Normen
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Allg Krnt 1982 §94 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. September 1976 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Erstmitbeteiligten eine neuerliche Bewilligung zum Umbau des auf dem Grundstück Nr. nn1 bestehenden Hauses nach §§ 12 und 13 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969. Die Beschwerdeführerin erhob nicht nur gegen diesen Bescheid, sondern aus diesem Anlaß auch gegen eine frühere Umbaubewilligung (Bescheid des Bürgermeisters der ehemaligen Gemeinde A vom 14. Juni 1952) Berufung, in der sie geltend machte, daß ihr Vater als Rechtsvorgänger und Eigentümer der an das Grundstück Nr. nn1 angrenzende Grundfläche (Nr. nn2 der KG A) im Ermittlungsverfahren zur Erteilung der ersten Umbaubewilligung nicht beigezogen und ihm ein Bewilligungsbescheid nicht zugestellt worden sei. Nach einer Aufhebung des darauf ergangenen Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde wurde die Vorstellung gegen einen neuerlichen Berufungsbescheid schließlich mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 5. Juni 1978 als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob die nunmehrige Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zur Zl. B 404/78. In diesem Verfahren stellte sich heraus, daß nicht die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A erteilte Baubewilligung, sondern die mit dem - weder in Urschrift noch in Ausfertigung vorhandenen -
Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 20. Februar 1956 erteilte Baubewilligung konsumiert wurde und daher aufrecht ist. Mit Erkenntnis vom 14. Juni 1982, Zl. B 404/78-24, hob der Verfassungsgerichtshof daher den Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde mit der Begründung auf, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom 14. Juni 1952 erteilte Baubewilligung nach § 27 der Bauordnung 1866 unwirksam geworden sei, so daß mangels Vorhandenseins einer erstinstanzlichen Entscheidung die dagegen erhobene Berufung zurückzuweisen gewesen wäre. Da die belangte Behörde, statt den Bescheid wegen Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes aufzuheben, meritorisch entschieden habe, habe sie die Inanspruchnahme der dem Gemeindevorstand nach dem Gesetz nicht mehr gegebenen Zuständigkeit nicht wahrgenommen; die Beschwerdeführerin sei daher in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin, ihr den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 20. Februar 1956 zuzustellen, und erhob - ungeachtet der bisher nicht erfolgten Zustellung - gegen diesen Bescheid Berufung mit der Begründung, daß weder sie noch ihr Rechtsvorgänger dem Verfahren beigezogen worden seien; der Bescheid sei ihnen auch nicht zugestellt worden.
Die von der Gemeinde zunächst der Kärntner Landesregierung übermittelte Berufung wurde jener ohne formellen Bescheid mit dem Bemerken zurückgestellt, daß seit der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205/1962, über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig entscheide. Diese Regelung habe sich durch die Allgemeine Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8/1982, nicht geändert.
Nach zahlreichen Vorhalten, Äußerungen und Stellungnahmen erging schließlich der Bescheid des Gemeindevorstandes vom 7. Mai 1984, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 20. Februar 1956 abgewiesen wurde.
Die dagegen erhobene Vorstellung wies belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Auch in diesem Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, daß auf Grund der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, und der Bestimmungen der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8, der Gemeindevorstand zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 20. Februar 1956 zuständig gewesen sei, wobei jedoch im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 48 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, die Vorschriften der Kärntner Bauordnung vom 13. März 1866, LGBl. Nr. 12, anzuwenden seien. Meritorisch mache die Beschwerdeführerin lediglich geltend, daß ihr Bauantrag gemeinsam mit der gegenständlichen Angelegenheit hätte behandelt werden müssen, was jedoch nicht zutreffe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 23. Februar 1985, Zl. B 869/84-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten vor allem dadurch verletzt, weil in diesem abgeschlossenen Baugenehmigungsverfahren auf ihr eigenes Baugesuch keine Rücksicht genommen worden sei.
Sowohl die belangte Behörde als auch die Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte erstatteten je eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vor Eingehen in die Sache war zu prüfen, ob die belangte Behörde mit Recht von der Zuständigkeit des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde zur Entscheidung über eine Berufung gegen die Bezirkshauptmannschaft Villach ausgegangen ist.
Die belangte Behörde erkannte zwar richtig, daß sie als Landesbehörde (von ihren Rechten als Aufsichtsbehörde und im Rahmen der Anrufung mittels Vorstellung abgesehen) seit Inkrafttreten der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, keine Zuständigkeit zu meritorischer Entscheidung hat. Sie hat jedoch übersehen, daß andererseits keinerlei Vorschrift den Gemeindevorstand berechtigt, über Berufungen gegen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft zu entscheiden, möge auch in erster Instanz nunmehr der Bürgermeister zuständig sein. Während § 36 Abs. 2 Z. 42 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1957, LGBl. Nr. 56, den Gemeinderat zur Entscheidung über die Berufung gegen Bescheide des Bürgermeisters im Rahmen der Selbstverwaltung berief, normierte § 83 Abs. 1 der mit 31. Dezember 1965 in Kraft getretenen Allgemeinen Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 1, (nunmehr § 94 Abs. 1 der wiederverlautbarten Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 8/1982) daß über Berufungen gegen die Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (also nicht etwa gegen jedwede Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches) der Gemeindevorstand endgültig entscheidet. Übergangsbestimmungen sehen hinsichtlich der Behördenzuständigkeit nichts vor; § 48 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, sieht zwar vor, daß auf anhängige Verfahren in Angelegenheiten, die in diesem Gesetz geregelt sind, die bisherigen Bestimmungen Anwendung zu finden haben, doch kann dies in verfassungskonformer Auslegung nur auf die materiell-rechtlichen Vorschriften bezogen werden. Die Weitergeltung des § 13 der Kärntner Bauordnung vom 13. März 1866, LGBl. Nr. 12, auf die sich die seinerzeitige Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft stützte, stünde mit den geltenden Vorschriften der Bundesverfassung über den eigenen Wirkungsbereich in eindeutigem Widerspruch.
Daraus ergibt sich die fehlende Zuständigkeit des Gemeindevorstandes über eine Berufung gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft, sei es auch in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, zu entscheiden. Vielmehr ist die Landesregierung als zweite Instanz zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden berufen. Sie darf zwar darüber nicht meritorisch entscheiden, sondern hat den in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft aufzuheben, um die Erledigung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu ermöglichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1968, Slg. NF Nr. 7348/A).
Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie über die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes meritorisch entschieden hat, statt dessen Unzuständigkeit aufzugreifen und den Bescheid aufzuheben, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde - nach Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes wegen Unzuständigkeit - über die Berufung der Beschwerdeführerin in der Weise zu entscheiden haben, daß sie auch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach, mit dem die Baubewilligung erteilt worden war, wegen Unzuständigkeit behebt, wonach über das Bauansuchen der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde zu entscheiden hat.
Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof genötigt darauf hinzuweisen, daß die Kärntner Bauordnung - wie auch alle übrigen österreichischen Bauordnungen - einen Anspruch auf gemeinsame Entscheidung über Bauansuchen von Nachbarn und auf eine wechselseitige Bedachtnahme nicht vorsieht. Vielmehr ist jedes Bauansuchen für sich getrennt zu sehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof (z. B. zur Tiroler Bauordnung) mehrfach (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. Dezember 1982, Zl. 82/06/0092, und vom 22. Dezember 1983, Zl. 83/06/0253, BauSlg. Nr. 169) ausgesprochen hat, hat jeder Grundeigentümer, soweit nicht zivilrechtliche Ansprüche bestehen, für eine ausreichende Belichtung und Belüftung seiner Bauten auf seinem Grundstück Sorge zu tragen und kann nicht etwa durch einfaches Zuvorkommen damit das Nachbargrundstück belasten.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere deren Art. III.
Wien, am 21. November 1985
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