VwGH 86/10/0017

VwGH86/10/001724.2.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Egger, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I, Singerstraße 17 - 19, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 3. Dezember 1985, Zl. MA 22-B 25/84, betreffend Feststellung nach dem Wiener Baumschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

BaumschutzG Wr 1974 §4 Abs1 Z6;
EisenbahnG 1957 §20 Abs1 Satz1;
EisenbahnG 1957 §35 Abs1;
EisenbahnG 1957 §36 Abs1;
BaumschutzG Wr 1974 §4 Abs1 Z6;
EisenbahnG 1957 §20 Abs1 Satz1;
EisenbahnG 1957 §35 Abs1;
EisenbahnG 1957 §36 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 1985 wurde der beschwerdeführenden Partei unter Berufung auf § 4 Abs. 1 Z. 5 und Abs. 2 des Wiener Baumschutzgesetzes (LGBl. Nr. 27/1974, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 19/1984, im folgenden: BSchG) die Bewilligung zum Entfernen von 20 näher bezeichneten Bäumen erteilt.

Gemäß § 6 Abs. 2 BSchG wurde die Durchführung einer Ersatzpflanzung von 20 Bäumen vorgeschrieben.

Gemäß § 6 Abs. 5 leg. cit. wurde festgestellt, daß einer Ersatzpflanzung teilweise nicht entsprochen werden könne. Das Ausmaß der teilweise nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung werde daher mit 154 Bäumen ausgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der beschwerdeführenden Partei sei mit Bescheid des "Amtes der Wiener Landesregierung" (richtig wohl: des Landeshauptmannes von Wien) vom 16. April 1984 gemäß § 35 Abs. 1 und 36 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes 1957 (BGBl. Nr. 60 idgF, im folgenden kurz: EG) die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung des Gleises "Verbindungsschleife Donauländebahn, Abzweigung Oswaldgasse-Bahnhof Meidling (Gleis 5)" unter Vorschreibung einer Reihe von "Bedingungen" erteilt worden. Punkt 17)a) derselben sehe vor, daß im Zuge der Oswaldgasse von der Bauwerberin (der beschwerdeführenden Partei) eine Fuß- und Radwegunterführung basierend auf einem näher bezeichneten generellen Projekt herzustellen sei. Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen der MA 42 vom 8. November 1985 ergebe sich, daß sämtliche entfernten Bäume auf Grund dieser "Bedingung" entfernt hätten werden müssen. Ohne Entfernung dieser Bäume wäre der Bau der Fuß- und Radwegunterführung nicht möglich gewesen. Die beschwerdeführende Partei verkenne, daß es sich bei einem Auflagepunkt in einem Bescheid zur Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung um keine behördliche Anordnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 BSchG handle. Mit dem zitierten Bescheid (vom 16. April 1984) werde nämlich grundsätzlich eine Bewilligung erteilt. Die "Auflagen bzw. Bedingungen" in diesem Bescheid bildeten nur eine einschränkende Regelung für die Ausübung dieses Rechtes. Von einer behördlichen Anordnung könne daher insofern nicht gesprochen werden, als die Verpflichtung zur Erfüllung der im (eisenbahnrechtlichen) Bescheid vorgeschriebenen Bedingungen nur dann vorliege, wenn das in diesem Bescheid erteilte Recht auch tatsächlich ausgeübt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht verletzt, "von der Verpflichtung zu einer das Verhältnis 1 : 1 übersteigenden Ersatzpflanzung entbunden zu werden".

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) bringt die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 6 und des § 6 Abs. 2 BSchG im wesentlichen vor, sie könne sich der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht anschließen, sondern sei vielmehr der Ansicht, daß ein Auflagepunkt in einem Bescheid einen wesentlichen Bestandteil desselben darstelle, das rechtliche Schicksal desselben teile und somit sehr wohl eine behördliche Anordnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 BSchG darstelle. Weiters habe die beschwerdeführende Partei gemäß § 20 EG u.a. Verkehrsanlagen, die durch den Bau der Eisenbahn gestört oder unbenützbar würden, nach dem Ergebnis des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens auf ihre Kosten in geeigneter Weise wiederherzustellen; unter Hinweis auf diese Gesetzesstelle sei ihr im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid vom 16. April 1984 die Herstellung einer Fuß- und Radwegunterführung vorgeschrieben worden. Die Entfernung der Bäume habe sohin nicht nur auf Grund einer der beschwerdeführenden Partei obliegenden, auf behördliche Anordnung beruhenden Verpflichtung, sondern auch auf Grund zwingender gesetzlicher Vorschriften, nämlich des § 20 EG, zu erfolgen gehabt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird die Entfernung eines Baumes bewilligt, so ist - ausgenommen im Falle des hier nicht in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Z. 2 - gemäß § 6 Abs. 1 BSchG nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Ersatzpflanzung durchzuführen. Nach § 6 Abs. 2 BSchG bestimmt sich das Ausmaß der Ersatzpflanzung derart, daß pro angefangenen 15 cm Stammumfang des zu entfernenden Baumes, gemessen in 1 m Höhe vom Beginn der Wurzelverzweigung, ein Ersatzbaum mittlerer Baumschulenqualität zu pflanzen ist. In den Fällen des § 4 Abs. 1 Z. 1, 3 und 6 sind Ersatzbäume im Verhältnis 1 : 1 zu pflanzen, wobei im Falle des § 4 Abs. 1 Z. 6 der Magistrat von der Vorschreibung der Ersatzpflanzung Abstand nehmen kann.

§ 6 Abs. 5 BSchG normiert, daß dann, wenn Möglichkeiten für eine Ersatzpflanzung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht oder nicht ausreichend gegeben sind, im Bescheid gemäß § 5 Abs. 3 (dem Bewilligungsbescheid) festzustellen ist, in welchem Ausmaß der Ersatzpflanzung nicht entsprochen werden kann, und es ist hiebei das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung auszuweisen.

Wird eine Bewilligung zur Entfernung von Bäumen erteilt, ohne daß die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung (oder Umpflanzung) voll erfüllt werden kann und ist dies mit Bescheid (§ 6 Abs. 5) festgestellt, so hat gemäß § 9 Abs. 1 BSchG der Träger der Bewilligung nach Maßgabe der folgenden Absätze eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob sich im Beschwerdefall das Ausmaß der Ersatzpflanzung pro angefangenen 15 cm Stammumfang der entfernten Bäume oder im Verhältnis 1 : 1 bestimmt.

Die Beschwerdeführerin vermag sich jedoch nicht mit Erfolg auf die von ihr ins Treffen geführte Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 6 BSchG zu berufen:

Nach dieser Bestimmung bedarf das Entfernen von Bäumen einer Bewilligung. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn der Grundeigentümer (Bauberechtigte) eine ihm auf Grund zwingender gesetzlicher Vorschriften unmittelbar obliegende Verpflichtung oder behördliche Anordnungen ohne die Entfernung von Bäumen nicht erfüllen könnte.

Mit dem erwähnten eisenbahnrechtlichen Bescheid vom 16. April 1984 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß den §§ 35 Abs. 1 und 36 Abs. 1 EG eine Bewilligung "unter Vorschreibung der nachstehend angeführten Bedingungen" erteilt. Die unter der Überschrift "Ersatzmaßnahmen gemäß § 20 Eisenbahngesetz 1957" enthaltene Vorschreibung Punkt 17)a) im Spruch dieses Bescheides, welche unbestrittenermaßen zu der in Rede stehenden Baumfällung geführt hat, schreibt der beschwerdeführenden Partei als "Bauwerberin" vor, eine näher beschriebene Fuß- und Radwegunterführung herzustellen.

Bei dieser Bewilligung handelt es sich um eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung. Inbegriff einer Genehmigung (Bewilligung) ist es, daß dem Bewilligungsinhaber die Entscheidung darüber zukommt, ob er von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1984, Zl. 82/07/0211). Der Träger dieser Bewilligung wird sohin ermächtigt, den genehmigten Bau durchzuführen; eine Verpflichtung hiezu besteht jedoch nicht. Daher sind auch die mit dem Bescheid verbundenen Auflagen nur "bedingte Polizeibefehle", die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 1966, Slg. Nr. 7028/A).

Im Hinblick auf diese Rechtsnatur der erwähnten Vorschreibung vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, dabei handle es sich nicht um eine "behördliche Anordnung" im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 BSchG, schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Diese Ansicht der belangten Behörde findet im übrigen in den Gesetzesmaterialien ihre Stütze: Nach den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des BSchG nimmt nämlich § 4 Abs. 1 Z. 6 darauf Bedacht, daß dem Grundeigentümer (Bauberechtigten) auf Grund verschiedener gesetzlicher Vorschriften aber auch auf Grund behördlicher Anordnungen "zwingende" Verpflichtungen obliegen können, denen er ohne Entfernung von Bäumen nicht entsprechen könnte.

Die beschwerdeführende Partei vermag sich aber auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 20 EG zu berufen: Abs. 1 erster Satz dieses Paragraphen sieht die Verpflichtung des Eisenbahnunternehmens vor, u.a. die Verkehrsanlagen, die durch den Bau der Eisenbahn gestört oder unbenützbar werden, nach dem Ergebnis des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens auf seine Kosten in geeigneter Weise wiederherzustellen. Es handelt sich bei dieser Verpflichtung um eine solche, die vom Bau der Eisenbahn abhängig gemacht ist, sohin um eine Folge, welche nur dann eintritt, wenn das Eisenbahnunternehmen von der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung Gebrauch macht. Nur in diesem Fall tritt daher die erwähnte Verpflichtung ein. Von einer "unmittelbar obliegenden" Verpflichtung auf Grund "zwingender" gesetzlicher Vorschriften im Grunde des § 4 Abs. 1 Z. 6 BSchG kann daher nicht gesprochen werden.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Februar 1986

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