VwGH 86/07/0270

VwGH86/07/027026.2.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde des Dkfm. KG in O, gegen 1. den Bescheid (Erkenntnis) des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. April 1984, Zl. 1472/29-1984, und 2. den Bescheid (Erkenntnis) des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 4. Dezember 1985, Zl. 710.666/04-OAS/85, betreffend Zusammenlegungsplan G (mitbeteiligte Partei: MH in O) zu Recht erkannt:

Normen

AgrVG §16;
AgrVG §62;
AgrVG §7 Abs4;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §10 Abs4;
FlVfGG §6;
FlVfLG OÖ 1911 §30;
FlVfLG OÖ 1911 §90;
FlVfLG OÖ 1979 §107 Abs3;
FlVfLG OÖ 1979 §90;
VwGG §34 Abs1;
Wiederherstellung Zusammenlegungsrecht OÖ 1955;
AgrVG §16;
AgrVG §62;
AgrVG §7 Abs4;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §10 Abs4;
FlVfGG §6;
FlVfLG OÖ 1911 §30;
FlVfLG OÖ 1911 §90;
FlVfLG OÖ 1979 §107 Abs3;
FlVfLG OÖ 1979 §90;
VwGG §34 Abs1;
Wiederherstellung Zusammenlegungsrecht OÖ 1955;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates vom 26. April 1984 wird zurückgewiesen.

2. Der Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 4. Dezember 1985 wird, soweit mit ihm die Spruchpunkte I.3., IV. und V. des Bescheides des Landesagrarsenates beim 26. April 1984 bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.556,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Agrarbezirksbehörde Linz hat mit Bescheid vom 12. Februar 1960 das Verfahren zur Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke in G eingeleitet und das Zusammenlegungsgebiet abgegrenzt. Die provisorische Übernahme der den Parteien in der Natur vorgewiesenen Abfindungsgrundstücke wurde für drei Teile des Zusammenlegungsgebietes in den Jahren 1968 bis 1970 gesondert angeordnet. Da der einbezogene Grundbesitz des Beschwerdeführers bereits vorher arrondiert war, blieb er durch die mit diesen Anordnungen erfolgte Neuverteilung der Grundstücke unberührt. Die Grundstücke des Beschwerdeführers wurden jedoch - unter Berücksichtigung von Grundverkäufen während des Zusammenlegungsverfahrens - neu vermessen und vermarkt. Der Zusammenlegungsplan für das gesamte Zusammenlegungsgebiet wurde durch Auflage in der Zeit vom 29. Juli bis 12. August 1982 erlassen. Dieser Bescheid verfügte unter anderem die entschädigungslose Einräumung der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrtrechts über das Grundstück 446 KG X (Eigentümer der Beschwerdeführer) zugunsten des Grundstückes 444 der KG X, deren Eigentümerin die mitbeteiligte Partei ist (siehe auch Seite 37/38 des zuvor angeführten Bescheides, .P. lit. c und lit. h c). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er in der Folge teilweise zurückzog. Hinsichtlich der Einräumung der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 446 KG X zugunsten des Grundstückes 444 KG X wurde die Berufung jedoch aufrecht erhalten. Der Landesagrarsenat holte von seinem in agrartechnischen Angelegenheiten erfahrenen Mitglied ein Gutachten ein, in dem im wesentlichen ausgeführt wurde, eine genauere Beschreibung des Umfanges und Verlaufes der bekämpften Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sei weder schriftlich noch planlich von der Behörde erster Instanz vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer und die mitbeteiligte Partei hätten mit Vereinbarungen vom 14. Oktober, 5. und 13. November 1968 neben der Regelung eines Abwasserkanales auch ein persönliches Fahrtrecht, Abladerecht und Umkehrrecht zugunsten der mitbeteiligten Partei und ihres Ehemannes vorgesehen. Als einmalige Entschädigung für diese Rechtseinräumung seien S 4.500,-- vereinbart worden; eine kostenlose Einräumung des Fahrtrechtes - wie vom Beschwerdeführer in der Berufung behauptet - sei aus den schriftlichen Vereinbarungen nicht ersichtlich. Es sei somit festzustellen, daß der mitbeteiligten Partei und ihrem Ehemann die Zufahrt zu ihrem Hause auf Lebzeiten zustehe. Das Grundstück 444 KG X sei nur ein Wohnhaus mit umgebender Manipulierfläche und werde nicht landwirtschaftlich genutzt. Trotzdem sei der Grundbesitz mit der Abfindungsgrundstücksnummer 444 sowohl im Besitzstandregister als auch im Abfindungsregister mit Fläche und Bewertung enthalten, womit das Abfindungsgrundstück 444 als Abfindung im Sinne des ZLG bezeichnet werden müsse. Die Benützung des Grundstückes 444 KG X ohne Zugang und Zufahrt mit Umkehrplatz auf dem Grundstück 446 des Beschwerdeführers sei unmöglich. Zudem werde es bei der häufigen längeren Abwesenheit des Beschwerdeführers unmöglich sein, die Bestimmungen der Vereinbarungen hinsichtlich des jeweiligen Fragens wegen Umkehrens von Lastkraftwagen einzuhalten. Es sei Sache der rechtlichen Beurteilung, ob im Zusammenlegungsverfahren eine - über die persönliche Rechtseinräumung hinausgehende - Dienstbarkeit verfügt werden könne. Für den Fall, als der Senat der Meinung sei, daß eine Grunddienstbarkeit einzuräumen und grundbücherlich sicherzustellen sei, werde eine Neuformulierung dieses Geh- und Fahrtrechtes vorgeschlagen. Als Entschädigung hiefür errechnete der Sachverständige einen Betrag von S 975,--.

Mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. April 1984 wurde nach einer am gleichen Tag durchgeführten mündlichen Verhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit §§ 33 und 90 des Zusammenlegungs-Landesgesetzes (ZLG), LGuVBl. Nr. 16/1911 bzw. LGBl. Nr. 12/1955, und im Zusammenhalt mit § 107 Abs. 3 des OÖ Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 73 (FLG), der Berufung teilweise Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz abgeändert. Im Spruchpunkt I. 1. und 2. wurde der Umfang des Geh-, Fahrt- und Umkehrrechtes neu formuliert und die entsprechenden Grundbuchshandlungen verfügt. In Punkt I. 3., in Punkt IV. und Punkt V. - insoweit ist dieser Bescheid für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung wurde folgendes ausgesprochen:

"I. 3. Anstelle der im Generalakt auf Seite 37 unter 'lit. c bei EZ. 102, KG X ... im C-Blatt' vorgesehenen Grundbuchshandlung wird die Grunddienstbarkeit der Duldung des bestehenden Abwasserkanals (Rohrleitung), der Nachschau und Vornahme von Reparaturen im Grundstück 446 KG X zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks 444 KG X (vorgetragen in der EZ. 103 des Grundbuches X), hier als Last einverleibt.

IV. Als Entschädigung für die Wertminderung, die mit der Einräumung der Grunddienstbarkeiten laut Spruchabschnitt I. für die Liegenschaft EZ. 102 KG X verbunden ist, wird pauschal der Betrag von S 975,-- festgesetzt. MH hat diesen Betrag innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Erkenntnisses an Dkfm. KG zu bezahlen.

V. Die laut privatrechtlicher Vereinbarung vom 14. Oktober bzw. 5. und 13. November je 1968 zwischen MH und Dkfm. KG vereinbarten Dienstbarkeiten werden als nicht mehr geltend festgestellt."

Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

Auch gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, in der er sich gegen die Neufestlegung des Geh-, Fahrt- und Umkehrrechtes, insbesondere aber grundsätzlich gegen die erstmals in diesem Bescheid eingeräumte Dienstbarkeit eines Abwasserkanals zugunsten der mitbeteiligten Partei wendete. Die belangte Behörde hat das Ermittlungsverfahren durch eine örtliche Erhebung am 27. April 1985 ergänzt, bei der hinsichtlich der Festlegung des Geh-, Fahrt- und Umkehrrechtes übereinstimmende Willenserklärungen vom Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei abgegeben worden sind.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 4. Dezember 1985 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit §§ 33 und 90 ZLG insofern stattgegeben, "als die unter Punkt I. 1) und 2) des Spruches des Landesagrarsenates-Erkenntnisses eingeräumte Grunddienstbarkeit nach Maßgabe der diesem Erkenntnis des Obersten Agrarsenates angefügten Planskizze (welche einen wesentlichen Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet) unter Zugrundelegung der Vereinbarung vom 27. August 1985 abgeändert wird. Ansonsten wird die Berufung als unbegründet abgewiesen". In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der im Spruch angeführten Bestimmungen des ZLG im wesentlichen ausgeführt, es sei ein allgemeiner Grundsatz des Zusammenlegungsverfahrens, daß die Agrarbehörde bei der Neuordnung des Zusammenlegungsgebietes auf eine geordnete Entwicklung des ländlichen Raumes Bedacht zu nehmen habe. Wie der Landesagrarsenat in seinem Erkenntnis zutreffend ausgeführt habe, sollten Grunddienstbarkeiten durch ein Zusammenlegungsverfahren weitgehend beseitigt bzw. vermieden werden. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses oder aus triftigen wirtschaftlichen Gründen sei auch die Agrarbehörde verpflichtet, Grunddienstbarkeiten aufrecht zu erhalten oder neu zu begründen. Da hinsichtlich des Geh-, Fahrt- und Umkehrrechtes übereinstimmende Willenserklärungen vorlägen, habe sich die belangte Behörde nur mit der Frage der Grunddienstbarkeit der Duldung des bestehenden Abwasserkanals (Punkt I. 3. des Spruches des Bescheides des Landesagrarsenates vom 26. April 1984) auseinanderzusetzen. Feststehe, daß die mitbeteiligte Partei keinerlei Möglichkeit besäße, ihre Abwässer über Eigengrund abzuleiten, daher sei auch seinerzeit zwischen dem Beschwerdeführer und der Mitbeteiligten eine privatrechtliche Vereinbarung getroffen worden, die es der Mitbeteiligten und ihrem Ehemann ad personam gestatte, ihre Abwässer in die Rohrleitung des Beschwerdeführers einzuleiten. Diese Dienstbarkeitsvereinbarung sei von der Behörde zweiter Instanz auf Grund der Bestimmungen des § 33 ZLG aufgehoben worden, da diese ja nur persönlichen Dienstbarkeiten zur nachhaltigen zweckmäßigen Bewirtschaftung des notleidenden Grundstückes nicht ausreichten. Der Landesagrarsenat habe zu Recht zur Behebung dieser Notsituation unter Punkt I. 3. seines Bescheides die Grunddienstbarkeit der Duldung des bestehenden Abwasserkanals (Rohrleitung), der Nachschau und Vornahme von Reparaturen im Grundstück 446 zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 444 eingeräumt. Dies bedeute, daß in Hinkunft der jeweilige Eigentümer des Grundstückes 444 nicht in die Notsituation kommen könne, seine Hauswässer nicht ableiten zu können. Sinn der Servitut sei ja die Behebung des Mangels, der sich aus der Lage des Grundstückes ergebe, losgelöst von der Frage, wer der jeweilige Eigentümer sei. Es entspreche auch die vom Landesagrarsenat vorgenommene Einräumung durchaus den im Wasserrechtsgesetz vorgesehenen Bestimmungen der §§ 63 ff WRG 1959. Es sei somit in diesem Punkt die Entscheidung des Landesagrarsenates vollinhaltlich zu bestätigen gewesen. Bei der örtlichen Erhebung am 27. August 1985 habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, daß - abgesehen von der Frage der Abgrenzung der Umkehrfläche und der Abwasserservitut alle seine Wünsche erfüllt seien, bis auf zwei Punkte, durch welche er sich belastet fühle, und zwar die Vornahme der Beschotterung seines Grundes durch die Agrarbezirksbehörde Linz (wodurch die alte Hofzufahrt unbenutzbar geworden sei) sowie die Löschung des Vorkaufsrechtes für Grundstück Nr. 445. Zur vom Beschwerdeführer behaupteten unzulässigen Beschotterung seines Grundstückes durch die Agrarbezirksbehörde Linz müsse die belangte Behörde feststellen, daß dies keine Angelegenheit sei, die mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung in irgendeinem Zusammenhang stehe. Wenn es bei der Durchführung von Maßnahmen in der Natur zu Unzukömmlichkeiten komme, müsse sich der Beschwerdeführer allenfalls an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden. Ein Vorkaufsrecht bezüglich des Grundstückes 445 sei vom gegenständlichen Verfahren nicht berührt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 25. September 1986, B 264/86, die Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer sowohl den Bescheid den Landesagrarsenates als auch den des Obersten Agrarsenates wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten dadurch verletzt, daß erstmals die Behörde zweiter Instanz eine Servitut für einen Abwasserkanal eingeräumt hat, obwohl dies weder Gegenstand seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz gewesen sei noch von der mitbeteiligten Partei eine Berufung gegen den zuletzt genannten Bescheid eingebracht worden sei; es bestehe auch keine "Notsituation" für die berechtigte Liegenschaft, eine solche Dienstbarkeit einzuräumen. Es sei auch rechtswidrig, den Dienstbarkeitsvertrag ex 1968 im Umfange des Abwasserkanals aufzuheben. Schließlich sei in Wahrheit auch keine Entschädigung für die eingeräumte Dienstbarkeit des Abwasserkanals zugesprochen worden. Er beantragte schließlich die Aufhebung der entsprechenden Spruchteile im Bescheid des Landesagrarsenates vom 26. April 1984 sowie im bekämpften Bescheid.

Der Oberste Agrarsenat hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, zu der der Beschwerdeführer eine weitere Äußerung abgegeben hat. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das im Art. 131 Abs. 1 B-VG aufgestellte Erfordernis der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges (hier: Agrarbehördengesetz) im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 16. April 1959, Slg. N.F. Nr. 4941/A, und vom 8. Juni 1966, Slg. N.F. Nr. 6941/A u.a.m.). Die Beschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

2. Richtig ist, daß die Aufrechterhaltung, Neubegründung oder Aufhebung von Grunddienstbarkeiten einen Teil der Entscheidung über die gesetzliche Abfindung darstellt.

Gemäß § 33 ZLG - dieses Gesetz ist zufolge des § 107 Abs. 3 FLG 1979 im vorliegenden Fall anzuwenden - fallen Grunddienstbarkeiten (§ 474 ABGB) ohne Unterschied, ob das herrschende und das dienstbare Grundstück oder nur eines dieser beiden Grundstücke zur Zusammenlegung unterzogen wird, ohne Anspruch auf Entschädigung hinweg, sobald sie infolge der Zusammenlegung oder der damit verbundenen Entwässerungs-, Bewässerungs- oder Weganlagen dem herrschenden Grundstück entbehrlich werden. Grunddienstbarkeiten, bei denen dies nicht der Fall ist, verbleiben auf dem dienstbaren Grundstück. Unregelmäßige und Schein-Dienstbarkeiten (§ 479 ABGB) können von dem dienstbaren Grundstück auf das Abfindungsgrundstück übertragen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die obwaltenden Verhältnisse zweckmäßig erscheint (§ 16 des Reichsgesetzes RGBl. Nr. 92/1883).

Gemäß § 90 ZLG ist, wenn den Erfordernissen der zweckmäßigen Benutzbarkeit eines Abfindungsgrundstückes ohne Einräumung einer Servitut zu Lasten eines anderen in die Zusammenlegung einbezogenen Grundstückes nicht entsprochen werden kann, das betreffende Servitutsverhältnis festzustellen und bei der Bewertung des zu belastenden Grundstückes in entsprechender Weise zu berücksichtigen, bzw. wenn die etwa schon erfolgte Bewertung ohne langwierige oder kostspielige Änderung der gesamten Vorarbeit nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, die entsprechende Geldentschädigung in Ermangelung eines Übereinkommens behördlich zu bestimmen.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 - diese Bestimmung findet zufolge § 1 AgrVG 1950 in den Angelegenheiten der Bodenreform für die Agrarbehörden Anwendung - hat die Berufungsbehörde zwar grundsätzlich immer in der Sache selbst zu entscheiden, wobei sie berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß im Hinblick auf § 16 AgrVG 1950 die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 62 ZLG nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Im vorliegenden Fall hat die Behörde erster Instanz weder über die Einräumung einer Dienstbarkeit hinsichtlich eines Abwasserkanals noch über die Aufhebung einer solchen Dienstbarkeit eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung der Behörde erster Instanz wurde nur vom Beschwerdeführer und nur hinsichtlich der Einräumung der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrt- (einschließlich eines Umkehr‑)Rechts angefochten. Sache des Berufungsverfahrens war sohin nur das Geh- und Fahrt- (einschließlich Umkehr‑)Recht. Die Behörde zweiter Instanz war daher nicht berechtigt, über eine Kanalservitut, die auch nicht in einem unlösbaren Zusammenhang mit der Grundservitut des Geh- und Fahrt- (einschließlich Umkehr‑)Rechtes stand, eine Sachentscheidung zu treffen; ebensowenig - entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Ansicht, die gesamte Abfindung (des Beschwerdeführers) sei Gegenstand der Berufungsentscheidung - war dazu die belangte Behörde befugt, die den Bescheid der Behörde zweiter Instanz in diesem Umfang bestätigt hat. Der weiters von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, Gegenstand des Berufungsverfahrens sei auch die Servitut hinsichtlich des Abwasserkanals gewesen, weil der Sachverständige der Behörde zweiter Instanz in seinem Gutachten den Dienstbarkeitsvertrag ex 1968 erwähnt habe, ist entgegenzuhalten, daß mit dieser Feststellung im Befund des Gutachtens nicht der Umfang der Berufungsentscheidung erweitert werden konnte. Abgesehen davon, daß der Sachverständige sich mit dieser Frage gar nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise befaßt hat, wurde nur ein Gutachten über die zu leistende Entschädigung für den Fall der Feststellung eines Geh- und Fahrt- (einschließlich Umkehr‑)Rechtes abgegeben; der Niederschrift über die Verhandlung vor der Behörde zweiter Instanz ist auch nicht zu entnehmen, daß eine Erörterung über diese Kanalservitut stattgefunden hätte.

Bei dieser Sach- und Rechtslage war auf die Frage, ob - ausgehend von der Rechtsmeinung der belangten Behörde - das Verfahren nicht auch an einem Mangel litte, soweit es vor dem Landesagrarsenat abgeführt worden ist, nicht weiter einzugehen. Dem allfälligen Einwand, daß bei obigen Erwägungen unter Umständen Interessen der Zusammenlegung berührt würden, ist entgegenzuhalten, daß es der mitbeteiligten Partei unbenommen geblieben wäre, schon in unterster Instanz die Einräumung der Kanalservitut zu verlangen.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 2 und 59 VwGG; für die Einbringung der Beschwerde samt den erforderlichen Beilagen war eine Stempelgebühr von S 690,-

- erforderlich.

Wien, am 26. Februar 1987

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