellung der Behörde zu verneinen. Tatsächlich habe er niemals einen Auftrag angenommen bzw. im eigenen Namen durchgeführt, er habe auch niemals etwa Zeitungsannoncen plaziert, in denen er seine Gewerbedienste angeboten hätte; vielmehr seien sämtliche Aufträge lediglich für Josef H durchgeführt worden. Der Umstand, daß er die mit den Durchführungstätigkeiten angefallenen Regien anteilig zu tragen habe, betreffe nur das privatrechtliche Innenverhältnis und habe auf gewerberechtliche Belange keinen Einfluß.

Allein die Tatsache, daß auch Josef H nach den Feststellungen der Behörde diese Regien anteilig zu tragen habe, sei doch ein deutliches Indiz dafür, daß er nicht eigenverantwortlich bzw. im eigenen Namen gehandelt habe. Wenn jedoch im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einer der Gesellschafter über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfüge, dann seien die von den anderen Gesellschaftern in Form eines freien Mitarbeitervertrages verrichteten Arbeiten gewerberechtlich jedenfalls gedeckt. Hiezu sei auszuführen, daß eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1175 ABGB) im Bereich des Gewerberechtes nicht als gewerberechtsfähige Personenverbindung angesehen werden könne. Bei Vorliegen einer solchen Gesellschaft bedürfe jeder der Gesellschafter, der ja in ihrem Namen eine wirtschaftliche selbständige Tätigkeit entfalte, einer eigenen Gewerbeberechtigung. Bei einer gemeinsamen Tätigkeit mehrerer Gesellschafter einer derartigen Erwerbsgesellschaft bedürfe somit ‑ unabhängig davon, wer im Rahmen dieser Gesellschaft die Leistung selbst tatsächlich erbringe ‑ jeder Gesellschafter einer eigenen Gewerbeberechtigung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach‑ und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, im Beschwerdefall stehe einer Bestrafung schon der Umstand der eingetretenen Verjährung entgegen. Als erste Verfolgungshandlung sei die an ihn am 27. August 1987 gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung anzusehen. Allfällige Verwaltungsübertretungen vor dem 27. Februar 1987 wären demnach im Hinblick auf die sechsmonatige Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 verjährt. Im Hinblick auf den Zeitraum Juli 1985 würde darüber hinaus auch bereits Vollstreckungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 3 VStG 1950 vorliegen. Jedenfalls sei aber der individualisierte Vorwurf, in der Zeit vom 28. Juli 1985 bis 17. Juli 1986 in Innsbruck unrechtmäßig ein Gewerbe ausgeübt zu haben, verjährt. Des weiteren sei der spruchmäßige Vorwurf, die in Rede stehende gewerbliche Tätigkeit zur gleichen Zeit an verschiedenen Standorten ausgeübt zu haben, denkunmöglich und daher widersprüchlich. Des weiteren wird vorgebracht, die belangte Behörde habe nicht ausreichend erhoben und auch keine entsprechenden Feststellungen darüber getroffen, welches Vertragsverhältnis tatsächlich zwischen den in Rede stehenden Personen vorgelegen habe und um welche Gesellschaftsform es sich bei der angeführten „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ tatsächlich gehandelt habe.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung ‑ die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,‑‑ oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist ‑, wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 11. April 1980, Zl. 2161/78, unter Hinweis auf seine dort dargestellte Rechtsprechung dargelegt hat, können Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht als juristische Personen im Sinne des § 9 Abs. 1 GewO 1973 angesehen werden und sind auch keine Personengesellschaften des Handelsrechtes. Zufolge des sich schon darnach ergebenden Mangels einer Gewerberechtsfähigkeit kann aber eine Gewerbeausübung in bezug auf eine derartige Erwerbsgesellschaft nicht dieser, sondern nur unmittelbar ihren Mitgliedern zugerechnet werden, von denen nach der vorangeführten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung jedes einer eigenen Gewerbeberechtigung bedarf.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage dem Beschwerdeführer die angenommene unbefugte Gewerbeausübung „durch diese Gesellschaft“ ‑ und somit einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts ‑ durch Übernahme des dahin lautenden Spruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses vorwarf, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher schon im Hinblick darauf gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens ist damit entbehrlich.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, 22. November 1988

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