VwGH 86/05/0062

VwGH86/05/006214.10.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde des EM in W, vertreten durch Dr. Richard Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Untere Viaduktgasse 55/11, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. April 1985, Zl. MDR-B XXII-70/84, betreffend einen baubehördlichen Abtragungsauftrag, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Richard Proksch, und der Vertreterin der belangten Behörde, Obermagistratsrat Dr. IG, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg impl;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg impl;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 5.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. April 1985 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer unter Berufung auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, die auf der Liegenschaft Wien, S-straße 55, EZ 82 des Grundbuches über die Kat. Gemeinde X, ohne Baubewilligung errichtete Badehütte im Ausmaß von 6 x 5 m binnen vier Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abzutragen.

Die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1986, Zl. B 440/85-10, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte Beschwerde und die dazu erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bau dann vorschriftswidrig im Sinne dieser Bestimmung, wenn für ihn die erforderliche baubehördliche Bewilligung nicht vorliegt. Ferner darf ein auf diese Bestimmung gestützter Auftrag nur hinsichtlich solcher Bauten erlassen werden, deren Bewilligungspflicht sowohl nach der Rechtslage zur Zeit der Errichtung als auch nach der Rechtslage zur Zeit der Erlassung des Auftrages gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1977, Slg. N. F. Nr. 9441 und die darin zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer hat anläßlich der im Gegenstande am 15. Oktober 1984 abgehaltenen Verhandlung entsprechend der bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Niederschrift ausdrücklich erklärt, daß "die Baulichkeit schon vor ca. 40 Jahren errichtet wurde", und in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Abtragungsauftrag unter Hinweis auf eine Kopie der "Mietaufwandsteuererklärung aus dem Jahre 1940, mit welcher für das gegenständliche Objekt vom Magistrat der Stadt Wien Steuern vorgeschrieben wurden", ausgeführt, daß der Magistrat "vor bereits mehr als 40 Jahren" Kenntnis von der Existenz des gegenständlichen Hauses gehabt habe. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten, daß für den Beschwerdeführer selbst dann nichts gewonnen wäre, wenn man nach diesem Berufungsvorbringen davon ausginge, daß die Baulichkeit vor ca. 40 bis 50 Jahren errichtet worden ist, weil die ca. 6 x 5 m große, gemauerte Badehütte dem von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung aus dem Jahre 1930 entwickelten Gebäudebegriff entspreche, weshalb diese Badehütte sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung einer Baubewilligung gemäß dieser Bestimmung bedurfte, als auch derzeit der Bewilligungspflicht unterliege.

Diese Meinung der belangten Behörde hält der Gerichtshof ebenso für zutreffend, wie die im angefochtenen Bescheid anschließend geäußerte Ansicht, daß die Bauordnung für Wien sowohl in der Fassung des Jahres 1930 als auch derzeit nur die Baubewilligung in Form eines schriftlichen Bescheides kennt. Im übrigen wäre für das Gebäude des Beschwerdeführers auch nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1883 eine Baubewilligung in schriftlicher Form erforderlich gewesen (vgl. deren §§ 14 und 24), weshalb dem gegen die zu ungenaue Bestimmung des Alters des Gebäudes gerichteten Beschwerdevorbringen unter diesem Gesichtspunkt keine Bedeutung zukommt. Da die sohin erforderliche schriftliche Baubewilligung für das Gebäude des Beschwerdeführers bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erteilt worden ist, hatte die belangte Behörde von einem im Sinne der angewendeten Norm vorschriftswidrigen Bau auszugehen, wobei im Hinblick auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen noch zu ergänzen ist, daß die belangte Behörde nicht etwa von der Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit des Baues auszugehen hatte, weil dies voraussetzt, daß der Zeitpunkt der Erbauung desselben so weit zurückliegt, daß die Erteilung der Baubewilligung fraglich erscheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, daß trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist (vgl. die Erkenntnisse vom 30. November 1964, Slg. N. F. Nr. 6509/A, und vom 1. März 1983, Zl. 82/05/0153, BaurechtsSlg. Nr. 17).

Weder das Vorbringen des Beschwerdeführers bei der erstinstanzlichen Verhandlung noch sein Berufungsvorbringen war auf einen so langen Bestand der Baulichkeit abgestellt. Anhaltspunkte dafür, daß aus irgendwelchen besonderen Gründen ausgerechnet für das in Rede stehende Gebäude des Beschwerdeführers in den Archiven der Magistratsabteilung 37 - unbestrittenermaßen - keine Unterlagen über eine schriftliche Baubewilligung desselben aufzufinden sind, hat auch der Beschwerdeführer nicht geliefert, zumal er nicht einmal behauptet hat, daß für die von ihm ins Treffen geführten, in der Umgebung seines Gebäudes gelegenen Baulichkeiten eine Baubewilligung erteilt worden sei. Es ist auch ohne rechtliche Bedeutung, daß die Behörde trotz Fehlens einer Baubewilligung möglicherweise jahrzehntelang nicht eingeschritten ist und die Benützung des Gebäudes des Beschwerdeführers (und allenfalls der in der Umgebung gelegenen Baulichkeiten) sohin unbeanstandet geblieben ist, weil auch aus einem langjährigen unbeanstandeten Gebrauch kein Rechtsanspruch auf weitere Duldung eines bauordnungswidrigen Zustandes abgeleitet werden kann (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1955, Zl. 3425/53, vom 26. April 1961, Zl. 146/60, und vom 27. November 1980, Zl. 165/80). Daher ist im gegebenen Zusammenhang auch der vom Beschwerdeführer besonders hervorgehobene Umstand irrelevant, daß für sein Gebäude Steuern vorgeschrieben worden sind.

Wenngleich die belangte Behörde keine Erhebungen darüber anzustellen hatte, ob für die in der Umgebung des Gebäudes des Beschwerdeführers gelegenen Baulichkeiten ebenfalls gleichartige baupolizeiliche Aufträge erteilt worden sind, soll nicht unerwähnt bleiben, daß dem Beschwerdeführer nicht willkürlich die Entfernung seines konsenslos errichteten Gebäudes aufgetragen worden ist, sondern deshalb (vgl. Blatt 1 der Akten), weil im Zuge der neuen Trassenführung der S-straße im Mündungsbereich K-straße eine Freimachung des gesamten rechten Uferbereiches des Mühlwassers zwischen Gewässer und neuer Straße anzustreben ist, wofür das Badehaus des Beschwerdeführers zu entfernen ist.

Abschließend ist noch festzuhalten, daß die belangte Behörde entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zu einer Auseinandersetzung mit der Frage verpflichtet war, ob für sein Gebäude eine nachträgliche Baubewilligung erwirkt werden kann, weil die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Baues im baupolizeilichen Auftragsverfahren nach der Bauordnung für Wien nicht zu prüfen ist (vgl. dazu nochmals das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 1. März 1983). Ein auf die Abtragung gerichteter baupolizeilicher Auftrag ist auch dann zulässig, wenn ein Ansuchen um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung eingebracht wurde; lediglich die Vollstreckung des Auftrages oder eine Bestrafung kommen während der Anhängigkeit eines derartigen Gesuches nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1983, Zlen. 83/05/0190, 0191, BaurechtsSlg. Nr. 151, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Es zeigt sich sohin, daß die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 14. Oktober 1986

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