Normen
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984050109.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Bundesland Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 25. April 1983 suchte die mitbeteiligte Bauwerberin bei der Stadtgemeinde Y um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines thermischen Kraftwerkes auf den Grundstücken Nr. nn1 und nn2, KG Y, an. Zu der vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für 5. Mai 1983 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerdeführer als Nachbarn geladen. Noch vor der Verhandlung erhoben die Beschwerdeführer in einem Schriftsatz eine Reihe von Einwendungen; unter anderem machten sie den Widerspruch des Bauvorhabens zu den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes sowie die Unzulässigkeit der von diesem Vorhaben ausgehenden Immissionen in einemdicht besiedelten Wohngebiet geltend.
Bei der durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde das Projekt als solches beschrieben und sodann auf ein lärmtechnisches Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt. vom 4. Mai 1983 verwiesen, welches Lärmmessungen und eine Lärmimmissionsberechnung enthalten soll (dieses Gutachten selbst ist in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht enthalten). Unter dem Titel "Gutachten" wird sodann der gemessene Grundgeräuschpegel näher ausgeführt und festgestellt, daß durch die entsprechende Ausführung von Schallschutzmaßnahmen hinsichtlich der Wirksamkeit von einzubauenden Schalldämpfern bzw. der Schalldämmung von Außenbauelementen entsprechend diesem Gutachten mit kontinuierlichen Betriebsgeräuschen der projektierten Betriebsanlage bei Nachtzeit in der Höhe von 34 dB in der exponiertesten Nachbarschaftslage zu rechnen sei. Bei weiter weg befindlichen Nachbarn sei mit Geräuschen in der Höhe von 30 dB bzw. 24 dB zu rechnen. Diese Ergebnisse würden sich auf den dem Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt zugrunde gelegten Planungszustand mit vorgegebenem Betriebsrauminnenpegel sowie die geplante Ausführung entsprechender Lüftungsöffnungen im Kesselsowie im Turbinenhaus an der nordöstlichen, nordwestlichen und südwestlichen Seite beziehen. Weiters sei dem Projekt zugrundegelegt, daß als Entstaubungseinrichtung für die Abgase eine mechanische Filteranlage zur Ausführung gelange. Im Zuge der Verhandlung sei von der Konsenswerberin ausgeführt worden, daß für die Entstaubung ein Elektrofilter zum Einsatz gelangen werde sowie weiters an der Nordwestseite und an der Nordostseite des Kesselhauses keine Lüftungsjalousien vorgesehen würden. Hinsichtlich der Änderung der projektierten Entstaubungsanlage bestünden Auswirkungen auf die notwendige Gebläseleitung des Saugzuggebläses, welche ihrerseits Auswirkungen auf die Dimensionierung der Schalldämpfer hätten. Zur schalltechnischen Feststellung des Projektsgegenstandes erscheine es daher zweckmäßig, seitens der Behörde entsprechende Grenzwerte der Schallemission des Gebäudes sowie der ins Freie weisenden Öffnungen bzw. der im Freien befindlichen Lärmquellen festzulegen, welche nach Inbetriebnahme entsprechend leicht kontrolliert werden könnten. Die Festlegung dieser Immissionswerte werde auf Bedachtnahme der Einhaltung der genannten Lärmemissionswerte der Anlage in der Nachbarschaft von maximal 35 dB/A-bewertet, bei den der Betriebsanlage am nächsten liegenden Nachbargrundstücke in 70 m Entfernung erfolgen. Dies bedeute, "daß der A-bewertete Schalleistungspegel des ins Freie durch sämtliche zur Ausführung gelangenden Außenbauteile und Öffnungen an der Nordost-, Nordwestwand, Südwestwand und das gesamte Dach den Wert von 80 dB nicht überschreiten" dürfe. Der A-bewertete Schalleistungspegel der gesamten Außenbauteile der Südostwand dürfe den Wert von 85 dB nicht überschreiten. Eine Erhöhung dieses Wertes gegenüber den anderen Wänden sei auf Grund der abgeschatteten Lage ohne Beeinflussung der nachbarschaftseitig bewirkten Lärmemission begründet. Sodann werden Grenzwerte angegeben, welche bei unmittelbar ins Freie wirksamen einzelnen Lärmquellen erforderlich sind. Zusammenfassend wird die Auffassung vertreten, daß die Schalldruckpegelwerte, abgesehen vom kurzfristigen Anfahr- und Abstellbetrieb des Dampfkessels bzw. der Dampfturbine, zu keiner Belästigung der Nachbarschaft führen. An Auflagen wurden sodann (u. a.) folgende Vorschreibungen in Aussicht genommen:
".....
2. Die Maschinenanlagen wie Turbinen, Dampfkessel und Saugzuggebläse und Pumpen sind schalltechnisch so auszuführen und die Außenbauteile des Kesselhauses und des Turbinenhauses sind in ihrer Schalldämmung so auszuwählen, daß der A-bewertete Schalleistungspegel, des ins Freie durch die Außenbauteile samt Tor, Türen und Belichtungsflächen und Lüftungsöffnungen der gesamten Dachfläche, sowie der gesamten Nordostwand und der gesamten Nordwest- sowie der gesamten Südwestwand den Wert von 80 dB nicht überschreiten.
3. Die Außenbauteile der Südostwand sind schalltechnisch so zu dimension., daß der A-bewertete Schalleistungspegel den Wert von 80 dB nicht überschreitet.
4. In die Ausblaseleitung der Abgase zwischen Saugzuggebläse und Kamin ist ein entsprechender Schalldämpfer einzubauen, sodaß der A-bewertete Schalleistungspegel des ins Freie abgestrahlten Schalls bei der Kaminöffnung den Wert von 76 dB nicht überschreitet.
5. Eventuell ins Freie führende Dampfentspannungsleitungen für den Anfahrbetrieb sind mit entsprechenden Schalldämpfern zu versehen, sodaß der A-bewertete Schalleistungspegel jeweils den Wert von 85 dB nicht überschreitet.
6. Die Ausblaseleitungen von Sicherheitsventilen der Kesselanlage sind schalltechn. so auszuführen, daß der A-bewertete Schalleistungspegel bei max. Durchsatzleistung den Wert von jeweils 95 dB nicht überschreitet.
7. Ansaug- oder Ausblasöffnungen ins Freie von mechan. Be- und Entlüftungsanlage sind schalltechnisch so auszuführen, bzw. mit Schalldämpfern zu versehen, daß jeweils der A-bewertete Schalleistungspegel des ins Freie abgestrahlten Lärms den Wert von 75 dB bei vollem Luftdurchsatz nicht überschreitet. Für den Fall, daß entsprechende Öffnungen direkt im Bereich der Südostwand angebracht werden, gilt ein um 5 dB höherer Grenzwert (80 dB).
8. Das Dampfablassen im Zusammenhang mit der Rohrreinigung bei der erstmaligen Inbetriebnahme der Kesselanlage darf nur werktags in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und in der Zeit von 15 bis 18 Uhr durchgeführt werden.
Die Bevölkerung ist vor Durchführung dieses Betriebszustandes rechtzeitig (mind. 1 Woche vorher) ausreichend informieren.
9. Über die Einhaltung der Punkte 2,3,4,5 und 7 ist der Gewerbebehörde bis zur Betriebsbewilligung ein meßtechn. Nachweis einer staatl. autor. Prüfanstalt für Lärmschutz vorzulegen.
10. Über die Einhaltung des Punktes 6. ist ein rechnerischer Nachweis der ausführenden Schallschutzfirma der Gewerbebehörde vorzulegen."
Der Sachverständige für Luftreinhaltung führte folgendes aus:
"Die gegenständliche Dampfkesselanlage entspricht dem Stand der Technik, bei Durchführung des Projektes kann durch den Wegfall anderer, mit schwefelhältigem Heizöl betriebener Feuerungsanlagen im Zuge der Umstellung auf Fernwärme eine wesentliche Verbesserung der Luftqualität im Raume Y erreicht werden. Durch den Einbau der vorgesehenen Entstaubungsanlagen ist überdies sichergestellt, daß im Bereich der Wohnnachbarschaft nur geringe Immissionen an Luftschadstoffen, die jedenfalls weit unterhalb der einschlägigen Immissionsgrenzwerte liegen, auftreten werden.
Bei Erfüllung der folgenden Auflagen bestehen gegen die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung keine Einwände:
1. Der Rauchfang der Dampfkesselanlage ist auf mindestens 20 m über das Geländeniveau des angrenzenden, bestehenden Kraftwerkgebäudes hochzuführen. An der Mündungsöffnung dürfen keine Vorrichtungen angebracht werden, welche den senkrechten Austritt der Rauchgase behindern. Die Dampfkesselanlage darf nur im Anschluß an Entstaubungsanlagen betrieben werden, welche gewährleisten, daß die staubförmigen Emissionen 100 mg pro m3 - bezogen auf 0 Grad C, 1013 mbar, 13 Volumsprozent Sauerstoff und trockenes Abgas - nicht überschreiten. Die alleinige Entstaubung der Rauchgase eines oder beider Kessel der Anlage über Fliehkraftentstaubungsanlagen ist nicht zulässig, als Hauptentstaubungsaggregate sind Elektrofilter- oder Gewebefilteranlagen einzubauen.
2. Die Verkehrsflächen im Anlagebereich sind staubfrei zu befestigen, regelmäßig zu reinigen und staubfrei zu halten.
3. Die anfallende Asche und der ausgetragene Staub der Entstaubungsanlagen ist ausschließlich in geschlossenen Containern bzw. in geschlossenen Räumen zu lagern und einer geordneten Beseitigung zuzuführen. Über die Art der Beseitigung und die Menge der abgeführten Abfallstoffe sind Aufzeichnungen zu führen, welche im Betrieb zur Einsichtnahme für die Baubehörde mindestens 3 Jahre aufzubewahren sind.
4. Die Brennstofflagerung auf dem Betriebsgelände hat ausschließlich in dem dafür vorgesehenen Rindenbunker zu erfolgen, wobei eine Überfüllung des Rindenbunkers zu vermeiden ist.
5. Im Falle von Beschwerden aus der Nachbarschaft über unzumutbare Rauchbelästigungen ist der Baubehörde ein Nachweis für die Einhaltung des im Punkt 1 vorgeschriebenen Emissionsgrenzwertes in Form eines Meßberichtes einer staatl. autor. Prüfanstalt, wie z.B. der NÖ Umweltschutzanstalt, vorzulegen.
6. Auf Verlangen ist der Baubehörde oder den von ihr beauftragten Sachverständigen Einsicht in die Aufzeichnungen über die ordnungsgemäße Wartung der Anlagen sowie in die Schreibstreifen der Kontrollmeßgeräte zu gewähren.
7. Die Dampfkesselanlage ist so zu betreiben, daß der Grauwert der Abgasfahne den Wert Nr. 1 der Ringelmann-Skala nicht überschreitet."
Der medizinische Sachverständige erklärte, daß auf Grund der erstellten Sachverständigengutachten über Lärm-, Staub- und Gasemissionen bei ordnungsgemäßem Betrieb des Kraftwerkes keine wesentliche Beeinträchtigung der Gesundheit zu erwarten sei. Die Frage nach der Anreicherung von toxischen Spritzmitteln in den Holzabfällen und der Rinde, die dann bei der Verbrennung frei werden könnten, müßte noch durch ein entsprechendes Fachgutachten geklärt werden. Die Überprüfung der Anlage hinsichtlich der schädlichen Immissionen müsse auch bei extremer Wettersituation und bei Tiefdruckwetter vorgenommen werden.
Auf die schriftlich erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführer wurde im einzelnen nicht eingegangen.
Mit Bescheid vom 13. Mai 1983 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung, wobei die in Aussicht genommenen Auflagen als verbindlich erklärt wurden. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer wurde in der Begründung unter anderem ausgeführt, daß das geplante Fernwärmewerk der festgelegten Flächenwidmung entspreche und im Hinblick auf die eingeholten Gutachten eine Beeinträchtigung der Nachbarn nicht zu befürchten sei - in diese Richtung sind die Ausführungen zu verstehen.
Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 22. Februar 1984 spruchgemäß wie folgt entschieden:
"Auf Grund des Ergebnisses der am 5.5.1983 durchgeführten Bauverhandlung, sowie der vorgelegten Gutachten des Bausachverständigen und des Sachverständigen für Lärmschutz, wird gemäß § 92 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich, die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines thermischen Kraftwerkes auf den Grundstücken nn1 und nn2, KG Y, bei Einhaltung nachstehender Bedingungen erteilt:
Das Bauvorhaben ist zur Gänze entsprechend den, der Baubehörde vorgelegten Plänen und Baubeschreibungen auszuführen und sind überdies die Vorschreibungen des bautechnischen Sachverständigen Punkt 1-17 und die des Sachverständigen für Lärmschutz, Punkt 2-7, 11 und 12 (festgehalten in der Niederschrift über die Bauverhandlung am 5.5.1983), einzuhalten.
Die Berufung wird hinsichtlich der Punkte 1. Und 2. als unbegründet abgewiesen, hinsichtlich des Punktes 3. zurückgewiesen."
Die Abweisung der Berufung wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach dem Flächenwidmungsplan das Bauvorhaben zulässig sei und die Baubehörde nicht das Ergebnis des gewerbebehördlichen Verfahrens abwarten müsse. Bezüglich der Zurückweisung der Berufung als unzulässig stellte sich die Gemeindebehörde zweiter Instanz auf den Standpunkt, daß die in diesem Punkt geltend gemachten Einwendungen sich alle ausschließlich auf die durch den Betrieb des geplanten thermischen Kraftwerkes allenfalls entstehenden Immissionen bezögen und daher von der Gewerbebehörde und nicht von der Baubehörde in ihrem Verfahren zu beurteilen seien. Die Baubehörde sei insbesondere nicht berechtigt, aus diesem Grunde die Baubewilligung zu versagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrmals diesen Rechtsstandpunkt eingenommen, insbesondere in den Erkenntnissen vom 26. November 1974, Zl. 1747 und 1801/72, sowie vom 10. März 1975, Zl. 292/73.
Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die Niederösterreichische Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 24. April 1984 als unbegründet ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Errichtung des Kraftwerkes mit der Nutzungs- und Widmungsart "Bauland-Sondergebiet - Kraftwerk" nicht im Widerspruch stehe und die Festlegung dieser Widmungs- und Nutzungsart durch das NÖ Raumordnungsgesetz gedeckt sei. Der Einwendung, daß durch den Betrieb des Kraftwerkes eine unzumutbare Lärm- und Geruchsbelästigung zu erwarten sei, werde entgegengehalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die NÖ Bauordnung dem Anrainer eines Bauvorhabens keinen Schutz vor den von einer gewerblichen Betriebsanlage ausgehenden konkreten Immissionen gewährleiste. Die Bestimmung des § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung enthalte eine Regelung, die die Baubehörde verpflichte, für Baulichkeiten, die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Belästigungen - in Ansehung der besonderen bautechnischen Ausgestaltung der Baulichkeit - nötigen Vorkehrungen zu treffen. Diese Bestimmung ermächtige die Baubehörde nicht zur Versagung der Baubewilligung aus dem Titel des Nachbarschutzes. Daher gehe die Einwendung, daß die Baubehörde für die Abwehr der von einer gewerblichen Betriebsanlage ausgehenden Immissionen zuständig sei, ins Leere. Daß aber beim gegenständlichen Kraftwerk die bautechnische Ausgestaltung mangelhaft sei, hätten die Beschwerdeführer nicht behauptet. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde habe die Baubehörde die dazu erforderlichen Auflagen vorgeschrieben. Bezüglich der Ausführungen hinsichtlich des Ortsbildes stünden den Nachbarn subjektivöffentliche Rechte nicht zu.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Bauwerberin erstatteten Gegenschriften und beantragten die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof teilte zunächst die Bedenken der Beschwerdeführer, daß zu Unrecht durch eine Abänderung des Flächenwidmungsplanes die für den Kraftwerksbau vorgesehenen Grundflächen als "Bauland-Sondergebiet-Kraftwerk" gewidmet worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof beantragte daher beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG, die Gesetzmäßigkeit des diesbezüglichen Verordnungsaktes der mitbeteiligten Gemeinde zu prüfen. Mit Erkenntnis vom 16. Juni 1986, V 43/84, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Verwaltungsgerichtshof keine Folge bzw. wies er den Antrag zurück. Kurz zusammengefaßt, vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, daß die beabsichtigte Errichtung eines thermischen Kraftwerkes zur Versorgung von Teilen des Gemeindegebietes mit elektrischer und Wärmeenergie eine Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes berechtigt erscheinen lasse. Der Verfassungsgerichtshof konnte auch nicht finden, daß der Gemeinderat bei der unter diesen Umständen vorgenommenen Festsetzung der Widmung "Bauland-Sondergebiet-Kraftwerk" für die Grundstücke nn1 und nn2 in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre. Dieses Erkenntnis bedeutet für das nunmehrige Beschwerdeverfahren, daß der Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen hat, daß der Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde dem Gesetz entspricht. Damit erübrigt sich auch eine nähere Erörterung des Vorbringens der Beschwerdeführer, das Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerberin würde der festgesetzten Flächenwidmung widersprechen, weil es in Wahrheit nur in einem Betriebsgebiet oder Industriegebiet zur Ausführung gelangen dürfte. Wenn nämlich ausdrücklich im Flächenwidmungsplan die Widmung "Bauland-Sondergebiet-Kraftwerk" festgelegt wurde, dann entspricht der beabsichtigte Kraftwerksbau dieser Flächenwidmung. Insoweit machen die Beschwerdeführer zu Unrecht eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Die Beschwerdeführer behaupten allerdings auch, durch die Baubewilligung würden im Hinblick auf ihre räumliche Nähe als Anrainer ihre subjektiv-öffentlichen Rechte berührt, nämlich die Lärmentwicklung und die Abgase hätten nachweislich einen schädigenden Einfluß auf ihre Gesundheit, so daß auch sanitäre Rücksichten gegen die Errichtung des thermischen Kraftwerkes sprechen würden. Die Verwaltungsbehörden hätten es auch unterlassen, sich mit den Argumenten der Beschwerdeführer betreffend Lärmbelästigung und schädliche Abgase auseinanderzusetzen.
Wie schon in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, hatten die Beschwerdeführer vor der Baubehörde erster Instanz und in ihrer Berufung insbesondere Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige Immissionen geltend gemacht. Dieser Teil der Berufung wurde von der Baubehörde zweiter Instanz mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, daß sich die in diesem Punkt geltend gemachten Einwendungen ausschließlich auf den Betrieb des geplanten thermischen Kraftwerkes bezögen und die entstehenden Immissionen von der Gewerbebehörde und nicht von der Baubehörde zu beurteilen seien. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides gleichfalls die Auffassung vertreten, daß die Niederösterreichische Bauordnung dem Anrainer eines Bauvorhabens keinen Schutz vor den von einer gewerblichen Betriebsanlage ausgehenden konkreten Immissionen gewährleiste.
§ 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung verpflichte die Baubehörde zwar, für Baulichkeiten, die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr der Belästigungen - in Ansehung der besonderen bautechnischen Ausgestaltung der Baulichkeit - nötigen Vorkehrungen zu treffen, nicht könne aber nach dieser Gesetzesstelle die Baubewilligung versagt werden. Zu erörtern war, ob diese Auffassungen der Verwaltungsbehörden einer Überprüfung standhalten.
Nach § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen.
Diese Gesetzesstelle verpflichtet also die Baubehörde, bei Vorhaben, die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen. Es trifft also die von der Berufungsbehörde vertretene Auffassung nicht zu, daß Einwendungen betreffend Immissionen, mögen sie auch von dem Betrieb des Kraftwerkes (in der Folge) ausgehen, im baubehördlichen Bewilligungsverfahren rechtlich unerheblich sind. Schon aus diesem Grunde erweist sich die Zurückweisung des diesbezüglichen Teiles der Berufung der Beschwerdeführer als gesetzwidrig, zumal auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens eindeutig davon auszugehen war, daß das Vorhaben Belästigungen der Nachbarn erwarten läßt, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, sofern nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Die belangte Behörde hat nun zwar zutreffend ausgeführt, daß die Bestimmungen des § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung nicht zu einer Abweisung des Bauvorhabens führen, wohl aber ist zu prüfen, ob die zur Abwehr der auftretenden Gefahren und Belästigungen nötigen Vorkehrungen getroffen worden sind. Überprüft man unter diesem Gesichtspunkt das durchgeführte Ermittlungsverfahren, so zeigt sich, daß der medizinische Sachverständige bei der Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz zur Frage nach der Anreicherung von toxischen Spritzmitteln in den Holzabfällen und in der Rinde, die dann bei der Verbrennung frei werden könnten, noch ein entsprechendes Fachgutachten als erforderlich beurteilte. Den Verwaltungsakten kann nun nicht entnommen werden, daß ein solches Gutachten tatsächlich eingeholt worden ist. Ob aber die vorgesehenen Filteranlagen ausreichen, eine Beeinträchtigung hintanzuhalten, wurde der Aktenlage nach nicht festgestellt. In dem lärmtechnischen Gutachten ging der Sachverständige zwar davon aus, daß, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden, eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung der Nachbarschaft nicht zu erwarten ist, allein er erachtete die Vorschreibung einer Reihe von Auflagen als erforderlich, wobei jeweils ausgeführt wurde, daß hinsichtlich einzelner Bauteile bestimmte Werte nicht überschritten werden dürfen. Bei der in der Sachverhaltsdarstellung genannten Auflage Punkt 9 wurde sodann gefordert, für die Einhaltung dieser Punkte der Gewerbebehörde bis zur Betriebsbewilligung einen meßtechnischen Nachweis einer staatlich autorisierten Prüfanstalt für Lärmschutz vorzulegen. Eine solche Vorgangsweise ist im Rahmen des gewerblichen Betriebsanlageverfahrens durchaus zulässig, weil in diesem Verfahren das Bauvorhaben nicht abschließend beurteilt werden muß, wie dies bei der Erteilung einer Baubewilligung der Fall ist (vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen in dem zum Salzburger Baurecht ergangenen Erkenntnis vom 15. Oktober 1981, Zl. 06/0401/80). Es kann aber auf Grund dieser Ausführungen nicht davon ausgegangen werden, daß die Baubehörde die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen im Sinne des § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung getroffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof stimmt daher der Auffassung der Beschwerdeführer zu, daß das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren in dieser Beziehung ergänzungsbedürftig geblieben ist. Dadurch, daß die belangte Behörde diese Verfahrensmängel nicht erkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Zu bemerken ist noch, daß dieses Auslegungsergebnis des § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang steht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. März 1975, Zl. 292/73, vom 1. Juli 1986, Zl. 86/05/0011 und 0012 u.a.); nicht in Widerspruch steht hiezu die Aussage, daß es nicht Aufgabe der Baubehörde sei, den Nachbarn vor den konkret von einem Betrieb ausgehenden Immissionen einen Schutz zu gewähren, weil hiefür die Zuständigkeit der Gewerbebehörde gegeben sei. Das kann aber nicht bedeuten, wie es die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides vermeinte, daß Einwendungen der Nachbarn bezüglich Immissionen für die Baubehörde völlig unbeachtlich wären.
Soweit in der Beschwerde weiters geltend gemacht wird, daß sich das thermische Kraftwerk wegen seiner Erscheinungsform und wegen seiner räumlichen Ausdehnung nicht dem Ortsbild anpasse, hat die belangte Behörde bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darauf verwiesen, daß in Fragen des Ortsbildes dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht nicht zusteht; auf die diesbezüglich von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als berechtigt und der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985; Stempelgebühren waren nur im Rahmen des erforderlichen Ausmaßes zuzuerkennen.
Wien, am 23. September 1986
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