VwGH 86/13/0068

VwGH86/13/006820.5.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerde der 1.) R-KG in W und der 2.) A-gesellschaft m.b.H. in W, beide vertreten durch Dr. Karl Hempel, Rechtsanwalt in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. März 1986, Zl. GA 4-1699/86, betreffend Aufhebung von Bescheiden betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1983 und 1984 gemäß § 299 Abs. 2 BAO, 1.) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Normen

BAO §188 Abs1 litd;
BAO §191 Abs3 litb;
EStG 1972 §23 Z3;
EStG 1972 §28;
HGB §167 Abs3 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist eine im Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft, an der neben zahlreichen anderen (physischen) Personen auch die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft m.b.H. als Kommanditistin beteiligt ist. Die Erstbeschwerdeführerin hat in den Streitjahren unbestritten keine gewerbliche Tätigkeit, sondern ausschließlich die Verwaltung von Grundstücken betrieben und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28 EStG 1972) bezogen.

Für das Jahr 1983 erklärte die Erstbeschwerdeführerin einen Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung, für das Jahr 1984 hingegen einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten, wobei sie diese Einkünfte jeweils entsprechend den Beteiligungsverhältnissen auf die Gesellschafter verteilte. Unbestritten ist dabei, daß die den Kommanditisten auf diese Weise für 1983 zugerechneten Anteile an dem Werbungskostenüberschuß deren jeweilige Hafteinlage betragsmäßig überschritten.

Das Finanzamt stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre gemäß § 188 BAO fest und rechnete die Anteile an den gemeinschaftlichen Einkünften erklärungsgemäß den Kommanditisten zu. Von dieser einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Erstbeschwerdeführerin wurde allerdings der jeweils auf die Zweitbeschwerdeführerin entfallende Anteil nicht erfaßt und dieser auch nicht bescheidmäßig zugerechnet, weil das Finanzamt die Auffassung vertrat, daß die Feststellung solche Einkünfte nicht zu umfassen hatte, die zum Betriebsvermögen eines Beteiligten gehörten.

Diese beiden Feststellungsbescheide hat die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben. Das Finanzamt sei zu Unrecht den von der Erstbeschwerdeführerin abgegebenen Steuererklärungen gefolgt, weil der Anteil am Werbungskostenüberschuß für 1983 den einzelnen Kommanditisten nur in der Höhe ihrer jeweiligen Einlagen zugerechnet hätte werden dürfen; der steuerlich unwirksam gebliebene Werbungskostenüberschuß 1983 wäre hierauf bei der Gewinnfeststellung 1984 mit den erklärten Einnahmenüberschüssen zu verrechnen gewesen. Werbungskosten führten nämlich nur insoweit zu einer steuerlichen Auswirkung, als es im betreffenden Besteuerungszeitraum zu einem Abfließen gemäß § 19 EStG 1972, d. h. zum Verlieren der wirtschaftlichen Verfügungsmacht gekommen sei. Habe der Steuerpflichtige nur mit einem umfänglich begrenzten Betrag für Vermögensverluste einzustehen, könne es für ihn auch nur insoweit zu einem Verlust wirtschaftlicher Verfügungsmacht kommen. Da Kommanditisten gemäß § 167 Abs. 3 HGB am Verlust einer KG nur bis zum Betrag ihres Kapitalanteiles und ihrer noch rückständigen Einlage teilnähmen, könnten Werbungskostenüberschüsse, die darüber hinausgingen, mangels eines damit verbundenen Verlustes von wirtschaftlicher Verfügungsmacht bei den Kommanditisten zu keiner steuerlichen Auswirkung führen. Die beiden Feststellungsbescheide des Finanzamtes seien daher infolge unrichtiger Anwendung der Zurechnungsvorschrift des § 19 EStG 1972 fehlerhaft, weshalb sie im Interesse einer gleichmäßigen Anwendung der einkommensteuerlichen Vorschriften in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufzuheben gewesen seien.

Gegen diesen Aufhebungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Beide Beschwerdeführerinnen erachten sich in ihren Rechten auf gesetzmäßige Feststellung der Einkünfte und auf Bemessung der Steuern gemäß den abgegebenen Steuererklärungen verletzt, die Zweitbeschwerdeführerin überdies darin, daß ihr für das Jahr 1983 Verluste nur bis zur Hafteinlage zugewiesen worden seien, sodaß ein horizontaler Verlustausgleich mit anderen Einkunftsarten nicht möglich gewesen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerinnen haben darauf mit einem weiteren Schriftsatz repliziert.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Gemäß § 188 Abs. 1 lit. d BAO werden einheitlich und gesondert festgestellt die Einkünfte (der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind.

Gemäß § 191 Abs. 3 lit. b BAO wirken einheitliche Feststellungsbescheide gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (§ 188).

Im Beschwerdefall wurde der auf die Zweitbeschwerdeführerin entfallende Anteil der Einkünfte der Erstbeschwerdeführerin von den Feststellungsbescheiden des Finanzamtes nicht erfaßt und auch der Zweitbeschwerdeführerin nicht zugerechnet. Das Finanzamt hat sich bei dieser Vorgangsweise offenbar von der Auffassung leiten lassen, daß die einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, an denen mehrere Personen beteiligt sind, nur insoweit vorzunehmen ist, als die Anteile nicht Bestandteil eines Betriebsvermögens sind (vgl. dazu hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1975, Zl. 661/74, sowie Stoll, BAO-Handbuch 1980, S. 438). Die Ermittlung der Einkünfte der Zweitbeschwerdeführerin als einer Kapitalgesellschaft aus dem zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Anteil hat in dem die Ermittlung des Gewinnes ihres Betriebes betreffenden Verfahren zu erfolgen und wird durch die Feststellungsbescheide nicht präjudiziert (vgl. dazu Stoll aaO, S. 447).

Da demnach in den strittigen Feststellungsbescheiden über den Anteil der Zweitbeschwerdeführerin an den Einkünften der Erstbeschwerdeführerin nicht abgesprochen worden ist, konnten - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - Rechte der Zweitbeschwerdeführerin auch nicht durch die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Aufhebung dieser Feststellungsbescheide verletzt werden.

Fehlt aber die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre eines Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung (vgl. dazu auch die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 412, angeführte Judikatur). Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

2.) Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Unbestritten ist, daß die Erstbeschwerdeführerin handelsrechtlich als Kommanditgesellschaft (KG) organisiert ist, jedoch in den Streitjahren keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als (bloß) vermögensverwaltende KG nur außerbetriebliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig ist ausschließlich die Frage, ob in diesem Falle den Kommanditisten negative Einkünfte (Werbungskostenüberschüsse) über den Umfang ihrer Haftungsbeteiligung gemäß § 167 Abs. 3 HGB hinaus zugerechnet werden dürfen.

Für den Fall einer "gewerblichen" KG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem - die Rechtslage vor der Einführung des § 23a EStG 1972 betreffenden - Erkenntnis vom 15. April 1980, Zl. 1661/79, die Auffassung vertreten, die Verlustzurechnung an die Kommanditisten sei von deren Haftung abhängig und daher bei Fehlen einer Nachschußpflicht mit ihrer Einlage begrenzt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die offenbar auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vertretene Auffassung, daß die Frage, ob auch im Falle außerbetrieblicher Einkünfte die Verlustausgleichsmöglichkeit mit der Höhe der Einlage begrenzt ist, keinesfalls an Hand des § 23a EStG 1972 beantwortet werden kann. Diese Vorschrift regelte zwar in den Streitjahren die Verlustverrechnung bei Kommanditisten, bezog sich indes nur auf betriebliche Einkünfte (vgl. dazu Ruppe, Die grundstückverwaltende KG und ihre steuerliche Behandlung, Orac Wien 1982, S. 33, sowie Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, S. 533). Bleiben demnach vermögensverwaltende KG von den Regelungen des § 23a EStG 1972 jedenfalls unberührt, dann erübrigte sich im Beschwerdefall ein Eingehen auf die im Zusammenhang mit dieser Bestimmung aufgetretene verfassungsrechtliche Problematik.

Ungeachtet der gemäß § 2 Abs. 4 EStG 1972 unterschiedlichen Ermittlung der Einkünfte bei einer gewerblichen bzw. einer vermögensverwaltenden KG ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß sich die steuerliche Situation der vermögensverwaltenden KG mit jener der gewerblichen KG vor dem Inkrafttreten des § 23a EStG 1972 vergleichen läßt. Hier wie dort läßt die gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung des Kommanditisten eine Zuweisung von über das Ausmaß seiner Hafteinlage hinausgehenden Verlusten nicht zu, zumal der Kommanditist hier wie dort den seine Einlage übersteigenden Verlustanteil wirtschaftlich nicht zu tragen hat. Dem steht § 19 EStG 1972 nicht entgegen, der die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben regelt, zumal unbestritten ist, daß die von der Erstbeschwerdeführerin abgesetzten Werbungskosten tatsächlich in den Streitjahren abgeflossen sind. Da Kommanditisten aber auf Grund ihrer handelsrechtlichen Stellung nicht über mehr die Verfügungsmacht verlieren können als über ihre Einlage, findet dieser Abfluß auf der Ebene der Gesellschafter im Ausmaß der Kommanditeinlage seine Grenze.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die von Ruppe (aaO S. 35) vertretene Auffassung, daß bei der vermögensverwaltenden KG schon mit Rücksicht auf ihre handelsrechtliche Konstruktion die Verlustberücksichtigung konsequenterweise in sinngemäßer Anwendung des bereits oben angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1980, Zl. 1661/79, zu erfolgen hat, von welchem abzugehen sich der Verwaltungsgerichtshof durch das Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde nicht veranlaßt sieht. Der einzige Unterschied liegt darin, daß der Verwaltungsgerichtshof damals über das Ausmaß der durch Verlustzuweisung bewirkten Vermögensminderung in der Person des Kommanditisten zu befinden hatte, während im Beschwerdefall das Ausmaß des Abflusses von Werbungskosten zu untersuchen war (vgl. hiezu Einkommensteuer-Handbuch2, aaO). Auch aus einem Werbungskostenüberschuß resultierende Verluste können über die Einlage des Kommanditisten hinaus im Jahr der Entstehung nicht den Kommanditisten, sondern nur den Komplementär treffen.

Die Aufhebung der erstinstanzlichen Feststellungsbescheide gemäß § 299 Abs. 2 BAO durch die belangte Behörde - eine gesetzwidrige Ausübung des ihr hiefür eingeräumten Ermessens wurde nicht behauptet und liegt auch offenbar nicht vor - ist daher nicht als inhaltlich rechtswidrig zu erkennen, weshalb die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte ungeachtet des darauf abzielenden Antrages gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

3.) Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2, 51 und 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 20. Mai 1987

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