VwGH 87/11/0044

VwGH87/11/004422.9.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Dr. WV in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Günther Horvath in Wien I, Seilergasse 16, gegen die Bundespolizeidirektion Wien wegen zwangsweiser Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131a
KFG 1967 §44 Abs1
KFG 1967 §44 Abs1 litc
KFG 1967 §44 Abs4
KfzStG §9 Abs3
VVG §1
VVG §10 Abs2
VVG §5
VwGG §30 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987110044.X00

 

Spruch:

Die am 21. Februar 1987 von einem Beamten der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines für den auf den Beschwerdeführer zum Verkehr zugelassen gewesenen Pkw mit dem Kennzeichen W nnn wird für rechtswidrig erklärt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Gegen die aus dem Spruch ersichtliche Abnahme von Kennzeichentafeln und eines Zulassungsscheines, bei der es sich unbestrittenermaßen um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelte, richtet sich die vorliegende, auf Art. 131a B‑VG gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die bekämpfte Maßnahme stellt sich der Aktenlage nach als eine (jedenfalls nicht auf § 5 VVG 1950 beruhende) Vollstreckungsmaßnahme dar. Jeder Vollstreckungsmaßnahme hat aber eine entsprechende Vollstreckungsverfügung voranzugehen (§ 10 Abs. 2 VVG; vgl. auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts3, 323, 325), die jedoch im vorliegenden Beschwerdefall, als die bekämpfte Maßnahme gesetzt wurde, insoweit fehlte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem, den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 30. Jänner 1987, Zlen. 86/11/0122, 0123, zum Ausdruck gebracht hat, war der zugrundeliegende Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 31. Jänner 1986, mit welchem die Zulassung des Pkws des Beschwerdeführers mit dem Kennzeichen W nnn zum Verkehr wegen Nichtentrichtung der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 9 Abs. 3 KfzStG rechtskräftig aufgehoben wurde, lediglich als ein der Vollstreckung im Sinne des VVG 1950 nicht zugänglicher Rechtsgestaltungsbescheid anzusehen, wobei allerdings ein Exekutionstitel (Titelbescheid) in Form des vom Landeshauptmann von Wien im Instanzenzug mit Bescheid vom 22. Juli 1986 erteilten Auftrages an den Beschwerdeführer zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln vorlag. Eine darauf beruhende Vollstreckungsverfügung erging jedoch nur mit einem weiteren im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1986 hinsichtlich der Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG 1950, weil der Beschwerdeführer dieser (bereits vorher vollstreckbar gewordenen) Verpflichtung trotz Aufforderung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgekommen sei.

Dazu kommt, daß den Beschwerden gegen die beiden Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1986 (also auch gegen den den Exekutionstitel bildenden Bescheid) mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1986, Zlen. AW 86/11/0019, 0020, welcher der damals belangten Behörde am 6. November 1986 zugestellt wurde, die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkannt wurde. Es hätte daher nach diesem Zeitpunkt aus diesem Grunde (bis zur Erledigung der betreffenden Beschwerdesache mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1987, Zlen. 86/11/0122, 0123, im aufhebenden Sinne, welches allerdings erst am 16. bzw. 17. März 1987 an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellt wurde) - selbst bei Vorliegen einer entsprechenden Vollstreckungsverfügung - keine Vollstreckungsmaßnahme getroffen werden dürfen. Denn gemäß § 30 Abs. 3 zweiter Satz VwGG hat die Behörde im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen, welchem gesetzlichen Gebot jedenfalls die in „Vollzug“ des Titelbescheides erfolgte, bekämpfte Maßnahme entgegenstand (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1987, Zlen. 86/11/0122, 0123). Auch die belangte Behörde hat in ihrer schriftlichen „Äußerung“ vom 30. Juni 1987 erklärt, der Behauptung des Beschwerdeführers, die ihm gegenüber gesetzte Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei rechtswidrig erfolgt, nicht entgegentreten zu können.

Die angefochtene Maßnahme war somit gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die ihm mit Beschluß vom 23. März 1987 bewilligte Verfahrenshilfe von der Entrichtung von Stempelgebühren, deren Ersatz er ebenfalls begehrt, befreit ist.

Wien, am 22. September 1987

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