VwGH 85/10/0109

VwGH85/10/010914.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Richteramtsanwärter Dr. Schwab, in der Beschwerdesache der MO in W, gegen die Erledigung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 31. Mai 1985, Zl. 1062/2-III/4/85, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Schulunterrichtsgesetzes, den Beschluß gefaßt:

Normen

SchUG 1974 §67;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985100109.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

Der vorliegenden Beschwerde läßt sich in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid folgender Sachverhalt entnehmen:

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1985 wies der Stadtschulrat für Wien die von der nunmehrigen Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Erziehungsberechtigten Dr. GO, gegen die Entscheidung der Reifeprüfungskommission am Bundesrealgymnasium W, derzufolge die Beschwerdeführerin die Reifeprüfung nicht bestanden hat, erhobene Berufung vom 3. Dezember 1984 als verspätet zurück. Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung vom 16. Jänner 1985 wies der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport (die belangte Behörde) mit Erledigung vom 31. Mai 1985 ab.

In der gegen diese Erledigung gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof brachte die Beschwerdeführerin u. a. folgendes vor:

"Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde verweise ich darauf, daß der Bescheid mit 31. Mai 1985 datiert und an Dr. GO adressiert ist. Entschieden wurde aber über meine Berufung. Dieser Bescheid wurde mit einem Begleitschreiben des Stadtschulrates für Wien vom 11.6.1985 an Dr. GO am 13. Juni 1985 derart zugestellt, daß der Bescheid von AO übernommen wurde, die auch den Rückschein unterfertigte. Ausgehend vom Zustelldatum 13. Juni 1985 ist also die Frist von 6 Wochen (§ 26 VwGG) gewahrt. Der geschilderte Vorgang gäbe an sich auch keinen Anlaß zu Bedenken, wenn ich nicht am 1. Juni 1985 großjährig geworden wäre (vgl. Ablichtung des Reifezeugnisses: geboren am 1. Juni 1966), womit die Vertretungsbefugnis des Dr. GO ex lege erloschen ist. Ich gebe aber zu, daß mir der Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vom 31. Mai 1985 ausgehändigt wurde und damit gegebenenfalls eine Heilung allfälliger Zustellmängel eingetreten sein kann. Sollte aber dessen ungeachtet diese Zustellung noch nicht wirksam sein, so hätte die belangte Behörde die Entscheidungspflicht verletzt, weil die Berufung, über die zu entscheiden war, schon am 16.1.1985, eingebracht wurde."

II.

Die Beschwerde erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als unzulässig:

Laut Adressierung der angefochtenen Erledigung: "Herrn Dr. GO, G-gasse, W", war diese nicht an die Beschwerdeführerin, sondern ausschließlich an deren Vater gerichtet. Unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Beschwerdeausführungen zum Zeitpunkt der Zustellung - auf diese gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG abgegebene Prozeßerklärung darf sich der Verwaltungsgerichtshof stützen, ohne die betreffenden Angaben anhand der Akten des Verwaltungsverfahrens überprüfen zu müssen - ist davon auszugehen, daß die in Beschwerde gezogene Erledigung am 13. Juni 1985 zugestellt wurde - allerdings (entsprechend der Adressierung) nicht an die Beschwerdeführerin. Der zuletzt genannte Umstand ist im vorliegenden Fall deshalb von Relevanz, weil die Beschwerdeführerin - zufolge ihrer eigenen Angaben in der Beschwerde - am 1. Juni 1985 das neunzehnte Lebensjahr vollendet hat und damit gemäß § 21 Abs. 2 ABGB volljährig geworden ist. Als Folge dessen ist die bis dahin bestandene gesetzliche Vertretungsbefugnis des Dr. GO, mithin dessen ex lege - Berechtigung, in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren für seine Tochter rechtswirksam Vertretungshandlungen zu setzen, erloschen (§ 67 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 139/1974; § 172 ABGB). (Daß aber die Beschwerdeführerin nach Eintritt der Volljährigkeit ihren Vater gegenüber der belangten Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt hätte - vgl. § 9 Abs. 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 - wird von ihr nicht behauptet.) Die dessen ungeachtet an Dr. GO - somit an eine "Nichtpartei" des Verwaltungsverfahrens - erfolgte Zustellung der bekämpften Erledigung vermochte demnach für seine (zu diesem Zeitpunkt bereits volljährige) beschwerdeführende Tochter keine Rechtswirksamkeit zu entfalten; die Adressierung und Zustellung der Erledigung an den Genannten als vermeintlichen gesetzlichen Vertreter und Zustellungsbevollmächtigten hat gegenüber der Beschwerdeführerin nicht zur Bescheiderlassung geführt. Es liegt sohin auch kein Fall des § 26 Abs. 2 VwGG vor.

Da der angefochtenen Erledigung die Bescheidqualität im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG fehlt, war die Beschwerde wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Über die gleichzeitig mit der Bescheidbeschwerde eingebrachte Säumnisbeschwerde (protokolliert unter Zl. 85/10/0127) wird gesondert entschieden werden.

Wien, am 14. Oktober 1985

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte