European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1985150377.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 25. Juni 1975 errichtete Kommanditgesellschaft, der als persönlich haftender Gesellschafter die protokollierte Firma „O Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (in der Folge: GesmbH) und als Kommanditisten I und H angehören. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist die Haftung der beiden Kommanditisten den Gläubigern gegenüber mit dem Betrag von je S 50.000,-- begrenzt. I verpflichtete sich, das ihr gehörige, zu HRA ... beim Landesgericht Klagenfurt protokollierte Unternehmen „Firma O“ (in der Folge: Einzelunternehmen) mit allen Aktiven und Passiven in die Beschwerdeführerin einzubringen.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt setzte für die Einlage der KomplementärgesmbH eine Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GebG 1957 in Höhe von S 2.000,-- fest. Außerdem teilte es der Beschwerdeführerin mit, daß ihr die zu ihrer Eintragung in das Handelsregister erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nach Entrichtung einer Gesellschaftsteuer von S 2.000,-- für die Kommanditeinlagen erteilt werden würde; die Beschwerdeführerin entrichtete diesen Betrag, stellte jedoch mit Eingabe vom 14. August 1975 den Antrag, die Einbringung des Einzelunternehmens in die Beschwerdeführerin durch Erlassung eines „Null-Bescheides“ von der Gesellschaftsteuer freizustellen, weil Einbringungsvorgänge der vorliegenden Art gemäß § 8 Abs. 1 und § 9 Strukturverbesserungsgesetz, BGBl. Nr. 69/1969 idgF (StruktVG), von den Kapitalverkehrsteuern befreit seien.
In dem Bericht über die beim Einzelunternehmen im Jahre 1977 durchgeführte Betriebsprüfung betreffend Abgaben für die Jahre 1973 bis 1975 wurde u. a. festgestellt, daß die Kommanditeinlagen in die Beschwerdeführerin der Kapitalverkehrsteuer unterliegen.
Mit Bescheid vom 11. August 1982 setzte das Finanzamt für die Kommanditeinlagen anläßlich der Gründung der Beschwerdeführerin dieser gegenüber die Gesellschaftsteuer mit S 41.222,-- fest (Bemessungsgrundlage: S 2,011.122,18 für die Kommanditeinlage der I und S 50.000,-- für die Kommanditeinlage des H). In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, daß dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Null‑Bescheides nicht habe entsprochen werden können, weil nach dem StruktVG nur die Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in eine Kapitalgesellschaft, nicht jedoch die Einbringung eines solchen Betriebes in eine Personengesellschaft begünstigt sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, im Zusammenhang mit ihrer Gründung sei ein Kapitalverkehrsteueranspruch nicht entstanden, weil es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Personengesellschaft handle. Würde aber - ausgehend von der Annahme, daß die Beschwerdeführerin gesellschaftsteuerlich eine Kapitalgesellschaft darstelle - das Kapitalverkehrsteuergesetz vom 16. Oktober 1934, DRGBl. I S. 1058 (KVG), Anwendung finden, müßte dies in gleicher Weise für die Bestimmungen des StruktVG gelten, nach denen der Einbringungsvorgang abgabenfrei sei. Abgesehen davon sei zufolge der rechtzeitig erfolgten Anzeige des Gesellschaftsvertrages bereits Bemessungsverjährung der Gesellschaftsteuer eingetreten.
Gegen eine abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte hiezu im wesentlichen aus:
1) Zur Anwendung von Bestimmungen des StruktVG:
Eine GesmbH & Co KG gelte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich als „Quasi‑Kapitalgesellschaft“ im Sinne des KVG, bleibe aber im übrigen handels- und steuerrechtlich eine Personengesellschaft. Der Begriff der Kapitalgesellschaft sei auf Grund der Sonderbestimmungen des § 6 Abs. 1 Z. 4 KVG nur für den Bereich dieses Gesetzes erweitert worden und unterscheide sich damit vom Gesellschaftsbegriff nach dem Körperschaftsteuergesetz oder dem Strukturverbesserungsgesetz. Dies ergebe sich auch daraus, daß im Schrifttum die Ansicht vertreten werde, der Betrieb einer GesmbH & Co KG könne nach den Bestimmungen des Art. III StruktVG als Betrieb einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Einer Steuerbefreiung gemäß § 11 Abs. 1 StruktVG (Art. IV) sei im Streitfall die Tatsache entgegengestanden, daß die Beschwerdeführerin noch nicht mehr als zwei Jahre bestanden habe.
2) Zur Bemessungsverjährung:
Da sich in den Verwaltungsakten kein Hinweis darauf finde, daß der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines „gesellschaftsteuerlichen Null‑Bescheides“ bisher bescheidmäßig erledigt worden sei, sei der Abgabenfestsetzung gemäß § 209a Abs. 2 BAO Bemessungsverjährung nicht entgegengestanden. Im übrigen sei die Bemessungsverjährung durch die Betriebsprüfung beim Einzelunternehmen im Jahre 1977 unterbrochen worden, weswegen sie im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheides noch nicht eingetreten gewesen sein könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem „Recht auf Gesellschaftsteuerfreiheit (in eventu Gesellschaftsteuerfreiheit in concreto wegen Eintritts der Verjährung) sowie in unserem Recht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unter Einhaltung des Parteiengehörs verletzt“.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall steht unter anderem in Streit, ob der Geltendmachung des Gesellschaftsteueranspruches durch die Abgabenbehörde erster Instanz Bemessungsverjährung entgegengestanden ist oder nicht. Die belangte Behörde stützt ihre Rechtsansicht, daß dies nicht der Fall gewesen sei, zum einen darauf, daß ein Anwendungsfall des § 209a Abs. 2 BAO vorliege, und zum anderen darauf, daß der im Jahre 1977 vom Finanzamt Klagenfurt beim eingebrachten Einzelunternehmen durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung eine die Bemessungsverjährung der Gesellschaftsteuer gegenüber der Beschwerdeführerin unterbrechende Wirkung zukomme.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag in diesem Punkt die Rechtsansicht der belangten Behörde aus folgenden Gründen nicht zu teilen:
Der von der belangten Behörde herangezogene § 209a BAO hat folgenden Wortlaut:
„§ 209a. (1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.
(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde.“
Nach dem klaren Wortlaut des Absatzes. 2 dieser Gesetzesstelle setzt die Anwendung des darin umschriebenen Tatbestandes unter anderem voraus, daß zwischen der Erledigung eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85 BAO) und einer Abgabenfestsetzung insofern ein Zusammenhang besteht, als eine Abgabenfestsetzung von einer Maßnahme der ersteren Art „abhängt“. Von einer solchen im Gesetz geforderten Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung kann aber im vorliegenden Fall deshalb nicht die Rede sein, weil die Festsetzung der Gesellschaftsteuer nicht die (außerhalb des Festsetzungsverfahrens) zu treffende Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin vom 14. August 1975 zur Voraussetzung hatte.
Da sohin ein Anwendungsfall des § 209a Abs. 2 BAO nicht vorliegt, war zu prüfen, ob das zweite von der belangten Behörde ins Treffen geführte Argument, daß der Erlassung des erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheides Bemessungsverjährung wegen Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht entgegengestanden sei, zutrifft. Auch dies ist indes aus folgenden Gründen zu verneinen:
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, verjährt gemäß § 207 Abs. 2 BAO bei Abgabenansprüchen nach Art des vorliegenden nach fünf Jahren. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a leg. cit. in diesen Fällen mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Mangels eines Anhaltspunktes dafür, daß im Beschwerdefall die Bemessungsverjährungsfrist zehn Jahre betragen könnte, ist für den allenfalls im Jahre 1975 entstandenen Gesellschaftsteueranspruch vorbehaltlich einer noch vorher getätigten Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO mit Ablauf des Jahres 1980, also noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheides vom 11. August 1982, Bemessungsverjährung eingetreten.
Eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO sieht die belangte Behörde einzig und allein in der im Jahre 1977 vom Finanzamt Klagenfurt beim Einzelunternehmen durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung. Dieser Maßnahme kommt aber schon deswegen nicht der Charakter einer Unterbrechungshandlung gegenüber der Beschwerdeführerin zu, weil es sich hiebei nicht, wie dies erforderlich wäre (vgl. hiezu Stoll, Handbuch zur BAO, Seite 493/494, und die dort zitierten hg. Vorerkenntnisse), um eine Handlung der sachlich zuständigen Abgabenbehörde gehandelt hat. Die gegenständliche Prüfung erfolgte auftrags des Finanzamtes Klagenfurt, ist also dieser Behörde zuzurechnen. Für die Erhebung der Gesellschaftsteuer bei der Beschwerdeführerin ist hingegen das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt, somit eine Behörde mit anderem sachlichen Wirkungsbereich zuständig.
Auf Grund des Gesagten hätte schon die Abgabenbehörde erster Instanz hinsichtlich der im Jahre 1975 getätigten Kommanditeinlagen Gesellschaftsteuer nicht mehr festsetzen und die belangte Behörde diese Festsetzung nicht mit dem angefochtenen Bescheid bestätigen dürfen.
Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 13. April 1987
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