VwGH 84/15/0157

VwGH84/15/015715.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde der Gemeinde T, vertreten durch Dr. Karl Janowsky, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom 6. Juli 1984, Zl. 30.390 - 3/84, betreffend Umsatzsteuer 1979 und 1980, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art12 Abs1 Z1;
B-VG Art14 Abs4 litb;
KStG 1966 §2;
UStG 1972 §2 Abs3;
UStG 1972 §2 Abs4 Z1;
B-VG Art12 Abs1 Z1;
B-VG Art14 Abs4 litb;
KStG 1966 §2;
UStG 1972 §2 Abs3;
UStG 1972 §2 Abs4 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Der Bürgermeister der Beschwerdeführerin (eine Gemeinde in Tirol) hatte der Finanzlandesdirektion für Tirol auf Grund deren Anfrage vom 31. Jänner 1984 mit Schreiben vom 22. Februar 1984 u. a. mitgeteilt, daß der Kindergarten der Beschwerdeführerin im September 1979 fertiggestellt und mit Schulbeginn September 1979 vorläufig mit einem Gruppenraum in Betrieb genommen worden sei. Diesem Schreiben ist weiters zu entnehmen, daß die Eltern (Erziehungsberechtigten) im Sinne des § 27 des Tiroler Kindergarten- und Hortgesetzes, LGBl. Nr. 14/1973, folgendes Entgelt (ausschließlich Umsatzsteuer) geleistet hatten: Im Jahre 1979 S 12.222,22, im Jahre 1980 S 36.949,30, im Jahre 1981 S 35.601,85, im Jahre 1982 S 39.953,70 (laut telefonischer Ergänzung dieses Schreibens am 5. Juli 1984 einschließlich einer Spende von S 2.112,--) und im Jahre 1983 S 36.314,81,--. Für das Jahr 1984 sei ein Entgelt (ausschließlich Umsatzsteuer) von S 43.636,36 erwartet worden.

Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung vom 6. Juli 1984 gab die Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) den jeweils rechtzeitig eingebrachten Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck 1. vom 8. Oktober 1980 und 2. vom 7. Dezember 1981, soweit mit diesen Bescheiden bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1. 1979 und 2. 1980 die Rechtsansicht vertreten worden war, daß der in Rede stehende Kindergarten nicht ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972 sei und der diesbezüglich jeweils geltend gemachte Vorsteuerabzug daher nicht in Betracht komme, nicht Folge. Dies im wesentlichen unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 2, 12 und 21 Abs. 6 UStG 1972 sowie 2 KStG 1966 und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Nur gegen diesen Teil dieser Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 UStG 1972 können nur Unternehmer einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1972, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind auf Grund des § 2 Abs. 3 UStG 1972 nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1966) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Mit der hier allein strittigen Frage der Beurteilung eines Gemeindekindergartens als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen auseinandergesetzt. Durch die bisherige Rechtsprechung ist im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG klargestellt, daß es sich bei einem Betrieb gemäß § 2 KStG 1966 "um eine Tätigkeit von einigem wirtschaftlichen Gewicht" handeln muß, diese Voraussetzung aber nicht erfüllt ist, wenn der Umsatz eines Jahres nicht einmal die (seit Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1972 unverändert gebliebene) Bagatellgrenze des § 21 Abs. 6 UStG 1972 von S 40.000,-

- jährlich erreicht (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1985, Zl. 85/15/0198, 22. September 1983, Zl. 83/15/0088 - betreffend einen Gemeindekindergarten in Tirol, 15. April 1982, Zl. 15/0833/79, 24. September 1981, Zl. 15/2847/79, und 18. Dezember 1980, Zl. 2874/79). Ganz abgesehen davon, daß es sich bei den hier maßgebenden Betriebsjahren um die Jahre 1979 und 1980 handelt, wäre für die Beschwerdeführerin selbst bei rückblickender Betrachtung der Entwicklung bis einschließlich des Jahres 1984 nichts gewonnen, weil selbst die isolierte Betrachtung dieses Veranlagungszeitraumes von überdies nur erwarteten Einnahmen, die nicht wesentlich über der Bagatellgrenze des § 21 Abs. 6 UStG 1972 liegen, noch nicht zur Beurteilung eines Gemeindekindergartens als gewerblicher Betrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts führt (siehe z.B. das oben zitierte Erkenntnis vom 18. November 1985).

Für die Beschwerdeführerin ist auch nichts mit dem Hinweis auf § 45 Abs. 1 erster Satz des eingangs zitierten Tiroler Kindergarten- und Hortgesetzes zu gewinnen. Nach dieser Gesetzesstelle hat das Land an Gemeinden und Gemeindeverbände für jeden von ihnen erhaltenen Jahreskindergarten (Jahreshort) einen jährlichen Beitrag zum Personalaufwand zu leisten. Ein solcher in den meisten Bundesländern vorgesehener Beitrag zum Personalaufwand (siehe z.B. Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts, Wien 1981, S. 596 unten) ist jedoch entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung nicht bei der Lösung der Frage zu berücksichtigen, ob es sich beim Betrieb eines Gemeindekindergartens "um eine Tätigkeit von einigem wirtschaftlichen Gewicht" handelt (siehe z.B. das oben zitierte Erkenntnis vom 18. Dezember 1980).

Wenn die Beschwerdeführerin abschließend vermeint, es sei die Frage zu prüfen, ob nicht das Betreiben des Kindergartens als eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 UStG 1972 angesehen werden müßte, weil unter dieser Bestimmung u.a. die Tätigkeit der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens falle, soweit diese im Rahmen der Jugendfürsorge tätig würden, so ist darauf folgendes zu erwidern:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 UStG 1972 gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auch die Tätigkeit der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände, der Krankenfürsorgeeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967, sowie der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens, soweit diese im Rahmen der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge, der allgemeinen Fürsorge (Sozialhilfe), der Kriegsopferversorgung, der Behindertengesetze oder der Blindenhilfegesetze tätig werden.

Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfaßt der Begriff der Jugendfürsorge nicht das Betreiben eines Kindergartens. Der (Verfassungs)Gesetzgeber gibt überdies eindeutig zu erkennen, daß Jugendfürsorge (siehe Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG) und Kindergartenwesen (siehe Art. 14 Abs. 4 lit. b B-VG) wesentlich verschiedene Angelegenheiten betreffen.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 15. September 1986

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