VwGH 87/01/0157

VwGH87/01/015720.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien VI, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid des Einigungsamtes Wien vom 18. März 1987, Zl. VI Re 135/85-13 (mitbeteiligte Partei: FH in W, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25), betreffend Entlassungsanfechtung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1158;
ABGB §1162;
ABGB §879;
AngG §25;
AngG §27;
ArbVG §105 Abs3 Z2;
ArbVG §106 Abs2;
ArbVG §106;
AVG §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970 §31 Abs3 Z1 litc;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970 §31;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
ABGB §1158;
ABGB §1162;
ABGB §879;
AngG §25;
AngG §27;
ArbVG §105 Abs3 Z2;
ArbVG §106 Abs2;
ArbVG §106;
AVG §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970 §31 Abs3 Z1 litc;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970 §31;
DO.A SozVersTräger Österreichs 1970;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- und der mitbeteiligte Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte stellte am 9. Juni 1986 bei der belangten Behörde den Antrag, der Anfechtung der ihm gegenüber mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 23. Juni 1986 ausgesprochenen fristlosen Entlassung stattzugeben. Die Beschwerdeführerin stütze sich auf § 31 Abs. 3 lit. c DO.A, doch sei die Entlassung nicht berechtigt, da kein Entlassungsgrund vorliege und auch eine Kündigung, die nur nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens zulässig wäre, für den Mitbeteiligten eine soziale "Ungerechtfertigkeit" darstellen würde. Der Betriebsrat der Betriebsstätte, an der der Mitbeteiligte beschäftigt sei, sei vom Ausspruch der Entlassung am 27. Mai 1986 verständigt worden und habe innerhalb der Frist des § 106 ArbVG Widerspruch erhoben, jedoch das Ansuchen des Mitbeteiligten auf Anfechtung der Entlassung abgelehnt, sodaß er selbst zur Anfechtung berechtigt sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Abweisung des Anfechtungsbegehrens und führte aus, der Mitbeteiligte sei "wegen schweren Betruges" gemäß §§ 146, 147 Abs. 2 StGB rechtskräftig verurteilt worden, wobei als erschwerend der relativ hohe Schaden gewertet worden sei. Sie habe von dieser Verurteilung mit Schreiben des Mitbeteiligten vom 16. Mai 1985 Kenntnis erlangt. Sie sei gemäß § 31 Abs. 3 der Dienstordnung für Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) zur Entlassung ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens berechtigt. Angesichts des Status des Mitbeteiligten als "unkündbarer Angestellter", sei eine Kündigung nicht in Betracht gekommen. Eine Kündigung als Disziplinarstrafe sei in der DO.A nicht vorgesehen. Der Beschwerdeführerin sei als öffentlich-rechtlicher Körperschaft die Weiterbeschäftigung eines Angestellten, der des schweren Betruges schuldig erkannt worden sei, nicht zumutbar. Die Entlassung sei sohin "aus wichtigem Grund" erfolgt. Zur Sozialwidrigkeit der Entlassung wurde nichts vorgebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde, die von der Beschwerdeführerin am 23. Juni 1986 ausgesprochene Entlassung des Mitbeteiligten für rechtsunwirksam. Begründend wird ausgeführt, der Mitbeteiligte sei vom 5. Juli 1971 bis 26. Mai 1986 im Krankenhaus der Beschwerdeführerin als Diplomröntgenassistent beschäftigt gewesen. Auf das Dienstverhältnis finde die Dienstordnung für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) Anwendung. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Februar 1986 sei der Mitbeteiligte schuldig erkannt worden, als Beteiligter das Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB begangen zu haben. Hiefür sei er zu einer Geldstrafe von S 18.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden. Das Urteil sei rechtskräftig geworden.

Nach teilweiser Wiedergabe des § 31 DO.A wird in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, die genannte Dienstordnung sehe zwei Möglichkeiten vor, unkündbare Angestellte zu entlassen:

1. durch Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses, 2. ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens, wenn der Angestellte durch ein inländisches Gericht rechtskräftig wegen einer mit Vorsatz begangenen und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt werde. Die übrigen Entlassungstatbestände nach Abs. 3 des § 31 DO.A kämen im Beschwerdefall nicht zur Anwendung. Nach § 27 Z. 5 des Angestelltengesetzes könne der Angestellte entlassen werden, wenn er durch eine längere Freiheitsstrafe oder durch Abwesenheit einer den Umständen nach erheblichen Zeit, ausgenommen wegen Krankheit oder Unglücksfalls, an der Verrichtung seiner Dienste gehindert gewesen sei, sowie nach Z. 6 wenn er sich Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Dienstgeber, dessen Stellvertreter, deren Angehörige oder gegen Mitbedienstete zuschulden kommen lasse. Dies bedeute, daß dem § 27 Angestelltengesetz die Entlassung wegen der Verurteilung einer mit Vorsatz begangenen und mit mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung zu einer Geldstrafe unbekannt sei. Daraus sei zu folgern, daß § 31 DO.A einen Entlassungsgrund enthalte, der im § 27 Angestelltengesetz keine Deckung fände. Nach ständiger Rechtsprechung sei die DO.A einem Kollektivvertrag gleichzuhalten. Kollektivverträge dürften Bestimmungen, die den Angestellten schlechter stellten als das Angestelltengesetz, nicht enthalten, sondern lediglich Bestimmungen, die für den Angestellten günstiger seien, als das auf ihn anzuwendende Angestelltengesetz. An der Anwendbarkeit des Angestelltengesetzes auf das vorliegende Dienstverhältnis könne kein Zweifel bestehen. Die Entlassung wegen der Verurteilung des Mitbeteiligten zu einer Geldstrafe wegen einer mit mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung sei daher unwirksam. Es könne nur die Frage einer Prüfung unterzogen werden, ob die Entlassung des Mitbeteiligten wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt wäre. Diesbezüglich leide aber das Entlassungsverfahren, das die Beschwerdeführerin angestrengt habe, an einem formalen Fehler. Die Beschwerdeführerin habe gegen § 31 Abs. 1 DO.A verstoßen, weil nach dieser Bestimmung unkündbare Angestellte nur auf Grund eines auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnisses entlassen werden könnten. Ein solches Disziplinarerkenntnis sei nicht ergangen. Dem Mitbeteiligten sei nur das Entlassungsschreiben zugeschickt worden. Es erübrige sich daher, darauf einzugehen, ob die Handlungsweise des Mitbeteiligten eine Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt hätte. Dies wäre nur zu prüfen gewesen, wenn ein Disziplinarerkenntnis auf Entlassung gelautet hätte. Die Entlassung, die die Beschwerdeführerin ausgesprochen habe, sei wegen dieses Formfehlers unwirksam. Die Entlassung nach Abs. 3 des § 31 DO.A könne nicht Platz greifen, weil es sich hiebei um eine Bestimmung handle, die dem Angestelltengesetz zuwiderlaufe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) wird vorgebracht:

"Die Beschwerdeführerin fühlt sich in den Bestimmungen der §§ 25, 27 AngG, 31 DO.A (Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs) verletzt."

Die Beschwerdeführerin beantragt Aufhebung des angefochtenen Bescheides und bringt als Beschwerdegründe (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) im wesentlichen vor, dem Dienstgeber könne die Befugnis, einen Entlassungsgrund geltend zu machen, durch kollektivvertragliche Vereinbarung nicht genommen werden, weil dies dem beiderseits zwingenden Charakter der diesbezüglichen Normen widerspreche. Entscheidend sei jedoch, daß die DO.A den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Entlassungsgrund wirksam habe festlegen dürfen, weil die rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 25 AngG darstelle. Die Bediensteten der Sozialversicherungsträger seien inhaltlich der Stellung eines "Beamten" angenähert. Deshalb sei es sachgerecht, daß der Kollektivvertrag die rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Strafgericht mit dem dort beschriebenen schweren Grad als Entlassungsgrund festgelegt habe. Durch § 31 Abs. 3 DO.A werde darüber hinaus nur ein Entlassungsgrund nach § 27 AngG konkretisiert. Schließlich wird als Beschwerdegrund ausgeführt, die Begründung des angefochtenen Bescheides bleibe gleichsam "auf halbem Wege stehen". Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, daß die Entlassung im Sinne des § 106 Abs. 2 (§ 105 Abs. 3 Z. 1 oder 2) ArbVG sozialwidrig sei. Es sei nur über die "arbeitsrechtliche Seite" abgesprochen worden.

Die belangte Behörde hat unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. In erster Linie wird geltend gemacht, die im Beschwerdepunkt von der Beschwerdeführerin bezeichneten Bestimmungen (§§ 25, 27 AngG sowie § 31 DO.A) seien Vorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof nicht zur Entscheidung zuständig sei, sondern die in den Kompetenzbereich der ordentlichen Gerichte gefallen seien. Die Beschwerdeführerin habe "lediglich aushilfsweise" auf § 106 Abs. 2 ArbVG Bezug genommen und in dieser Richtung einen Verfahrensmangel gerügt. Da die Beschwerdeführerin aber unter den Beschwerdepunkten ausschließlich die Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages bezeichnet habe, sei davon auszugehen, daß eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides nur innerhalb der von der Beschwerdeführerin selbst gezogenen Grenzen vorzunehmen sei.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin vor, bei den von ihr als Beschwerdepunkt bezeichneten Bestimmungen handle es sich um solche, die im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde heranzuziehen gewesen seien. Die unrichtige Beurteilung dieser Vorschriften bewirke die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes. Auch habe sie in der Beschwerde die Verletzung des § 106 Abs. 2 ArbVG geltend gemacht. Es sei nicht erforderlich, bei der Bezeichnung der Beschwerdepunkte die Gesetzesstelle zu nennen, weil es genüge, aus dem gesamten Beschwerdevorbringen eindeutig zu erkennen, in welchen konkreten Rechten sich der Beschwerdeführer verletzt erachte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bezeichnung des Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) ist nicht Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von rechtlicher Relevanz, daß es dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen obliegt, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet (vgl. hg. Erkenntnisse vom 27. November 1978, Slg. Nr. 9701/A, und vom 16. Jänner 1984, Slg. N. F. Nr. 11283/A, sowie Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N. F. Nr. 11525/A). Nach dem zuletzt zitierten Erkenntnis wird durch den Beschwerdepunkt der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Vom Beschwerdepunkt zu unterscheiden und mit ihm nicht zu verwechseln sind die Beschwerdegründe des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG und die Aufhebungstatbestände des § 42 Abs. 2 VwGG, an die keine Bindung des Verwaltungsgerichtshofes besteht. Dem Erfordernis des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG der bestimmten Bezeichnung des verletzten Rechtes ist zwar auch dann entsprochen, wenn der Inhalt der Beschwerde insgesamt klar erkennen läßt, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet - dies selbst dann, wenn der Beschwerdeführer sich in der rechtlichen Qualifikation seiner Beschwer irrt-, doch ist der Beschwerdepunkt einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich, wenn der Beschwerdepunkt vom Beschwerdeführer ausdrücklich und unmißverständlich bezeichnet wird (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1984, Slg. N. F. Nr. 11283/A).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage zeigt sich, daß den Ausführungen des Mitbeteiligten Berechtigung zukommt. Hat doch die Beschwerdeführerin den Beschwerdepunkt ausdrücklich und unmißverständlich auf die "Bestimmungen der §§ 25, 27 AngG, § 23 DO.A" beschränkt und die Verletzung der Bestimmung des § 106 Abs. 2 ArbVG nur in den Beschwerdegründen (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) gerügt. Hauptfrage des Verwaltungsverfahrens vor dem Einigungsamt war aber nach der zuletzt genannten Norm nur der Entlassungsschutz des mitbeteiligten Dienstnehmers wegen der von ihm geltend gemachten Sozialwidrigkeit der Entlassung im Sinne des § 105 Abs. 3 ArbVG. Ob der betroffene Arbeitnehmer einen Entlassungsgrund gesetzt hat, ist als Hauptfrage ausschließlich im Kompetenzbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, während sie für das Einigungsamt nur als Vorfrage zu beurteilen ist. Eine sozialwidrige vorzeitige Entlassung ist nicht von vornherein ungültig, sie wird erst durch die erfolgreiche Anfechtung beim Einigungsamt beseitigt (vgl. Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, S. 682). Das Einigungsamt hat daher als Hauptfrage nur zu entscheiden, ob die vorzeitige Entlassung gemäß § 106 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 105 Abs. 3 Z. 1 oder 2 ArbVG sozialwidrig ist. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Entlassung sind für das Einigungsamt Vorfrage im technischen Sinn nach § 38 AVG 1950, sodaß die Entscheidung darüber nicht in einer förmlichen der Rechtskraft fähigen Weise erfolgen kann und das Einigungsamt an rechtskräftige Entscheidungen der ordentlichen Gerichte gebunden ist (vgl. Floretta-Strasser, a.a.O., S. 688 f).

Daraus ergibt sich, daß die Prüfung der Frage der Sozialwidrigkeit der Entlassung durch die ausdrückliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes auf die nur die Vorfrage betreffenden Bestimmungen den Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kognition insoweit beschränkt, als die nur in den Beschwerdegründen geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens in bezug auf die Hauptfrage (Sozialwidrigkeit der Entlassung) nicht aufgegriffen werden kann.

Dies führt allerdings nicht, wie der Mitbeteiligte vermeint, dazu, daß die Beschwerde zurückzuweisen wäre. Vielmehr unterliegt die von der belangten Behörde selbständig vorgenommene Prüfung der Vorfrage der Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes. Unbestritten steht fest, daß die Beschwerdeführerin den Mitbeteiligten ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 31 Abs. 1 der Dienstordnung für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) entlassen hat, weil der Mitbeteiligte durch ein inländisches Gericht rechtskräftig wegen einer mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen verurteilt worden ist (§ 31 Abs. 3 Z. 1 lit. c DO.A). Bei der zitierten Bestimmung handelt es sich um eine kollektivvertragliche Regelung, wie das Einigungsamt richtig erkannt hat (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1980, Zl. 2148/78). Richtig ist aber auch, daß dieser im Kollektivvertrag vorgesehene Entlassungsgrund im § 27 des Angestelltengesetzes keine Deckung findet. Zufolge der nur demonstrativen Aufzählung der Entlassungsgründe im § 27 des Angestelltengesetzes anerkennt zwar das Gesetz auch andere, nicht ausdrücklich im Gesetz genannte wichtige Gründe, die zu einer vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Sie müssen schwerwiegender Natur sein, mit den persönlichen Verhältnissen der Vertragsteile zueinander bzw. ihrem persönlichen Verhalten oder den von ihnen zu erbringenden Leistungen in einem Zusammenhang stehen. Ein Umstand, der objektiv keinen wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung darstellt, kann auch nicht vertraglich zu einem solchen gemacht werden. Derartige Vereinbarungen sind grundsätzlich ungültig. Dies gilt für eine Vermehrung der Entlassungsgründe. Wenngleich diese Gründe nicht taxativ aufgezählt sind, können als weitere wichtige Gründe nur solche Umstände herangezogen werden, die den in den §§ 26 und 27 des Angestelltengesetzes angeführten im wesentlichen gleichwertig oder im Verhältnis zu diesen schwerwiegender, also so gewichtig sind, daß sie die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (vgl. Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz, 6. Auflage, S. 540 f, und die dort zitierte Rechtsprechung des OGH).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage ist der Ausspruch der belangten Behörde, die im Beschwerdefall von der Beschwerdeführerin als Entlassungsgrund herangezogene Bestimmung des § 31 Abs. 3 Z. 1 lit. c DO.A nicht als Entlassungsgrund anzuerkennen, weil sie den Angestellten schlechter stelle, als das auf ihn anzuwendende Angestelltengesetz, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es ist nämlich nicht ohne weiteres festzustellen, daß jeder rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht unter den im Kollektivvertrag vereinbarten Voraussetzungen an sich schon das gleiche Gewicht zukommt wie den im § 27 AngG ausdrücklich genannten Entlassungsgründen. Daher kommt, wie die belangte Behörde zutreffend schließt, die Bestimmung des § 31 Abs. 1 DO.A zur Anwendung, wonach unkündbare Angestellte nur auf Grund eines auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnisses entlassen werden können. Die gegen diese Auffassung vorgetragenen Bedenken der Beschwerdeführerin werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, der sich der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vollinhaltlich anschließt, wonach der Kollektivvertrag dem Arbeitgeber keineswegs die Befugnis nimmt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen im Sinne des § 27 AngG vorzeitig und mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn er ihn lediglich verpflichtet, in solchen Fällen nicht gleich in aller Strenge mit der Entlassungserklärung vorzugehen, sondern damit zunächst die Disziplinarkommission zu befassen. Eine solche Beschränkung des Entlassungsrechtes ist als durchaus zulässig anzusehen (vgl. Entscheidung des OGH in RdW 1985, S. 82 ff).

Die von der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen der Kollektivvertragsparteien der DO.A. sind für die rechtliche Beurteilung der Sache ohne Relevanz. Insbesondere kann auch aus der Rechtsstellung der Bediensteten der Sozialversicherungsträger, die sich inhaltlich der Stellung eines "Beamten" annähern soll, eine Schlechterstellung gegenüber anderen Angestellten nicht abgeleitet werden. Sieht doch auch das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis die Entlassung als Disziplinarstrafe im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 4 B-DG 1979 nicht zwingend als Rechtsfolge einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen bestimmter Tatbestände vor. Beim Zusammentreffen von gerichtlich strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen ordnet § 95 Abs. 1 des genannten Gesetzes an, daß von der Verfolgung abzusehen ist, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichten abzuhalten. Daraus folgt, daß eine strengere Beurteilung von Beamten im Verhältnis zu Angestellten dem Gesetz nicht entnommen werden kann.

Ob ein sonstiger wichtiger Entlassungsgrund im Sinne des § 25 AngG in der vom Mitbeteiligten verübten Tat zu erblicken ist, hat die belangte Behörde aber zu Recht nicht geprüft, weil ein Disziplinarerkenntnis gemäß § 31 Abs. 1 DO.A nicht vorliegt.

Aus diesen Gründen mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Damit erübrigt sich auch der Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführerin, der Beschwerde aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Bundesstempelgebühren mußte abgewiesen werden, weil der Zuspruch nur im Ausmaß der entstandenen Gebührenpflicht erfolgen konnte.

Wien, am 20. Jänner 1988

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