Normen
StVO 1960 §4 Abs1 lita
StVO 1960 §4 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985020034.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 5. August 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, "am 6. 7. 1983 gegen 20.10 Uhr als Lenker des Lkw's N nn im Ortsgebiet von Bad Fischau-Brunn auf der Brunnergasse in Fahrtrichtung Landeshauptstraße 137 vor dem Haus Brunnergasse Nr. 4 einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen" zu haben, "1.) sofort anzuhalten und 2.) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken sowie 3.) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl Sie und diejenige Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander nicht ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben"; er habe dadurch Verwaltungsübertretungen "nach zu 1.) § 4/1/a, zu 2.) § 4/1/c und zu 3.) § 4/5 StVO begangen"; über ihn wurden drei Geldstrafen zu je S 1.000,-- (je 60 Stunden Ersatzarrest) verhängt.
Auf Grund des dagegen erhobenen Einspruches wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Beschwerdeführer gab dabei an, er habe tatsächlich am Tatort zur Tatzeit einen Lkw gelenkt, die Streifung des gegenständlichen Pkws aber nicht bemerkt. Am Lkw seien keinerlei Schäden festzustellen. Da das rechte Türfenster geschlossen gewesen sei, habe er in Anbetracht des Motorengeräusches des mit Schotter beladenen Lkws keinerlei Geräusch einer Streifung wahrnehmen können. Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen holte zur Frage, ob bei Beschädigungen der vorliegenden Art es bei aufmerksamer Fahrweise des Lastkraftwagenlenkers möglich sei, den Schadenseintritt wahrzunehmen, das Gutachten eines Amtssachverständigen ein. Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 27. Dezember 1983 fest, daß bei dem Pkw die rechte Längsseite beschädigt, und zwar die rechte Tür, die rechte Seitenwand und der rechte hintere Kotflügel teilweise eingedrückt worden seien; an den Schadstellen wären Reifenspuren feststellbar. Am Lkw hätten keine Schäden festgestellt werden können; es wäre lediglich eine Staubabwischung an der Seitenwand des rechten Hinterreifens erkennbar gewesen. Ein Zeuge habe ausgeführt, daß er hinter dem Pkw stehen geblieben sei, weil die Straße dort sehr schmal sei. Auf Grund dieser Feststellungen kam der Sachverständige zu folgendem gutächtlichen Schluß: "Die Schäden des Pkw's ergeben einen streifenden Kontakt zwischen dem rechten Hinterrad des Lkw's und dem Pkw. Hier sei hervorzuheben, daß die Karosserie des Pkw's teilweise eingedrückt war. Berücksichtigt man, daß es sich bei der Unfallstelle um eine schmale Straße handelt, dann muß man von dem Lkw-Lenker doch eine erhöhte Aufmerksamkeit fordern, da er mit einem breiten Fahrzeug unterwegs war. Die Streifung zeigt, daß ein entsprechender Seitenabstand nicht eingehalten wurde. Daraus ergibt sich zwingend, daß für den Lkw-Lenker optisch erkennbar war, daß er ganz knapp an dem Pkw vorbeifährt. In dieser Situation hätte er bei entsprechender Aufmerksamkeit den Kontakt zumindest optisch im rechten Außenspiegel erkennen können." Der Beschwerdeführer trat dem Gutachten nur in dem Punkt entgegen, daß er bei entsprechender Aufmerksamkeit durch einen Blick in den rechten Außenspiegel den Kontakt hätte erkennen können, da für ihn überhaupt keine Veranlassung bestanden habe, in den Außenspiegel zu schauen. Überdies habe er auf einen am anderen Fahrbahnrand parkenden Pkw achten müssen.
Mit Straferkenntnis vom 14. März 1984 wurde der Beschwerdeführer derselben Verwaltungsübertretungen wie in der Strafverfügung vom 5. August 1983 für schuldig erkannt; über ihn wurden Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) in derselben Höhe verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich der Bestrafung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Strafverfahren diesbezüglich eingestellt; die Bestrafungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 wurden jedoch mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung zu lauten habe: "Am 6. Juli 1983 um ca. 20.10 Uhr ist Ihr Verhalten als Lenker des
Lastkraftwagens ..... im Ortsgebiet von Bad Fischau-Brunn im Zuge
der Fahrt auf der Brunnergasse in Richtung Landeshauptstraße 137 insoferne mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden, als Sie mit dem rechten rückwärtigen Rad Ihres Lastkraftwagens den auf der rechten Straßenseite (in Fahrtrichtung Landeshauptstraße 137) vor dem Haus Bad Fischau-Brunn entgegen der Fahrtrichtung geparkten Kombinationskraftwagen mit dem
behördlichen Kennzeichen ...... an der rechten Seite streiften und
dadurch beschädigten (rechte Türe, rechte Seitenwand und rechter hinterer Kotflügel teilweise eingedrückt). Anschließend haben Sie 1. nicht sofort angehalten und 3. nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von den Verkehrsunfall verständigt, obwohl Sie und jene Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander nicht den Namen und die Anschrift nachgewiesen haben."
In seiner erkennbar nur gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerdebehauptung der Sache nach damit, daß ihn an den ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen kein Verschulden treffe. Aus den festgestellten Schäden ergebe sich die außerordentliche Geringfügigkeit des Streifkontaktes. Daraus müsse man zu dem Schluß kommen, daß der Streifkontakt vom Beschwerdeführer wegen der vom Lkw ausgehenden Geräuschentwicklung auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht hätte bemerkt werden müssen und sohin die Wahrnehmung des geringfügigen Streifkontaktes für den Lenker eher unwahrscheinlich erscheine.
Die belangte Behörde begründet, gestützt auf das Sachverständigengutachten, ihre Annahme, den Beschwerdeführer träfe am Nichterkennen der Streifung des Pkws Verschulden in Form der Fahrlässigkeit damit, daß sich die Streifung "an einer engen Straßenstelle" ereignet habe. Dies müßte zur erhöhten Aufmerksamkeitsbereitschaft des Beschwerdeführers bezüglich des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes geführt haben. Es müßte daher von ihm sehr wohl verlangt werden, "daß sich der Blick in den rechten Rückblickspiegel des Lkws mit dem Zeitpunkt des Vorbeifahrens am geparkten Fahrzeug deckt". Das Unterlassen des Blicks in den Rückspiegel begründe das Verschulden am Nichtwissen über den Eintritt des Sachschadens.
Zur Bestrafung nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO 1960 genügt es, daß es der betreffenden Person bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätte kommen müssen, daß ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist. Übertretungen dieser Bestimmungen können auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1981, Zl. 81/02/0128). Im gegebenen Fall ist entscheidend, daß es sich nach den Feststellungen der Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens
bei dem Tatort um eine schmale Straßenstelle gehandelt hat. Dieser Annahme ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Er hätte daher dort seine Fahrweise so einrichten müssen, daß er diese Stelle ohne Streifung abgestellter Fahrzeuge durchfahren kann, und hätte sich auch durch geeignete Maßnahmen - etwa dem von den Behörden erwähnten Blick in den Rückspiegel - davon überzeugen müssen, daß ihm dies auch gelungen ist. Wenn er nun unbestrittenermaßen an einer eine besondere Fahrweise erfordernden Straßenstelle eine Streifung verursacht und diese mangels eines ihm möglichen und zumutbaren Verhaltens nicht wahrgenommen hat, muß ihm dieser Umstand als Verschulden angerechnet werden. Die belangte Behörde hat zu Recht die Schuldsprüche nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO 1960 bestätigt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Hinsichtlich der zitierten Entscheidung wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 17. Jänner 1985
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