VwGH 87/08/0027

VwGH87/08/002721.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des Ing. EN in G, vertreten durch Dr. Franz Huber, Rechtsanwalt in Traun, Neubauerstraße 20/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Dezember 1986, Zl. 5-212 Nu 2/8-1986, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §28;
AZG §7;
VStG §27 Abs1;
AZG §28;
AZG §7;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Punkt 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 25. November 1985 sprach der Magistrat der Stadt Graz aus, der Beschwerdeführer habe als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der "B-Baugesellschaft m.b.H." mit dem Standort Linz, S-straße 21, und der weiteren Betriebsstätte in Graz, A-straße 176, laut Strafantrag des Arbeitsinspektorates Graz vom 5. Dezember 1984, die Arbeitnehmer 1.) Herrn JG am 11. September 1984 11, am 12. September 1984 12 und am 13. September 1984 11,5 Stunden, 2.) Herrn FT am 17. September 1984 10,5, am 18. September 1984 11,5, am 19. September 1984 11,5, am 20. September 1984 11,5 und am 21. September 1984 12,5 Stunden auf der Baustelle "X" beschäftigt gehabt, obwohl gemäß dem Bescheid des Arbeitsinspektorates Graz vom 26. Juni 1984, ... a) eine tägliche Gesamtarbeitszeit von 10 Stunden und b) eine wöchentliche Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden bewilligt worden seien; er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 5 AZG in Verbindung mit Punkt

1.) und 2.) des genannten Bescheides begangen. Gemäß § 28 Abs. 1 AZG werde gegen ihn eine Geldstrafe von ad 1.) S 1.000,--, ad 2.a)

S 1.000,--, b) S 500,--, somit insgesamt S 2.500,-- zugunsten der Stadt Graz verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe trete an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von zu 1.) 3 Tagen, zu 2.a) 3 Tagen, b) 3 Tagen, somit insgesamt 9 Tagen. Der Bestrafte habe gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens S 250,-- zu bezahlen.

Mit dem über Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis ergangenen angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:

"1.) Das zitierte Straferkenntnis wird hinsichtlich Punkt

2.) a) und Punkt 2.)b) gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG 1950, BGBl. Nr. 172, mit der Maßgabe bestätigt

a) daß der Genannte jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 9 erster Satz Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl. Nr. 461/1969 in der Fassung BGBl. Nr. 2/1975, in Verbindung mit § 7 Abs. 5 leg. cit. und mit dem Bescheid des Arbeits-inspektorates Graz vom 24. Juni 1984, GZl. 2090/143-11/84, sowie § 28 AZG begangen und

b) daß der Bestrafte gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v.H. der verhängten Strafen, d. s. zu 2.)a) 100 S und zu 2.)b) 50 S zu bezahlen hat.

Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 10 v.H. der verhängten Geldstrafen zu leisten und demgemäß - zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten - zu 2.)a) 100 S und zu 2.)b) 50 S zu bezahlen.

2.) Das Strafverfahren betr. die zu 1.) angeführte Verwaltungsübertretung wird gemäß § 45 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 31 Abs. 2 VStG 1950 eingestellt."

Gegen Punkt 1.) dieses Bescheides wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer unter anderem geltend, daß es dem Magistrat Graz an der örtlichen Zuständigkeit zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemangelt habe, da als Tatort Linz anzusehen sei. Die belangte Behörde hätte daher das Straferkenntnis erster Instanz mangels Zuständigkeit dieser Behörde aufheben müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zur Zuständigkeitsfrage ausführte, es handle sich hiebei um eine Neuerung. Die belangte Behörde sei allerdings nicht der Meinung, daß die für den Hauptbetrieb örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde das Strafverfahren durchzuführen gehabt habe, weil es sich im Gegenstand um eine im Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Graz eingetragene Zweigniederlassung der B-Gesellschaft m.b.H. mit dem Standort in Graz, somit um ein selbständiges Unternehmen, handle. Der Magistrat Graz habe daher offensichtlich - im Sinne des sonstigen Vorbringens des Beschwerdeführers - angenommen, daß die Direktiven von der Geschäftsleitung in Graz ausgingen, was sich im Berufungsverfahren durch die Aussage des Zeugen Ing. H, die Weisungen seien vom Prokuristen N erteilt worden, als richtig herausgestellt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist (u.a. bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten) Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz der Tatort dort anzunehmen, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen, und fällt dieser Ort, wenn eine solche Unterlassung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen, auch wenn das Unternehmen in Filialen gegliedert ist und die Arbeitszeitüberschreitung durch den Arbeitnehmer im örtlichen Bereich einer Filiale begangen wurde (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0231, und vom 26. März 1987, Zl. 87/08/0031). Der Umstand, daß eine Zweigniederlassung - entsprechend den registerrechtlichen Bestimmungen - im Handelsregister eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragenen Geschäfte selbständig besorgt (vgl. dazu Hammerle-Wünsch, Handelsrecht 1, 174 ff), ändert an der örtlichen Zuständigkeit zur Untersuchung und Bestrafung derartiger Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG 1950 nichts (vgl. das schon angeführte Erkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 87/08/0031).

Unter Bedachtnahme darauf, daß im Tatzeitraum der Sitz des Gesamtunternehmens, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, unbestritten in Linz war, folgt aus diesen rechtlichen Erwägungen, daß der in erster Instanz eingeschrittene Magistrat der Stadt Graz örtlich nicht zuständig war. Daß nach dem Ermittlungsverfahren "die Direktiven von der Geschäftsleitung in Graz" ausgegangen seien, ändert daran deshalb nichts, weil unter diesen Direktiven, wie die belangte Behörde selbst in der Gegenschrift ausführt, "Weisungen" des "Prokuristen N" (der Leiter der Zweigniederlassung Graz war) zu verstehen sind. Der weitere Einwand der belangten Behörde, es handle sich bei diesem Beschwerdevorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, ist deshalb unbegründet, weil der Beschwerdeführer schon im Berufungsverfahren (Seite 7 und 35 des Aktes der belangten Behörde) ausführlich die Struktur des Gesamtunternehmens dargelegt hat, aus der sich unter Beachtung der obigen rechtlichen Grundsätze die örtliche Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Graz zur Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer ergab. Daß er nicht schon im Verwaltungsstrafverfahren, sondern erst in der Beschwerde aus diesem Vorbringen und dem sie bestätigenden Ermittlungsverfahren rechtliche Schlüsse in Richtung auf örtliche Unzuständigkeit der ersten Instanz gezogen hat, ist unter dem Gesichtspunkt des Neuerungsverbotes ohne Belang, da sich letzteres nicht auf neue rechtliche Darlegungen bezieht.

Die belangte Behörde nahm die genannte örtliche Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde nicht wahr und belastete dadurch ihren Bescheid im angefochtenen Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes angeführt wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 21. Jänner 1988

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