VwGH 85/10/0117

VwGH85/10/011712.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerinnen Dr. Vesely und Dr. Hadaier, über die Beschwerde der F OHG in W, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst) vom 17. Juni 1985, Zl. IV-449.434/4-6/85, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AMG 1983 §1 Abs1 Z5;
AMG 1983 §1 Abs1;
AMG 1983 §1 Abs3 Z1;
AVG §38;
LMG 1975 §1 Abs1;
LMG 1975 §1;
LMG 1975 §2;
LMG 1975 §3;
LMG 1975 §9 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1985100117.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz am 15. Mai 1984 eingelangten Eingabe meldete die Beschwerdeführerin die Produkte S-Pflanzensäfte "Mistel" und "Weißdorn" gemäß § 18 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86, als Verzehrprodukte an. Nach den Aktenunterlagen hat die Behörde bisher das Inverkehrbringen dieser Waren als Verzehrprodukte nicht untersagt.

Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin für die genannten Pflanzensäfte gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 die Zulassung der gesundheitsbezogenen Angabe "altbewährtes Hausmittel".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz dem Antrag nicht Folge.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Pflanzensäfte "Mistel" und "Weißdorn" seien nicht als Hausmittel, sondern als wirksame Arzneimittel zu beurteilen. Es komme daher die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben hiefür begrifflich nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (jetzt: Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben (vgl. Abs. 1) mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Handelte es sich demnach bei den beiden Produkten, für welche die Zulassung der bezeichneten gesundheitsbezogenen Angabe "altbewährtes Hausmittel" beantragt wurde, weder um Lebensmittel noch um Verzehrprodukte, sondern um Arzneimittel, so war die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin nicht rechtswidrig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1985, Slg. Nr. 11.637/A).

Da nicht strittig ist, daß die in Rede stehenden Produkte (Pflanzensäfte) im Sinne der Definition des § 2 LMG 1975 nicht "überwiegend" Ernährungs- oder Genußzwecken dienen sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1988, Zl. 88/10/0126), hatte die belangte Behörde entsprechend der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem obzitierten Erkenntnis vom 14. Jänner 1985 entwickelten "Restgröße" - Judikatur festzustellen, ob das Produkt als Arzneimittel zu qualifizieren ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. April 1986, Zl. 85/10/0189, unter Bezug auf Vorjudikatur ausgeführt hat, liegt durch die Nichtuntersagung des Inverkehrbringens einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware im Ergebnis nicht ein in Rechtskraft erwachsener Abspruch über die rechtliche Qualifikation der Ware als Verzehrprodukt vor. Die Behörde ist vielmehr befugt und verpflichtet, die für die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 wesentliche Frage der rechtlichen Qualifikation der Ware - ob Verzehrprodukte oder Arzneimittel - als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950 zu beurteilen.

Nach der Legaldefinition des § 3 LMG 1975 sind "Verzehrprodukte" Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen - in diesem Fall würde es sich um "Lebensmittel (Nahrungs- oder Genußmittel)" im Sinne des § 2 leg. cit. handeln - oder Arzneimittel zu sein. Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung zwischen Arzneimitteln einerseits und Verzehrprodukten andererseits hatte der Verwaltungsgerichtshof vor dem 1. April 1984 (Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, im folgenden kurz: AMG) in Ermangelung einer gesetzlichen Definition des Begriffes "Arzneimittel" in der österreichischen Rechtsordnung nicht im tatsächlichen Hervorrufen heilender Wirkungen, sondern ausschließlich in jenen qualitativen und quantitativen Momenten gesehen, die einen bestimmten Stoff nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft infolge seines Wirkungsgrades als Arzneimittel kennzeichneten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1980, Zlen. 375, 376/80, und vom 10. September 1984, Zl. 84/10/0061). War demnach aus der Zusammensetzung eines Stoffes eindeutig dessen tatsächliche (objektive) Eignung zu erschließen, arzneiliche Wirkungen hervorzurufen, dann lag ein Arzneimittel vor; eine subjektive Deklarierung allein - d.h. die bloße Zweckbestimmung eines Mittels als Arzneimittel ohne dessen objektive Eignung, tatsächlich solche Wirkungen hervorzubringen - konnte hingegen keine Grundlage für eine Einstufung als Arzneimittel bilden (vgl. dazu die EB zur RV des AMG, 1060 BlgNR. 15. GP 26 zu § 1 Abs. 1).

Im Beschwerdefall maßgebend ist die Legaldefinition des § 1 Abs. 1 AMG. "Arzneimittel" im Sinne dieser Begriffsbestimmung sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper

1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,

.........

5. Die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Für die Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt oder nicht, sind grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend, nämlich einerseits die objektive Zweckbestimmung ("die nach der allgmeinen Verkehrsauffassung dazu dienen ...") und andererseits die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller, Depositeur, Großhändler u.s.w. ("nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind ...").

Damit ist seit dem Inkrafttreten des AMG der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bis dahin entwickelte Arzneimittelbegriff überholt. Die Frage, ob einem bestimmten Stoff die Qualität eines Arzneimittels zukommt, ist seit dem 1. April 1984 allein nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 AMG zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1986, Zl. 85/10/0189, und die dort zitierte Vorjudikatur; sowie vom 16. März 1987, Zl. 86/10/0093). Auf Grund dieser Rechtslage ist ein Produkt schon auf Grund der "subjektiven Zweckbestimmung" (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 86/10/0161) als Arzneimittel einzustufen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. März 1988, Zl. 88/10/0021, bereits ausgesprochen und begründet hat, hat das Arzneimittelgesetz durch die weite Definition des Begriffes "Arzneimittel" den Begriffsumfang des Begriffes "Verzehrprodukt" eingeschränkt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung der Begriffe Arzneimittel und Verzehrprodukt abzugehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall sollen die beiden Pflanzensäfte "Mistel" und "Weißdorn" jeweils mit der Bezeichnung "altbewährtes Hausmittel" in Verkehr gesetzt werden. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin der Anmeldung Muster der vorgesehenen Verpackung in Ablichtung angeschlossen, aus welchen u. a. folgende streitentscheidenden Textstellen ersichtlich sind:

"Alle Arzneipflanzen werden nach den Richtlinien des Arzneibuches ausgewählt ...", "Natur-Heilmittel" und "Gebrauchsanweisung. Erwachsene 3 x täglich 1 Eßlöffel Kinder 1 Teelöffel vor oder zu den Mahlzeiten - je nach Verträglichkeit rein oder mit Wasser verdünnt". Durch diese Hinweise auf den Verpackungen der erwähnten Produkte geht nach Auffassung des Gerichtshofes die subjektive Zweckbestimmung gemäß § 1 Abs. 1 AMG, jedenfalls in Ansehung der Ziffer 5 dieser Gesetzesstelle, nämlich die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers zu beeinflussen, eindeutig hervor. Durch die Empfehlung der täglichen Einnahme bei beiden Pflanzensäften wird einem Konsumenten zumindest eine günstige Wirkung auf seinen Organismus suggeriert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1987, Zl. 86/10/0096).

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Beispiele, die Alkoholika zum Gegenstand haben, gehen deshalb ins Leere, weil es sich dabei um Lebensmittel im Sinne des § 2 LMG 1975 handelt und diese daher nicht zum Vergleich herangezogen werden können.

Der Gerichtshof vermag daher die Ansicht der belangten Behörde, die in Rede stehenden Produkte seien als Arzneimittel einzustufen, im Ergebnis nicht als rechtswillig zu erkennen. Es kann dahingestellt bleiben, ob auf die angemeldeten Produkte auch das objektive Einordnungskriterium des § 1 Abs. 1 AMG ("nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen") zutrifft oder nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1987, Zl. 86/10/0161, sowie vom 23. Februar 1987, Zl. 86/10/0185, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerde geltend, daß es die belangte Behörde verabsäumt habe, sich mit dem offenkundigen Widerspruch der nunmehrigen Äußerung der "Fachsektion" der belangten Behörde zu deren seinerzeitigen Verneinung oraler Wirksamkeit von Mistel-Pflanzensaft in ausreichend schlüssiger und überprüfbarer Weise auseinanderzusetzen, und sie es weiter verabsäumt habe, sich mit dem Widerspruch der "Fachabteilung" zu der von der Beschwerdeführerin durch Literaturzitat nachgewiesenen küchenmäßigen Verwendung von Weißdorn auseinanderzusetzen.

Eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt und ein relevanter Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides liegen schon deshalb nicht vor, weil sich das Beschwerdevorbringen ausschließlich auf eine Frage bezieht, die zwar nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Arzneimittelbegriff vor Inkrafttreten des AMG relevant war, der jedoch nach dem Arzneimittelgesetz und der danach maßgebenden Definition in § 1 Abs. 1 keine entscheidungserhebliche Bedeutung mehr zukommt. Die behaupteten Unterlassungen der belangten Behörde konnten sich demnach nicht auf die für die Beschwerdeführerin negative, bekämpfte Entscheidung auswirken. Was die "küchenmäßige Verwendung" von Weißdorn anlangt, genügt der Hinweis, daß es nicht darauf, sondern (zur Frage der Lebensmitteleigenschaft) allein auf das Produkt ankommt, für welches die gesundheitsbezogenen Angaben genehmigt werden sollen.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde dadurch, daß sie die beiden S-Pflanzensäfte "Mistel" und "Weißdorn" als Arzneimittel einstufte und den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben abwies, nicht rechtswidrig gehandelt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz findet ihre Stütze in den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 12. Dezember 1988

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