VwGH 85/13/0194

VwGH85/13/01944.2.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerde des Ing. OF in W, vertreten durch Dr. Dietrich Roessler, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 3 - 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Oktober 1985, Zl. GA 5-2223/11/85, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §47 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.050,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 2. März 1983, Zlen. 82/13/0085, 0088, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den vom Beschwerdeführer angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 1982, GZ. 5-2228/81, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In für das weitere Verfahren maßgebender Weise führte der Gerichtshof aus, daß ausschließlich die Frage strittig sei, ob jene Personen, die in den Streitjahren verschiedene Hilfsarbeiten im Büro des Beschwerdeführers durchgeführt hätten, zu diesem in einem Dienstverhältnis gestanden seien oder nicht. Dem Beschwerdeführer könne nicht entgegengetreten werden, wenn er der Ansicht sei, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich gewisse Merkmale von Dienst- bzw. Werkverträgen aufgezählt habe und sodann, ohne sich mit dem konkreten Sachverhalt auseinanderzusetzen, einfach zu dem für sie "zwingenden Schluß" gelangt sei, die in Rede stehenden Aushilfskräfte stünden in einem "nichtselbständigen Dienstverhältnis" zu dem Beschwerdeführer. Welche Umstände im einzelnen die belangte Behörde zu dieser Auffassung geführt hätten, ergäbe sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht. Der bloße Hinweis, die von den Büroaushilfskräften verrichteten Arbeiten, wie die Durchführung kleiner Schreibarbeiten, das Einordnen von Akten etc. trügen eindeutige Merkmale einer nichtselbständigen Tätigkeit, stelle keine schlüssige Begründung dieser Ansicht der belangten Behörde dar; könne doch kaum von irgendeiner Tätigkeit ohne nähere Prüfung der Umstände, unter denen sie ausgeführt würde, von vornherein gesagt werden, ob sie selbständig oder unselbständig erfolge.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde mit Schreiben vom 22. August 1983 verschiedene Überlegungen dargelegt, auf Grund deren sie endlich zu dem Schluß gelangte, daß die in Rede stehenden Aushilfskräfte als in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer stehend anzusehen seien. Nach mehreren Urgenzen seitens der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer hiezu in einer Eingabe vom 20. September 1985 aus, er betone, daß die von ihm verwendeten Aushilfskräfte "freie Mitarbeiter" und an keine Dienstzeit gebunden gewesen seien, "sondern in selbständiger Einteilung Aushilfsarbeiten verrichteten, die von untergeordneter Bedeutung waren ....". Es sei also, nach Ansicht des Beschwerdeführers, "keine Tätigkeit im Sinne eines Werkvertrages" vorgelegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Rechtsmittel zwar teilweise stattgegeben, jedoch daran festgehalten, daß die Büroaushilfskräfte als Arbeitnehmer des Beschwerdeführers zu behandeln seien. Begründend wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 29. Oktober 1980 hätten die in Rede stehenden Büroaushilfskräfte, welche bei verschiedenen Dienstgebern hauptberuflich tätig gewesen seien, außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit in den Abendstunden "den ihnen gesetzlich zustehenden Lohnsteuerfreibetrag von S 10.000,-- zusätzlich zu ihrem Lohn (Gehalt) verdienen wollen". Es sei daher im Einzelfall darauf geachtet worden, daß der Jahresverdienst S 10.000,-- nicht überstiegen habe, wobei je Kraft und Abend S 100,-- als Grenze anzusehen sei. Über die zeitliche Dauer der Tätigkeit der Aushilfskräfte gebe es keine Aufzeichnungen, da die genannten Personen nur fall- und stundenweise abends beschäftigt worden seien und im wesentlichen außer kleinen Schreibarbeiten das Einordnen und Registrieren von Akten etc. erledigt hätten. Die Büroaushilfskräfte seien nur dann herangezogen worden, wenn der Arbeitsanfall dies erfordert habe. Wie der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Dezember 1980 ferner mitgeteilt habe, hätten die Aushilfskräfte selbst lose Aufzeichnungen über ihre Tätigkeit geführt, die jedoch "jeweils nach Ausstellung der Bestätigung über den Erhalt der S 10.000,-- sofort vernichtet worden" seien.

Über niederschriftliche Befragung hätten die Aushilfskräfte übereinstimmend erklärt, daß ihre Arbeit im Ordnen der Fachliteratur, von Akten, Listen, Plänen und Kostennoten, sowie im Fall einer Kraft in der Führung der Korrespondenz, der Buchhaltung, der Lohnkonten und der Erstellung des Jahresabschlusses bestanden habe. Die Tätigkeit beim Beschwerdeführer sei meist zwei- bis dreimal wöchentlich angefallen und mit je S 50,-- pro Stunde entlohnt worden.

Aus diesem Sachverhalt ergebe sich, daß die Büroaushilfskräfte "typische Tätigkeiten von Büroangestellten ausgeübt" hätten und "nach der erbrachten Arbeitsleistung in Stunden entlohnt wurden". Geradezu typisch sei für eine Aushilfskraft, daß sich diese die Arbeitszeit selbst einteilen könne. Die Büroaushilfskräfte seien auch "eindeutig weisungsgebunden" gewesen, "da die Einordnung nach dem vom" Beschwerdeführer "gegebenen System erfolgen mußte und zweifellos nicht von Substituten der Aushilfskräfte vorgenommen werden konnte", da der Beschwerdeführer "als gerichtlich beeideter Sachverständiger über Aktenunterlagen und Schriftstücke verfügte, die nicht nur streng vertraulich zu behandeln waren, sondern sicherlich auch dem Datenschutz unterlagen und deshalb nur von Vertrauenspersonen" des Beschwerdeführers hätten eingesehen werden dürfen.

Zusammenfassend erscheine "es ausreichend geklärt", daß die Aushilfskräfte einfache Büroarbeiten in unselbständiger Tätigkeit nach den Weisungen des Beschwerdeführers verrichtet hätten, wobei ihnen Freizügigkeit in der Zeiteinteilung zugestanden sei. Daraus resultiere, daß die nach Arbeitsstunden zugeflossene Entlohnung grundsätzlich den Lohnabgaben zu unterwerfen sei. Ein nach Meinung des Beschwerdeführers jedem Arbeitnehmer jährlich zustehender "Lohnsteuerfreibetrag für Aushilfsarbeiten von S 10.000,-- ist dem Einkommensteuerrecht fremd".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist ausschließlich die Frage strittig, ob jene Personen, die in den Streitjahren verschiedene Hilfsarbeiten im Büro des Beschwerdeführers durchführten, zu diesem in einem Dienstverhältnis standen oder nicht.

Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1972 sind natürliche Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Arbeitnehmer ist zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nicht, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen und sonstige Leistungen handelt. Nach § 47 Abs. 3 EStG 1972 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Als Dienstnehmer ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Arbeitnehmer im Sinne des § 47 EStG 1972 anzusehen; nach dieser Bestimmung ist auch zu beurteilen, ob ein Dienstverhältnis vorliegt oder nicht.

Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 47 EStG 1972, Tz 5, und die dort angeführte hg. Judikatur) sind als wesentliche Merkmale einerseits für selbständige Tätigkeit das Unternehmerwagnis, andererseits für unselbständige Tätigkeit die Weisungsgebundenheit und die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Unternehmers anzusehen. Es muß daher im Einzelfall untersucht werden, ob eine bestimmte Person das Unternehmerwagnis trägt und deshalb bei ihren Entschließungen von einer über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinausgehenden Bindung an Weisungen des Unternehmers frei bleibt oder nicht. Erst wenn die Behörde ein genaues Bild über die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der beschäftigten Person die Pflichten, die ihr obliegen, die Risken, die sie zu tragen hat und ihre allfällige Weisungsgebundenheit besitzt, kann die Behörde eine entsprechend fundierte rechtliche Beurteilung über die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Tätigkeit abgeben (vgl. z. B. hg. Erkenntnisse vom 7. November 1958, Zl. 12/56, und vom 22. Mai 1959, Zl. 125/57).

Die belangte Behörde hat sich auch im fortgesetzten Verfahren mit diesen Fragen nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt und ist im wesentlichen ausgehend von der Feststellung, daß die in Rede stehenden Arbeitskräfte "typische Tätigkeiten von Büroangestellten" ausübten, zu der Ansicht gelangt, daß es sich bei den genannten Personen um Dienstnehmer des Beschwerdeführers handle. Daß ein solcher lediglich allgemein auf die Art der Tätigkeit einer Person gestützter Schluß nicht ohne weiteres zulässig ist, hat der Gerichtshof bereits in dem Vorerkenntnis vom 2. März 1983, Zlen. 82/13/0085, 0088, zum Ausdruck gebracht, in welchem er ausführte, es könne "kaum von irgendeiner Tätigkeit ohne nähere Prüfung der Umstände, unter denen sie ausgeübt wird, von vornherein gesagt werden, ob sie selbständig oder unselbständig erfolgt".

Die belangte Behörde hat es im Verwaltungsverfahren insbesondere unterlassen, sich mit der Frage der organisatorischen Eingliederung der betreffenden Hilfskräfte in das Unternehmen des Beschwerdeführers entsprechend auseinanderzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung wäre aber umso dringender notwendig erschienen, als einerseits AK angab, sie wäre bei dem Beschwerdeführer nur "unregelmäßig beschäftigt" gewesen und andererseits dieser selbst ausführte, die Leistungen der betreffenden Personen seien stets nur bei entsprechendem Arbeitsanfall in Anspruch genommen worden. Auch die Aussage der BC, wonach sie, wenn sie im Laufe eines Kalenderjahres einen bestimmten Betrag vom Beschwerdeführer vereinnahmt hatte, zu diesem offenbar ohne Rücksicht darauf, ob Arbeit für sie vorgelegen wäre oder nicht, einfach "nicht mehr hingegangen" sei, spricht in diesem Zusammenhang eher für eine selbständige als für eine unselbständige Tätigkeit. Einen zwingenden Schluß, daß Dienstverhältnisse vorgelegen seien, läßt unter diesen Umständen weder die unbestrittene Tatsache, daß eine tageweise Bezahlung für die geleisteten Arbeiten erfolgte noch die im Zusammenhang des Schreibens des Beschwerdeführers vom 20. September 1985 gesehen offenbar irrtümliche Bemerkung, die Bürokräfte würden "keine Tätigkeit im Sinne eines Werkvertrages" ausüben, zu. Gleiches gilt sowohl von der Annahme der belangten Behörde, die Büroaushilfskräfte seien deshalb "eindeutig weisungsgebunden" gewesen, weil das Einordnen der Aktenstücke nach dem vom Beschwerdeführer gegebenen System habe vorgenommen werden müssen als auch von dem nicht schlüssigen Hinweis, nur in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer stehende "Vertrauenspersonen" hätten die in Rede stehenden Arbeiten verrichten können.

Da sich demnach der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 4. Februar 1987

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