VwGH 87/04/0206

VwGH87/04/020616.2.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der KM in D, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, Schulgasse 7/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. September 1987, Zl. 309.380/7-III-3/87, betreffend Vorschreibung einer Bundesverwaltungsabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §57 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §78 Abs1;
AVG §78 Abs4;
AVG §78;
BVwAbgV 1983 §1 Abs1;
BVwAbgV 1983 §3;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §77 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid, der hinsichtlich der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unangefochten unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Vorschreibung eines Betrages von S 40,-- wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1986 erteilte der Landeshauptmann von Vorarlberg der E-AG gemäß §§ 74 ff GewO 1973 und § 27 Arbeitnehmerschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle auf der Grundparzelle 1947/3, KG X, nach Maßgabe der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Gleichzeitig schrieb der Landeshauptmann der Konsenswerberin die Entrichtung von Bundeswaltungsabgaben und Kommissionsgebühren vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, aus deren Anlaß der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie (nunmehr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) am 17. Juni 1986 eine mündliche Verhandlung in Verbindung mit einem Augenschein vornahm. Mit Bescheid vom 16. Juli 1986 gab der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie der Berufung durch Vorschreibung einer weiteren Auflage und Ergänzung der Projektbeschreibung teilweise Folge. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1986 sprach der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie aus, die Beschwerdeführerin habe gemäß § 78 Abs. 1 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 1 Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983, TP 4, für die am 17. Juni 1986 aufgenommene Niederschrift des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie den Betrag von S 40,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution einzuzahlen. Der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Vorstellung gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Bescheid vom 17. September 1987 "in Stattgebung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" keine Folge. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, gemäß § 78 Abs. 4 AVG 1950 seien die Bundesverwaltungsabgaben von der in der Sache in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben. Unter Behörde erster Instanz sei hiebei nicht die im betreffenden Aufbau organisatorisch die erste Instanz darstellende, sondern die in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit meritorisch als erste Instanz in Betracht kommende Behörde zu verstehen; diese könne gegebenenfalls auch eine Behörde organisatorisch höherer Instanz sein, z. B. der Landeshauptmann oder ein Bundesminister, wenn sie in der betreffenden Angelegenheit meritorisch in erster Instanz zuständig war. Hinsichtlich der Einhebung der Bundesverwaltungsabgabe zu der Verhandlungsschrift, die im Rahmen der Augenscheinsverhandlung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie aufgenommen worden sei, sei somit der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie als erste Instanz zuständig. Anlaß für die Entrichtung der Verwaltungsabgabe sei die Abfassung der Niederschrift vom 17. Juni 1986 und nicht der Spruch im Ministerialbescheid vom 16. Juli 1986 gewesen. Es liege somit nicht ein Fall des § 3 Abs. 1, sondern eine res sui generis vor. Wie sich aus der Berufung der Beschwerdeführerin vom 22. Jänner 1986 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. Jänner 1986 ergebe, sei unter anderem der Antrag gestellt worden, die Berufungsbehörde möge allenfalls selbst eine Augenscheinsverhandlung anberaumen, alle zur Entscheidung erforderlichen Gutachten einholen und sodann den Antrag auf Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage abweisen. Nach Auffassung des Bundesministers sei somit die Durchführung einer Augenscheinsverhandlung und die notwendigerweise damit verbundene Abfassung einer Niederschrift als wesentlich im Privatinteresse liegende Amtshandlung anzusehen, auch wenn der Berufung nur teilweise Folge gegeben worden sei. Dies ergebe sich unter anderem daraus, daß in der betreffenden Verhandlungsschrift Anträge der Beschwerdeführerin protokolliert worden seien, die letztendlich sogar zur Behebung des Ministerialbescheides vom 16. Juli 1986 durch den Verwaltungsgerichtshof geführt hätten. Im übrigen vertrete der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Auffassung, die Durchführung einer Augenscheinsverhandlung, verbunden mit der Aufnahme einer Niederschrift, könne nur auf Grund einer Berufung von Parteien erfolgen und die Berufung einer Partei stelle einen wesentlich in ihrem Privatinteresse liegenden Verfahrensschritt dar. Die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben sei auch in Fällen zulässig, in denen die Partei auf die Amtshandlung der Behörde einen Rechtsanspruch besitze, da die Anerkennung dieses Rechtsanspruches zweifellos im Parteiinteresse gelegen sei und weiters die Partei zur Entrichtung der festgesetzten Verwaltungsabgabe auch dann verpflichtet sei, wenn die im Sinne ihres Einschreitens vorgenommene Amtshandlung nicht zu dem von ihr angestrebten Ziel geführt hat.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin einerseits in dem Recht, "keine Verwaltungsabgabe für die Niederschrift der belangten Behörde zahlen zu müssen" und andererseits in dem Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit der belangten Behörde vor, entgegen deren Auffassung wäre es gemäß § 78 Abs. 4 AVG 1950 Aufgabe des Landeshauptmannes von Vorarlberg als zuständige Behörde erster Instanz gewesen, die Einhebung der in Rede stehenden Bundesverwaltungsabgabe zu veranlassen. Soweit § 3 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 vorsehe, daß Berufungsbehörden zur Einhebung berechtigt seien, seien die entsprechenden Teile dieser Bestimmung durch das Gesetz offensichtlich nicht gedeckt und daher rechtswidrig; es werde daher allenfalls angeregt, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Bestimmung wegen Gesetzwidrigkeit zu beantragen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin liege nicht der Fall des § 3 Abs. 2 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung vor, sondern jener des Abs. 1. Es liege eine sonstige Amtshandlung im Sinne des Abs. 1 vor, sodaß bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe in jenem Bescheid hätte erfolgen müssen, mit dem ihrer Berufung teilweise stattgegeben worden sei. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerdeführerin vor, sie vertrete die Rechtsauffassung, es liege eine Niederschrift im Sinne der TP A 4 nicht vor. Sie habe ihr entsprechendes Anbringen bereits in der Berufung dargelegt, die sie habe vergebühren müssen. Die Niederschrift habe keineswegs dazu gedient, wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Anbringen aufzunehmen. Diese Niederschrift sei vielmehr im Interesse der Behörde und vor allem der Konsenswerberin aufgenommen worden; die belangte Behörde hätte auch ohne mündliche Berufungsverhandlung über ihre Berufung entscheiden können. § 78 AVG 1950 räume der Behörde bei Auferlegung von Bundesverwaltungsabgaben Ermessen ein, weshalb die belangte Behörde hätte darlegen müssen, wieso sie im vorliegenden Fall gerade der Beschwerdeführerin Bundesverwaltungsabgaben auferlegt habe. Immerhin habe die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben und den Sachverhalt ergänzen müssen. Hätte die Behörde erster Instanz bereits ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt, so hätte sicherlich auf eine Berufungsverhandlung an Ort und Stelle mit Aufnahme einer Niederschrift verzichtet werden können. Die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe auf die Amtshandlung der Behörde einen Rechtsanspruch besessen, was zwingend auch zur Verpflichtung zur Entrichtung der festgesetzten Verwaltungsabgaben führe, werde von der Beschwerdeführerin nicht geteilt. Sie habe einen Rechtsanspruch auf Entscheidung über ihre Berufung besessen, nicht aber auf Durchführung eines Lokalaugenscheins.

Gemäß § 78 Abs. 1 AVG 1950 können den Parteien in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgelegt ist.

Zufolge § 78 Abs. 4 leg. cit. sind die Bundesverwaltungsabgaben von der in der Sache in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand dieser Behörde zu tragen hat.

Nach § 3 Abs. 1 Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 ist die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe in den Spruch des Bescheides aufzunehmen, wenn im Zusammenhang mit der Verleihung einer Berechtigung oder mit einer sonstigen Amtshandlung, für die eine Verwaltungsabgabe zu entrichten ist, ein Bescheid nach § 56 oder § 57 AVG 1950 ergeht. Dies gilt auch für Bescheide der Berufungsbehörden, wenn der Anlaß für die Entrichtung der Verwaltungsabgabe erst durch ihren Bescheid gegeben ist. Liegt dieser Fall nicht vor, so ist nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung die Verwaltungsabgabe, wenn sie nicht ohne weiteres entrichtet wird, durch einen abgesonderten Bescheid nach § 57 AVG 1950 vorzuschreiben.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, aus dieser Rechtslage ergebe sich die Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, nicht anzuschließen. Die Beschwerdeführerin verkennt nämlich den normativen Gehalt des § 74 Abs. 4 AVG 1950, welcher nur die Zuständigkeit zur "Einhebung" der Bundesverwaltungsabgaben regelt. Als "Einhebung" ist aber nur die bloße Entgegennahme der ohne weiteres entrichteten, allenfalls die zwangsweise Hereinbringung der Bundesverwaltungsabgaben zu verstehen, nicht aber auch deren "Vorschreibung" (so auch Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I, Anm. 21 zu § 78).

In Erwiderung auf das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach aus den Bestimmungen des § 59 Abs. 1 AVG 1950 und des § 3 Abs. 1 Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 nicht abgeleitet werden kann, daß die Vorschreibung von Bundesverwaltungsabgaben nicht auch mit abgesondertem Bescheid erfolgen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1960, Slg. N. F. Nr. 5432/A). Da somit jedenfalls die Nichtvorschreibung der in Rede stehenden Bundesverwaltungsabgabe im Bescheid über die Hauptsache nicht zu einem Verlust des diesbezüglichen Anspruches führen konnte und im übrigen die Voraussetzungen des § 57 AVG 1950 vorliegen, ist in der Vorgangsweise der belangten Behörde, die in Rede stehende Bundesverwaltungsabgabe mit (abgesondertem) Bescheid nach § 57 AVG 1950 vorzuschreiben, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Zwar ist dem Gesetz eine ausdrückliche Anordnung darüber, welche Behörde zur Erlassung eines solchen abgesonderten Bescheides zuständig ist, nicht zu entnehmen. Aus § 59 AVG 1950 ist jedoch als allgemeiner Verfahrensgrundsatz die akzessorische Beziehung jedes Kostenabspruches zur Hauptsache und damit die der Zuständigkeit in der Hauptsache folgende Behördenzuständigkeit in Kostensachen abzuleiten. In einem Fall wie dem vorliegenden ist daher für die Erlassung des abgesonderten Bescheides die Zuständigkeit jener Behörde anzunehmen, welche bei Aufnahme in den die Hauptsache erledigenden Bescheid über die Abgabenpflicht abzusprechen berufen gewesen wäre. Daß dies im vorliegenden Fall die belangte Behörde gewesen wäre, bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht.

In der Sache selbst normiert § 78 Abs. 1 AVG 1950 - von dem hier nicht vorliegenden Fall der Verleihung einer Berechtigung abgesehen - als Voraussetzung der Vorschreibung von Bundesverwaltungsabgaben für Amtshandlungen an Parteien, daß diese Amtshandlung wesentlich im Privatinteresse der betreffenden Partei lag.

Bei Beurteilung der Frage, ob und allenfalls in wessen Privatinteresse eine Amtshandlung lag, ist die einzelne Amtshandlung nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang jenes Verfahrens zu sehen, dessen Teil sie bildet.

Im vorliegenden Fall bildete die in Rede stehende Amtshandlung einen Teil des Verfahrens über den Antrag der E-AG auf gewerbebehördliche Genehmigung ihrer Betriebsanlage. Verfahrensziel - auch des Berufungsverfahrens war die Entscheidung darüber, ob und allenfalls mit welchen Auflagen die beantragte Genehmigung zu erteilen war. Diesem Ziel diente auch die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 1986, über die entsprechend der zwingenden Anordnung des § 44 a Abs. 1 AVG 1950 die in Rede stehende Niederschrift aufgenommen wurde. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, die in Rede stehende Niederschrift hätte wesentlich dem Privatinteresse der an diesem Verfahren in ihrer Eigenschaft als Nachbarin beteiligten Beschwerdeführerin gedient, auch wenn diese Niederschrift ohne die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung nicht notwendig geworden wäre (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 3. November 1987, Zl. 87/04/0077).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 16. Februar 1988

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