VwGH 87/09/0141

VwGH87/09/01418.9.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Griesmacher, Mag. Meinl, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Norbert Schöner und Dr. Karl J. Grigkar, Rechtsanwälte in Wien I, Kärntnerstraße 44, Stiege 1/22, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 10. April 1987, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs3 Z4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987090141.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die in Wien ein Chinarestaurant betreibt, hatte nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens am 23. September 1986 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste‑Gastgewerbe in Wien für die 1950 geborene chinesische Staatsangehörige YC die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als Geschäftsführer beantragt.

Dieser Antrag war vom genannten Arbeitsamt mit Bescheid vom 23. September 1986 unter Berufung auf § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 (Aus1BG) mit der Begründung abgewiesen worden, die Höhe der Ausländerbeschäftigung habe auch nach übereinstimmender Ansicht der Sozialpartner die Grenze erreicht, über welche die weitere Zulassung von Ausländern für nachteilig und unerwünscht gehalten werde.

In der dagegen erhobenen Berufung trug die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, es sei beabsichtigt, die genannte Ausländerin als Koch für chinesische Spezialitäten einzusetzen.

Aus Anlaß einer im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der beschwerdeführenden Partei durchgeführten Nachschau kam es am 24. Februar 1987 zu einer Niederschrift mit der Geschäftsführerin, Frau LC, in welcher diese zugestand, seit 22. Februar 1987 Frau WZ als Kellnerin mit Inkasso gegen ein Entgelt von S 400,-- täglich ohne Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse, ohne Beschäftigungsbewilligung und ohne Zeugnis nach dem Bazillenausscheidergesetz zu beschäftigen. Ferner räumte die genannte Geschäftsführerin in dieser Niederschrift ein, daß die beantragte Ausländerin gelegentlich im Restaurant aushelfe und von ihr, da es sich um ein Familienmitglied handle, ein Taschengeld hiefür erhalte.

Nach Einräumung des Parteiengehörs und Abgabe einer Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei zu diesem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gab die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 4 Abs. 3 Z. 3 AuslBG aus, am 24. Februar 1987 sei im Zuge einer Nachschau festgestellt worden, daß die beschwerdeführende Partei eine Arbeitskraft als Kellnerin ohne Sozialversicherungsanmeldung beschäftige. Abgesehen von den übrigen Verstößen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung) habe die beschwerdeführende Partei zur Niederschrift bestätigt, auch die beantragte Ausländerin bereits ohne „Sozialversicherungsmeldung“ zu beschäftigen. Dieses Ermittlungsergebnis sei im Administrativverfahren unwidersprochen geblieben. Im Hinblick auf diese aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für YC verletzt. In Auffassung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt sie hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Einklang mit ihrem Vorbringen vor der belangten Behörde vor, es bedürfe keiner besonderen Darlegung, daß die Beschäftigung eines österreichischen Koches in einem China‑Restaurant unmöglich sei. Die spezielle Betriebsführung eines solchen Lokales erfordere den Einsatz von Arbeitnehmern, welche die chinesische Sprache beherrschen und mit den Techniken der chinesischen Küche vertraut seien. Sollte es bei der Beschäftigung der beantragten Ausländerin tatsächlich zu Unzukömmlichkeiten gekommen sein, werde die beschwerdeführende Partei im hohen Maße bemüht sein, sich den Wünschen und Vorschriften des Gastlandes entsprechend zu verhalten. Letztlich sei aber nicht auszuschließen, daß es zufolge von Sprachschwierigkeiten anläßlich der Erhebungen der belangten Behörde zu Mißverständnissen gekommen sei. Allenfalls wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, bei diesen Erhebungen einen Dolmetsch beizuziehen.

Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG, auf welche Bestimmung die im Beschwerdefall ausgesprochene Ablehnung der von der beschwerdeführenden Partei im Sinne des § 19 Abs. 1 AuslBG beantragten Beschäftigungsbewilligung ausschließlich gestützt wird, darf eine solche Bewilligung nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einhält.

Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, die von dieser Gesetzesstelle geforderten rechtserheblichen Voraussetzungen für eine Verweigerung der Arbeitsbewilligung seien deshalb gegeben, weil die beschwerdeführende Partei am Tage der Nachschau, dem 24. Februar 1987, zwei Ausländer ohne Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse beschäftigt habe. Diese Annahme der belangten Behörde erweist sich als rechtswidrig.

Das zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehörende rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des „Gegebenerscheinens der Gewähr“ bedeutet, daß keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Behörde für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jene der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen.

Wohl ist der Begriff der „Arbeitsbedingungen“ - wie der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0046, dargelegt hat - weit zu verstehen. Er erfaßt nicht bloß die Hauptleistungen aus dem Arbeitsvertrag, also insbesondere das Entgelt und andere aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, wie Arbeitszeit, Freizeit, Feiertagsarbeit, sondern überhaupt jede Frage, welche die Stellung der Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen betrifft. Die Anmeldung des Ausländers bei der zuständigen Gebietskrankenkasse nach den Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, fällt jedoch nicht unter diesen Begriff.

Wenn vom Arbeitgeber die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes selbst nicht eingehalten werden, so darf die beantragte Beschäftigungsbewilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG, nämlich der wiederholten Beschäftigung von Ausländern ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate vor Antragseinbringung nicht erteilt werden. Ob alle von dieser Gesetzesstelle oder von § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG geforderten Tatbestandsvoraussetzungen im Beschwerdefall erfüllt sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof bei der gegebenen Sachlage nicht abschließend zu beurteilen. Dies deshalb, weil der Antrag für YC nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens am 23. September 1986 eingebracht worden war und nicht festgestellt wurde, daß die beschwerdeführende Partei innerhalb der letzten zwölf Monate vor diesem Stichtag bereits wiederholt (mindestens zweimal) Ausländer unerlaubt beschäftigt hat bzw. ob die Beschäftigung des Genannten bereits begonnen hat.

Der angefochtene Bescheid ist mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, im Beschwerdefall seien die besonderen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG erfüllt. Er war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 8. September 1987

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