European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984130039.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines in der Vergangenheit als Mietwohngrundstück bewerteten Gebäudes. Für die Jahre 1975 bis 1981 erklärte er folgende Verluste aus der Vermietung dieses Gebäudes:
1975 | - S 8.885,-- |
1976 | - S 29.832,-- |
1977 | - S 24.722,-- |
1978 | - S 25.490,-- |
1979 | - S 25.598,-- |
1980 | - S 29.683,-- |
1981 | - S 26.239,-- |
Im Zuge einer Betriebsprüfung für die genannten Jahre stellte der Prüfer fest, daß das Gebäude eine Nutzfläche von insgesamt zirka 100 m2 aufweist und aus einer verglasten Veranda, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einer Küche, einem WC, einem Duschraum, einem weiteren Zimmer (Anbau) und zwei nicht beheizbaren Mansardenzimmern besteht. Genutzt wurden diese Räume wie folgt:
Eines der beiden Mansardenzimmer war seit vielen Jahren an die Familie D. als "Sommerwohnung" vermietet;
das zweite Mansardenzimmer war an den Sohn des Beschwerdeführers E vermietet;
das Zimmer im Anbau war an den zweiten Sohn des Beschwerdeführers J vermietet;
die restliche Nutzfläche wurde vom Beschwerdeführer und dessen übrigen Familienmitgliedern (Ehefrau, Tochter) bewohnt.
Die Gesamteinnahmen (einschließlich einer "Eigenmiete") betrugen jährlich zwischen S 2.000,-- und S 3.700,--
Der Prüfer erblickte in diesen Feststellungen das Hervorkommen neuer Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO und beurteilte das Gebäude als Einfamilienhaus und Voluptuarbesitz. Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren entsprechende Abgabenbescheide.
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein darüber, ob die Abgabenbehörde zu Recht die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt hat; die Beurteilung des Gebäudes als Voluptuarvermögen wird vom Beschwerdeführer hingegen ausdrücklich für zutreffend erklärt.
Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung im wesentlichen darauf, daß zwar die langjährigen Verluste (laut Beschwerde bereits seit über 30 Jahren) ein der Abgabenbehörde bereits bekanntes Indiz für das Vorliegen von Liebhaberei gewesen seien, daß aber die vom Prüfer festgestellten näheren Umstände der Nutzungsart (Vorhandensein von nur einer Wohnung, Vermietung einzelner Räume an die Söhne des Beschwerdeführers und nur eines Raumes als "Sommerwohnung" an Fremde) neu hervorgekommene Tatsachen darstellten, die für die Beurteilung des Gebäudes als Voluptuarvermögen letztlich den Ausschlag gegeben hätten. Zur Ermessensübung verweist die belangte Behörde darauf, daß es nicht als unbillig angesehen werden könne, wenn einem Steuerpflichtigen im wiederaufgenommenen Verfahren jene Steuer vorgeschrieben werde, die ihm bei Kentniss aller für die Abgabenvorschreibung relevanten Umstände bereits im Erstverfahren vorzuschreiben gewesen wäre. Ferner sei zu beachten, daß die durch die Wiederaufnahme bewirkte zusätzliche Abgabenbelastung im wesentlichen gerade auf jene Fakten zurückzuführen sei, die den Wiederaufnahmsgrund bildeten. Eine Irreführung des Beschwerdeführers durch ein Verhalten der Abgabenbehörde, unrichtige Auskünfte oder Zusagen einer bestimmten rechtlichen Beurteilung, die allenfalls die Wiederaufnahme des Verfahrens als unbillig erscheinen lassen könnten, lägen nicht vor. Schließlich könne auch nicht gesagt werden, daß die zusätzliche Abgabenbelastung nur geringfügig und in Relation zum Verfahrensaufwand nicht vertretbar sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, erwogen:
Nach Lehre und Rechtsprechung kann von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 2 und Abs. 3 EStG nur dann gesprochen werden, wenn die betreffende Einkunftsquelle auf Dauer gesehen Gewinne bzw. Einnahmenüberschüsse erwarten läßt (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer Tz 13 zu § 2 sowie Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2 Tz 21 ff zu § 2 sowie die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, daß die von ihm bzw. seinem Vater als Rechtsvorgänger durch mehr als 30 Jahre erzielten ständigen Verluste aus der Vermietung des Gebäudes ein starkes Indiz dafür boten, daß es sich hiebei um keine steuerlich relevante Einkunftsquelle handelte. Dessenungeachtet sind die vom Betriebsprüfer erhobenen näheren Umstände der Gebäudenutzung als neu hervorgekommene Tatsachen zu werten, deren Kenntnis im Spruch anderslautende Bescheide herbeigeführt hätte. Die Überlegung, daß ständige Verluste aus einer Tätigkeit diese zu steuerlich unbeachtlicher Liebhaberei werden lassen, erfährt nämlich in Fällen eine Ausnahme, in denen die Erzielung von Gewinnen bzw. Einnahmenüberschüssen durch wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen des Gesetzgebers verhindert wird (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1959, Zl. 1064/58, Slg. Nr. 2071/F, vom 22. November 1963, Zl. 917/62, und vom 3. März 1970, Zl. 1721/69) Solche wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen waren insbesondere in den durch Mietengesetz und Zinsstoppgesetz vorgesehenen Mietzinsbeschränkungen zu erblicken. Gerade bei der Vermietung eines der Abgabenbehörde gegenüber als Mietwohngrundstücke deklarierten Gebäudes liegt daher die Annahme nahe, daß langjährig erklärte Verluste auf gesetzliche Mietzinsbeschränkungen zurückzuführen sind. Nun wäre es zwar Aufgabe der Abgabenbehörde erster Instanz gewesen, sich darüber Klarheit zu verschaffen, welche Gründe für die seit vielen Jahren vom Beschwerdeführer erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung maßgebend waren. Daß derartige Erhebungen unterblieben sind, ist - wie auch die belangte Behörde ausdrücklich festhält - dem Finanzamt als Verschulden anzulasten. Da aber ein derartiges Verschulden an der mangelhaften amtswegigen Ermittlung des für die Abgabenerhebung maßgebenden Sachverhaltes einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Seite 726 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung), waren die Feststellungen des Prüfers als taugliche Wiederaufnahmsgründe zu werten, weil sie der Abgabenbehörde erstmals Kenntnis von der Art und Weise verschafften, in der das Mietobjekt des Beschwerdeführers von diesem genutzt wurde.
Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er der belangten Behörde den Vorwurf macht, ihre Ermessensentscheidung betreffend amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausreichend begründet zu haben. Insbesondere trifft es nicht zu, daß die belangte Behörde die Frage der Billigkeit "ausschließlich vom Standpunkt der Abgabenbehörde, d.h. unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität des Verfahrensergebnisses im Verhältnis zum Verfahrensaufwand" beurteilt habe. Vielmehr hat die belangte Behörde auch eine Reihe anderer Gründe, die für eine Unbilligkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens sprechen könnten, bei ihren Erwägungen berücksichtigt, diese Gründe aber im Beschwerdefall als nicht gegeben erachtet. So sei der Beschwerdeführer vom Finanzamt weder durch unrichtige Auskünfte in Irrtum geführt, noch sei ihm eine bestimmte Sachverhaltsbeurteilung zugesagt worden. Das durch die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkte steuerliche Mehrergebnis sei mit Ausnahme eines einzigen Jahres ausschließlich auf den Wiederaufnahmsgrund selbst zurückzuführen. Nur im Jahre 1978 habe die Wiederaufnahme des Verfahrens auch dazu geführt, daß seinerzeit vom Beschwerdeführer erklärte, vom Finanzamt aber übersehene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer anderen Liegenschaft nacherfaßt worden seien.
Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer selbst im Verwaltungsverfahren nur das Verschulden des Finanzamtes an der seinerzeitigen mangelhaften Sachverhaltsermittlung als Grund dafür vorgebracht hat, warum er die Wiederaufnahme des Verfahrens in seinem Fall als unbillig erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß dieses Verschulden des Finanzamtes nicht als so erheblich zu qualifizieren ist, daß es die Wiederaufnahme des Verfahrens unbillig erscheinen läßt. Dies insbesondere deswegen, weil der Beschwerdeführer, der die Voluptuareigenschaft seines Mietobjektes ausdrücklich bejaht, durch das Verhalten des Finanzamtes nicht in Irrtum geführt wurde und daher auch nicht den Schutz von Treu und Glauben für sich in Anspruch nehmen kann.
Das erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Argument des Beschwerdeführers, er habe die "nachgeforderten Beträge gutgläubig ausgegeben" und es falle ihm als pensioniertem Beamten äußerst schwer beinahe S 90.000,-- aufzubringen, ist schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) unbeachtlich; davon abgesehen wäre es aber auch nicht geeignet, die Unbilligkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens darzutun, weil es sich dabei um Umstände handelt, die in keinem Zusammenhang mit der Abgabenfestsetzung stehen.
Die Beschwerde erweist sich demnach zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 24. September 1986
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