VwGH 85/07/0160

VwGH85/07/016029.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft X in E, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1985, Zl. VI/3‑AO/212/4, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E), zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §12 Abs2
WRG 1959 §41 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985070160.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der gemäß § 97 Flurverfassungs‑Landesgesetz 1975, LGBl. 6650‑2, zuständigen NÖ. Agrarbezirksbehörde vom 17. Oktober 1983 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Regulierung der Fischa hinsichtlich der im Flurbereinigungsgebiet W gelegenen Anlageteile des Projektes, nämlich der im Bereich der Kat. Gem. W gelegenen linksufrigen Anlage der Teile von Damm‑km 1,000 bis 2,075 unter der Voraussetzung erteilt, daß die Anlage nach Maßgabe des eingereichten Projektes errichtet wird und daß die in der beiliegenden Verhandlungsschrift vom 19. November 1982 unter Abschnitt B 1 bis 5 angeführten Auflagen und Beschränkungen eingehalten werden. Diese Verhandlungsschrift bildet nach dem Spruch des Bescheides einen wesentlichen Bestandteil desselben. Die in der Verhandlung vom 19. November 1982 erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden gemäß § 111 WRG 1959 abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der wasserbautechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin ‑ nämlich sie spreche sich gegen das beantragte Projekt deshalb aus, weil sie befürchte, durch die geplante Errichtung des linksufrigen Dammes werde die Nutzfallhöhe ihrer Wasserkraftanlage Postzahl 1 beeinträchtigt ausgesagt, daß aus den dem Projekt zugrundeliegenden Berechnungen der Wasserspiegelhöhe auch bei Hochwasser hervorgehe, daß bei dem Projektshochwasser von 19 m³ pro Sekunde kein Rückstau bis zu der geplanten Wasserkraftanlage eintreten werde. Die Einwendung der Beschwerdeführerin über die angeblich konsenslose Errichtung des rechtsufrigen Dammes betreffe nicht den Zuständigkeitsbereich der Behörde erster Instanz. Die erwähnte gutächtliche Äußerung des dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen erscheine der Behörde fundiert und schlüssig. Sie sehe daher keinen Anlaß, diese Äußerungen zu bezweifeln oder sie ihrer Entscheidung nicht zugrundezulegen. Die Beschwerdeführerin habe diesen gutächtlichen Äußerungen keine stichhältigen fachmännischen Gegenäußerungen entgegengehalten, weshalb von weiteren Ermittlungen habe abgesehen werden können.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit der Begründung berufen, das Bett der Fischa sei seit Jahrzehnten nicht ordnungsgemäß geräumt worden und daher vollkommen verrottet; die Fischa ändere ihren Lauf fortwährend und überschwemme bei Hochwasser die angrenzenden Grundstücke. Anstatt den bezüglichen Übelstand durch ordnungsgemäße Räumung des Flußbettes zu sanieren, sehe das Projekt der mitbeteiligten Partei vor, denselben dadurch zu verewigen, daß das Augebiet der Fischa durch Begleitdämme von den angrenzenden Grundstücken abgetrennt werde, so daß diese vor Hochwasser geschützt würden. Damit werde zwar der angestrebte Hochwasserschutz der Nachbargrundstücke erreicht, doch würden rechtmäßig geübte Wassernutzungen der Beschwerdeführerin dadurch beeinträchtigt, daß im Falle der Hochwasserführung der Fischa ein Rückstau eintrete, welcher die Nutzfallhöhe und damit die Leistung der flußaufwärts in W befindlichen Stromerzeugungsanlage PZ 1 des Wasserbuches vermindern werde. Die Beschwerdeführerin habe daher im Zuge der Verhandlung vom 19. November 1982 gegen das Projekt Einwendungen erhoben und vorgebracht, daß ein Abfluß von 19 m³ pro Sekunde und damit die Ableitung von Hochwässern ohne die Gefahr einer Überflutung der Nachbarliegenschaften auch durch Ausbaggerung und Räumung des Flußbettes der Fischa zu erreichen wäre, was billiger komme und den wasserrechtlichen Vorschriften eher entspreche als die Beibehaltung eines Übelstandes und die bloße Absperrung des davon betroffenen Gebietes. Dem von der Behörde erster Instanz eingeholten Gutachten stehe die langjährige Beobachtung der Beschwerdeführerin entgegen, wonach ein Rückstau und damit eine Beeinträchtigung der Wasserkraftanalage PZ 1 gegenwärtig bereits eintrete, wenn die Wasserführung der Fischa ein Ausmaß von 10 m³ pro Sekunde erreiche. Wenn dies bereits vor einem Zustand eintrete, in welchem das Hochwasser die Möglichkeit habe, Nachbargrundstücke zu überfluten, so sei, sobald diese Möglichkeit durch Damme ausgeschaltet sei, ein Rückstau insbesondere bei Wasserführungen über 10 m³ pro Sekunde in noch weit höherem Ausmaß mit Sicherheit zu erwarten. Es gehe nicht an, durch langjährige Beobachtung erhärtete Fakten mittels theoretischer auf dem Papier angestellter falscher Berechnungen für nicht existent zu erklären und die langjährige gegenteilige Erfahrung der Beschwerdeführerin zu ignorieren. Äußerungen, welche sowohl dem gesunden Menschenverstand als auch der von diesem erkennbaren Wirklichkeit widersprachen, könnten auch von Nichtsachverständigen widerlegt werden. Der Antrag, Zeugen zu vernehmen, könne schwerlich in Form eines Sachveständigengutachtens gestellt werden.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein, das sie der Beschwerdeführerin zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt hat. Eine Äußerung zu diesem Gutachten wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht abgegeben, doch wiederholte sie in der am 26. Februar 1985 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ihren Rechtsstandpunkt im wesentlichen wie in der Berufung.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1985 wurde der Berufung nicht Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei beabsichtige entlang der Fischa in der KG. W, S und M Verbauungsmaßnahmen durchzuführen. In den letzten Jahrzehnten seien verschiedene Regulierungsprojekte für die Fischa ausgearbeitet worden, doch habe keines dieser Vorhaben aus Rücksichten des Naturschutzes, der eine im wesentlichen unberührte Belassung des Fischalaufes samt Augebiet fordere, realisiert werden können. Das vorliegende Projekt sehe daher im wesentlichen eine Eindämmung des Augebietes der Fischa vor, wobei an der Fischa selbst keine Maßnahmen vorgesehen seien. An der rechten Seite der Fischa sei vor mehr als 10 Jahren ein kleiner Hochwasserschutzdamm gezogen worden, der im vorliegenden Projekt mitverwendet werde und nur höhenmäßig an die Projektsgrundsätze angeglichen werde. Am linken Ufer werde fast auf der gesamten Lange ein Schutzdamm mit Entwässerungsmaßnahmen des Hinterlandes hergestellt. Nach Wiedergabe des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, verbunden mit dem Bericht des Dipl. Ing. Hermann Z. über die Berechnungen der Wasserspiegellage für einen Hochwasserabfluß von 19 m³ pro Sekunde im derzeitigen Gerinnezustand und dem Projektshochwasserspiegel, führte die belangte Behörde aus, das ergänzende Vorbringen des Vertreters der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor der belangten Behörde habe in der Sache keine wesentlichen Neuerungen gebracht. Dem Einwand des Vertreters, es wäre nicht möglich gewesen, zum Gutachten eine Stellungnahme abzugeben, weil dem Gutachten nicht zu entnehmen gewesen wäre, welches Rinngefälle berechnet, welche Formel angewendet worden sei und was die Kurzbezeichnungen im Gutachten bedeuteten, müsse entgegengehalten werden, daß ein Sachverständiger für Fragen des Wasserbaues in der Lage sein müßte, das vorgelegte Gutachten sachlich zu überprüfen und die darin enthaltenen Fachausdrücke richtig zu interpretieren. Im Gutachten seien jedenfalls nur die allgemein zu gebräuchlichen Fachausdrücke und Abkürzungen verwendet worden. Die vorliegende Wasserspiegelberechnung von Dipl. Ing. Hermann Z. weise nach, daß durch das geplante Wasserbauvorhaben und somit durch die teilweise Ausschaltung der Vorlandabflüsse der Hochwasserspiegel bei 19 m³ pro Sekunde Abfluß im Bereich des Baulosendes um ca. 12 cm angespannt werde. Anzunehmen sei, daß sich dieser Wert bis zum Unterwasser der Wasserkraftanlage Wienerherberg (ca. 700 m flußaufwärts des Baulosendes) noch weiter reduziere. Das Vorbringendes Obmannes der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde, die Leistungen der Turbinen würden alle zwei Stunden festgehalten, man solle die Fischa räumen und nicht Dämme errichten, das Flußbett sei mit ca. 50 Bäumen verlegt, es gebe große Anlandungen durch Schlamm, sei insgesamt nicht in der Lage, von der befürchteten negativen Auswirkung des geplanten Projektes auf die Wasserkraftanlage zu überzeugen. Der ebenfalls vor der belangten Behörde anwesend gewesene Wasseraufseher habe dort keine Erklärung abgegeben. Der belangten Behörde sei daher der wiederholt vor der Erstbehörde und auch im Rahmen der Berufung gestellte Antrag auf Vernehmung des Obmannes der Beschwerdeführerin und des Wasseraufsehers nicht erklärbar. Insgesamt erschienen die vorliegenden technischen Unterlagen der belangten Behörde als fachlich fundiert und im Zusammenwirken mit den von der Behörde erster Instanz erteilten Auflagen durchaus geeignet, eine Gefährdung oder negative Auswirkung auf die Wasserkraftanlage der Beschwerdeführerin auszuschließen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den bekämpften Bescheid in den rechtmäßig geübten Wassernutzungen ihrer Mitglieder und in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Wasserrechtsverfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Die mitbeteiligte Partei hat keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 WRG 1959 muß zu allen Schutz‑ und Regulierungswasserbauten in öffentlichen Gewässern einschließlich der Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern nach dem Gesetz vom 30. Juni 1884, RGBl. Nr. 117, sofern sie nicht unter die Bestimmungen des § 127 WRG 1959 fallen, vor ihrer Ausführung die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde eingeholt werden. Nach Abs. 4 desselben Paragraphen sind Schutz‑ und Regulierungswassebauten einschließlich größerer Räumungsarbeiten so auszuführen, daß öffentliche Interessen nicht verletzt und eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird. Die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und 4 leg. cit. finden sinngemäß Anwendung.

Es ist unbestritten, daß der geplante Schutz‑ und Regulierungswasserbau, nämlich die Herstellung eines Dames, in jenem Bereich liegt, auf den sich das bei der NÖ. Agrarbezirksbehörde anhängige Flurbereinigungsverfahren W, bezieht; demnach war gemäß § 97 FLG 1975, LGBl. 6650‑2, die NÖ. Agrarbezirksbehörde zur Erteilung der Bewilligung nach § 41 Abs. 1 WRG 1959 zuständig. Sie hatte darauf Bedacht zu nehmen, daß durch das Vorhaben u.a. fremde Rechte, das sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum, nicht beeinträchtigt werden. Die Beschwerdeführerin hat nun im Verfahren behauptet, ihr Wasserrecht werde durch eine Minderung der Nutzfallhöhe beeinträchtigt werden. Ob eine solche Beeinträchtigung tatsächlich stattfindet, war im Verfahren zu prüfen. Diese Frage konnte nicht ohne ein Gutachten eines Sachverständigen der Wasserbautechnik geklärt werden. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben daher zutreffend ein solches Gutachten eingeholt. Die Amtssachverständigen der beiden Instanzen kamen in ihren Gutachten zu dem Ergebnis, daß mit einer Beeinträchtigung des Wasserrechtes der Beschwerdeführerin durch das Vorhaben nicht zu rechnen sei. Diesen Gutachten ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Grundlage entgegengetreten. Sie hat dagegen eingewendet, daß ihr Obmann und ihr Wasseraufseher auf Grund von Beobachtungen anderer Meinung seien und diese als Zeugen einzuvernehmen seien. Durch die Namhaftmachung dieser Zeugen zu dem angeführten Beweisthema vermochte die Beschwerdeführerin aber nicht die an sich schlüssigen Gutachten zu entkräften. Die belangte Behörde hat daher durch die Nichteinvernahme dieser Zeugen keine wesentlichen Verfahrensvorschriften verletzt.

Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, es sollten größere Räumungsarbeiten anstelle der geplanten Dammbauherstellung durchgeführt werden, wodurch das gleiche Ziel erreicht werden könnte, ist schon deshalb nicht zielführend, da Aufgabe der Behörde nur die Prüfung des eingereichten Projektes, nicht aber der Zweckmäßigkeit anderer Projektsvarianten war. Soweit die Beschwerdeführerin meint, Interessen des Natur‑ und Landschaftsschutzes und von Unterliegern wahrnehmen zu müssen, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie durch eine Nichtberücksichtigung jener Interessen in ihren Rechten nicht verletzt wird.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Von der beantragten Verhandlung konnte abgesehen werden, da der Sachverhalt durch den Akteninhalt bereits hinreichend geklärt ist (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).

Wien, am 29. Oktober 1985

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