VwGH 85/09/0016

VwGH85/09/00165.2.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des HD in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. Alfred Zaufal in Wien II, Praterstern 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 2. Juli 1984, Zl. 243.383/7‑5/1983, betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache in einer Angelegenheit der Opferfürsorge, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1
OFG §1 Abs1
OFG §1 Abs2
OFG §14 Abs2 litc

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985090016.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. März 1971 hatte die belangte Behörde im Instanzenzug auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers und in Bestätigung der beiden Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 10. September 1969 die Anträge des Beschwerdeführers vom 20. Mai 1965 1. auf Anerkennung als Opfer im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes (OFG) sowie auf Ausstellung der Amtsbescheinigung bzw. des Opferausweises und 2. auf Zuerkennung der Entschädigung für das Leben im Verborgenen im Sinne des § 14 Abs. 2 lit. c OFG für die Zeit vom September 1941 bis April 1945 abgewiesen. In der Bescheidbegründung hatte sie ihre rechtlichen Erwägungen auf § 1 Abs. 1 lit. d, weiters auf § 1 Abs. 2 lit. c und lit. d und schließlich auf § 14 Abs. 2 lit. c OFG gestützt und auf dieser rechtlichen Grundlage im wesentlichen festgestellt, die verschiedenen vom Beschwerdeführer beigebrachten und von der Behörde eingeholten Unterlagen ergäben in ihrem Zusammenhalt keineswegs ein lückenloses Bild des Einsatzes für ein freies und demokratisches Österreich und noch weniger einen Nachweis des Zusammenhanges der geltend gemachten Gesundheitsschädigungen und sonstigen Nachteile mit einem solchen Kampfe oder mit den Folgen einer aus politischen Gründen gegen den Beschwerdeführer ergriffenen Maßnahme. In der Bescheidbegründung war ferner ausgeführt worden, wie dem ‑ im einzelnen dargestellten ‑ Sachverhalt zu entnehmen sei, erscheine im Falle des Beschwerdeführers nicht glaubhaft, daß gegen ihn Verfolgungsmaßnahmen aus den im Opferfürsorgegesetz angeführten Gründen gesetzt worden seien. Erwiesen sei lediglich, daß sich der Beschwerdeführer von der Truppe entfernt und in der Folge verborgen gehalten habe, um der Ausforschung zu entgehen. Die Fahndung nach einem Wehrmachtsangehörigen, der sich von der Truppe entfernt habe, erfolge aus wehrpolitischen Gründen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlange jedoch der Begriff „Verfolgung“, daß der Angriff gegenüber dem Betroffenen aus dem im Opferfürsorgegesetz erwähnten Verfolgungszweck erfolge; ein solcher Verfolgungszweck fehle im Falle der Fahndung nach einem flüchtigen Wehrmachtsangehörigen. Somit stehe sowohl der durch die Entfernung von der Truppe bedingte Verlust des Wehrsoldes als auch das Leben im Verborgenen, das der Beschwerdeführer in der Folge habe auf sich nehmen müssen, in keinem Zusammenhang mit einer Verfolgungsmaßnahme aus den im Opferfürsorgegesetz umschriebenen Gründen. In dieser Zeit und durch die damaligen Lebensumstände etwa erworbene Gesundheitsschädigungen könnten daher nicht als anspruchsbegründende Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 OFG berücksichtigt werden. Ebenso liege kein verfolgungsbedingter Einkommensverlust im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. d OFG vor und es könne für das Leben im Verborgenen grundsätzlich keine Entschädigung gewährt werden, da die in § 14 Abs. 2 lit. c OFG geforderte Voraussetzung einer aus politischen Gründen im Sinne des Opferfürsorgegesetzes drohenden Verfolgung fehle. Der vom Beschwerdeführer behauptete Einsatz als Freiheitskämpfer in der Zeit zwischen Juni und Oktober 1944 sei ebenfalls nicht glaubhaft dargetan.

Mit dem am 7. November 1983 bei der Magistratsabteilung 12 eingelangten Schreiben begehrte der Beschwerdeführer die neuerliche Überprüfung seiner Ansprüche nach dem Opferfürsorgegesetz. Diesen Antrag führte er in seinem in der von der Magistratsabteilung 12 aufgenommenen Niederschrift vom 16. November 1983 festgehaltenen Vorbringen wie folgt näher aus:

Anerkennung als Opfer (des dabei zugezogenen Gesundheitsschadens) im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. d OFG für den Kampf als Partisane, § 1 Abs. 2 lit. c OFG für das U‑Boot‑Leben, Anerkennung als Opfer wegen Einkommensschädigung gemäß § 1 Abs. 2 lit. d OFG und Entschädigung für das U‑Boot‑Leben gemäß § 14 Abs. 2 lit. c OFG.

Mit Bescheid vom 28. November 1983 sprach der Landeshauptmann von Wien aus, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Opfer im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. d, des § 1 Abs. 2 lit. c und lit. d OFG sowie auf Gewährung einer Entschädigung gemäß § 14 Abs. 2 lit. c OFG gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde. In der Begründung führte der Landeshauptmann aus, daß derartige Anträge bereits mit Bescheiden vom 10. September 1969, Zl. MA 12‑35417/AB, OA und MA 12‑35417/E, abgewiesen worden seien, die mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 5. März 1971 bestätigt worden seien, da weder die politischen Gründe für die Verfolgung bzw. für den Einsatz des Beschwerdeführers noch die Verfolgung bzw. der Einsatz selbst nachgewiesen worden seien. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor nicht in der Lage, seinen politischen Einsatz bzw. eine aus politischen Gründen erlittene Verfolgung nachzuweisen. Da in dem Antrag vom 7. November 1983 keine neu entstandenen Tatsachen oder neue Beweismittel aufscheinen und auch die gesetzlichen Bestimmungen gleichgeblieben seien, liege Gleichheit der Sache vor und es sei der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid im wesentlichen mit folgender Begründung: Im gegenständlichen Fall, in dem zwischen der Erlassung der beiden Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 10. September 1969 und des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 5. März 1971 keine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten sei und in dem sich auch die neuen, auf Anerkennung als Opfer, Ausstellung einer Amtsbescheinigung bzw. eines Opferausweises und Gewährung einer Entschädigung wegen Lebens im Verborgenen gerichtete Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren Begehren decken, fehle es an einer Änderung jener tatsächlichen Umstände, welche für die bereits einmal erfolgte Abweisung der angeführten Anträge maßgeblich gewesen seien. Auch das Hervorkommen neuer Beweismittel wäre nicht geeignet, eine neue Sachentscheidung zu begründen. Sie könnten allenfalls die Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens bieten, sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt wären, was hier aber nicht der Fall sei (die objektive Frist von drei Jahren für eine Wiederaufnahme sei bereits bei weitem überschritten).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer einerseits in seinem Recht auf die Erlassung einer Sachentscheidung über seinen Antrag im Hinblick auf die geänderte Sach- und Rechtslage und andererseits auch in seinem Recht auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens und im Zusammenhang damit auf Sachentscheidung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die belangte Behörde hat nach dem eindeutigen Inhalt ihres Spruches und des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides, den die belangte Behörde bestätigt hat, den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. d und des § 1 Abs. 2 lit. c und d OFG und auf Entschädigung gemäß § 14 Abs. 2 lit. c OFG wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen, nicht aber über eine Wiederaufnahme des mit ihrem Bescheid vom 5. März 1971 abgeschlossenen Verfahrens abschlägig entschieden. Dies ergibt sich überdies auch eindeutig aus der Begründung des angefochtenen Bescheides. Hinzugefügt hat die belangte Behörde ihrer auf die Zurückweisung des Antrages wegen rechtskräftig entschiedener Sache bezogenen Begründung, daß auch das Hervorkommen neuer Beweismittel nicht geeignet „wäre“, eine neue Sachentscheidung zu begründen. Aus diesem Hinweis auf die ‑ nach Auffassung der Behörde von vornherein ohnedies nicht in Betracht kommende ‑ Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens kann schon im Hinblick auf den völlig eindeutigen Inhalt des Spruches nicht geschlossen werden, daß die belangte Behörde über eine Wiederaufnahme des Verfahrens abweisend entschieden hätte. Mangels eines Abspruches der belangten Behörde über die Wiederaufnahme des Verfahrens sind die Beschwerdeausführungen, in denen dargelegt wird, daß ein Wiederaufnahmeantrag bzw. eine Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig und gerechtfertigt gewesen wäre, nicht geeignet, mit Erfolg eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der sich ausschließlich und ausdrücklich auf § 68 Abs. 1 AVG 1950 gründet, darzutun.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Zurückweisung wegen entschiedener Sache begründet die Beschwerde damit, daß eine Änderung der Rechtslage und des Sachverhaltes eingetreten sei, wobei sie als Änderung des Sachverhaltes insbesondere auf die Auffindung neuer Beweismittel hinweist. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet die Beschwerde im wesentlichen damit, daß die belangte Behörde die zahlreichen aktenkundigen Beweismittel weder berücksichtigt, geschweige denn gewürdigt habe.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, daß Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, auch dann wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückzuweisen sind, wenn das Begehren nicht ausdrücklich auf Aufrollung der entschiedenen Sache lautet.

Aus der formellen Rechtskraft eines Bescheides folgt grundsätzlich auch seine materielle Rechtskraft. Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist aber stets nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde in ihrem Bescheid gestützt hat. Die Rechtskraft eines Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag der Partei dann nicht entgegen und berechtigt die Behörde somit nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt oder in der für die Entscheidung maßgebend gewesenen Rechtslage eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Von einer geänderten Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neuerlich gestellte Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, kann nur dann gesprochen werden, wenn nach der Abweisung des ersten Ansuchens sich die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für diese Entscheidung gewesen waren, so geändert haben, daß sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anders lautende Entscheidung ermöglicht hätten (vgl. dazu insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1974, Zl. 1078/73, Slg. N. F. Nr. 8577/A, vom 5. Mai 1961, Zl. 1202/58, vom 19. März 1970, Zl. 1806/68, Slg. N. F. Nr. 7762/A, und vom 18. Dezember 1973, Zl. 0035/73).

Was zunächst das von der Beschwerde als Sachverhaltsänderung geltend gemachte Auffinden neuer Beweismittel anlangt, so bedeutet zwar das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel eine Ausnahme von dem Grundsatz der materiellen Rechtskraft eines einem ordentlichen Rechtsmittel nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dies jedoch nur unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen einer auf Antrag der Partei (vgl. dazu § 68 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 69 ff AVG 1950) oder von Amts wegen zu bewilligenden bzw. zu verfügenden Wiederaufnahme des Verfahrens. Von einer nach der Bescheiderlassung eingetretenen maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes, die allein, ohne daß es eines Bescheides über die Wiederaufnahme des Verfahrens bedürfte, die Behörde zu einer neuerlichen Sachentscheidung über den Antrag der Partei verpflichten würde, kann im Zusammenhang mit den von der Beschwerde geltend gemachten Auffinden neuer Beweismittel keine Rede sein.

Weder aus dem in der Beschwerde angeführten Vorbringen des Beschwerdeführers im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch auch aus der Beschwerde selbst ergibt sich, daß und gegebenenfalls inwieweit nach der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 5. März 1971 eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eingetreten ist. Eine seit der Bescheiderlassung eingetretene maßgebende Änderung des dem Bescheid vom 5. März 1971 zugrunde liegenden Sachverhaltes hätte die Behörde erster Instanz zu einer Sachentscheidung verpflichtet. Es fehlt jedoch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers jeder Anhaltspunkt dafür, daß sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in einem maßgebenden Punkt geändert hätte.

Die Änderung der Rechtslage begründet die Beschwerde damit, daß durch die 22. Opferfürsorgegesetz‑Novelle vom 26. April 1972 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. g OFG dadurch wesentlich anders gefaßt worden seien, daß anstatt des bisherigen Erfordernisses eines Lebens im Verborgenen von dreieinhalb Jahren nur mehr ein Zeitraum von sechs Monaten für die erwähnten Beeinträchtigungen genüge.

Die Beschwerde vermag mit diesen Ausführungen schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht mit Erfolg geltend zu machen, weil schon der Ausgangspunkt der von der Beschwerde vorgebrachten rechtlichen Überlegungen unzutreffend ist. Durch Art. I des Bundesgesetzes vom 11. November 1970, BGBl. Nr. 352 (21. Opferfürsorgegesetz‑Novelle), wurde dem § 1 Abs. 2 OFG nach der lit. f folgende Bestimmung neu angefügt:

„g) ein Leben im Verborgenen auf dem Gebiet der Republik Österreich, sofern dieses mindestens 6 Monate gedauert hat,“.

Diese Bestimmung ist gemäß Art. III Abs. 1 der 21. Opferfürsorgegesetz‑Novelle am 1. Jänner 1971 in Kraft getreten.

Durch das Bundesgesetz vom 26. April 1972, BGBl. Nr. 164 (22. Opferfürsorgegesetz-Novelle), wurde die oben wiedergegebene Bestimmung des § 1 Abs. 2 lit. g OFG neu gefaßt, indem die in der ursprünglichen Fassung angeordnete Einschränkung „auf dem Gebiet der Republik Österreich“ aufgehoben wurde.

Abgesehen davon, daß somit die von der Beschwerde behauptete Änderung der Rechtslage seit der Erlassung des Bescheides vom 5. März 1971 nicht eingetreten ist, weil die von der Beschwerde angeführte Regelung schon mit dem 1. Jänner 1971, also schon vor der Erlassung des erwähnten Bescheides der belangten Behörde, in Kraft getreten ist und die Beschwerde selbst die nach der Bescheiderlassung durch die 22. OFG‑Novelle verfügte Änderung des § 1 Abs. 2 lit. g OFG zu Recht als im Beschwerdefall nicht maßgebliche Änderung der Rechtslage nicht erwähnt, ist aus folgenden Erwägungen eine maßgebende Änderung der Rechtslage, die die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung verpflichtet hätte, nicht gegeben:

Die belangte Behörde hat den seinerzeitigen Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Opfer im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. d und im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. c und d OFG und ferner den Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung gemäß § 14 Abs. 2 lit. c OFG mit der Begründung abgewiesen, daß der vom Beschwerdeführer behauptete Einsatz als Freiheitskämpfer in der Zeit zwischen Juni und Oktober 1944 nicht glaubhaft dargetan worden sei, daß die Art eines etwaigen Einsatzes im Kampfe gegen den Nationalsozialismus ebensowenig nachgewiesen sei, wie die geltend gemachte Gesundheitsschädigung und deren Ursache und daß es nicht glaubhaft erscheine, daß gegen den Beschwerdeführer Verfolgungsmaßnahmen aus den im Opferfürsorgegesetz angeführten Gründen gesetzt worden seien. Derartige Gründe, die von der belangten Behörde seinerzeit offenkundig auch als Begründung für den im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. März 1971 übernommen worden sind, liegen auch den beiden Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 10. September 1969 zugrunde. In der Begründung des den Antrag nach § 1 Abs. 1 und 2 OFG ablehnenden Bescheides vom 10. September 1969 wurde dargelegt, daß keine der ‑ im Bescheid im einzelnen angeführten ‑ Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit auf die vom Antragsteller geltend gemachte Schädigung zurückzuführen sei. Der vom Antragsteller behauptete aktive Einsatz in einer Widerstandsbewegung, so heißt es in der Begründung dieses Bescheides ferner, erscheine nicht nachgewiesen. Dasselbe gelte bezüglich des Lebens im Verborgenen. Der politische Grund des Untertauchens (politische Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 OFG) sei, so wird schließlich in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt, nicht nachgewiesen. In dem den Antrag nach § 14 Abs. 2 lit. c OFG betreffenden Bescheid vom 10. September 1969 wurde in der Begründung festgestellt, daß die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung der Kripo Graz, wonach der Beschwerdeführer im Jänner 1945 wegen Fahnenflucht zur Fahndung ausgeschrieben gewesen sei, als Beweismittel dafür, daß der Beschwerdeführer aus politischen Gründen verfolgt worden und demzufolge untergetaucht sei, wertlos sei, weil es üblich sei, daß ein desertierter Soldat wegen Fahnenflucht gesucht werde.

Die seinerzeitigen Anträge des Beschwerdeführers wurden somit von der belangten Behörde mit Bescheid vom 5. März 1971 mangels Vorliegens der allgemeinen und grundlegenden Voraussetzungen nach dem Opferfürsorgegesetz (§ 1 Abs. 1 und 2: „Opfer des Kampfes um ein freies demokratisches Österreich“ und „Opfer der politischen Verfolgung“, § 14 Abs. 2 lit. c: „aus den Gründen des § 1 Abs. 1 und Abs. 2“) abgewiesen. Nur eine Änderung dieser für die Abweisung der Anträge maßgebend gewesenen gesetzlichen Bestimmungen hätte die Behörde erster Instanz zu einer neuen Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers verpflichtet. Eine derartige Änderung des Opferfürsorgegesetzes ist aber nicht gegeben.

Bemerkt sei, daß auch die durch die 22. Opferfürsorgegesetz‑Novelle verfügte Änderung des § 14 Abs. 2 lit. c OFG (Entfall der Wendung „unter menschenunwürdigen Bedingungen“) die materielle Rechtskraft des Bescheides vom 5. März 1971 nicht berührt hat, weil es sich auch bei dieser Regelung nicht um eine Bestimmung handelt, durch die die in dem rechtskräftigen Bescheid angewendete gesetzliche Regelung betroffen wird.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, 5. Februar 1986

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