Normen
EStG 1972 §16 Abs1 Z1
EStG 1972 §34
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984130188.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist Geschäftsführerin einer Gesellschaft m.b.H. und an deren Stammkapital mit 15 v. H. beteiligt. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Notlage der X Ges.m.b.H. haben deren Gesellschafter einschließlich der mitbeteiligten Partei unter anderem beschlossen, „privat“ einen Kredit aufzunehmen und die aufgenommenen Mittel der Ges.m.b.H. zur Verfügung zu stellen. Die Kreditzinsen wurden nicht an die Ges.m.b.H. weiterverrechnet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1981 beantragte die Mitbeteiligte, die auf sie entfallenden Zinsen aus der erwähnten Kreditaufnahme in Höhe von S 24.714,-- als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid, wurde diesem Antrag stattgegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Präsident erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die von der Mitbeteiligten behauptete Zwangsläufigkeit ihres Zinsenaufwandes, die sie in der sittlichen Verpflichtung zur finanziellen Hilfeleistung an die Ges.m.b.H. erblickt, nicht vorliege. Eine sittliche Verpflichtung im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG entspringe regelmäßig dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu ihm nahestehenden Personen, könne aber in objektiver Betrachtungsweise nicht auch einer Kapitalgesellschaft gegenüber bestehen.
Auch das Argument, der eigene Arbeitsplatz sowie die Arbeitsplätze der übrigen Angestellten der Ges.m.b.H. seien bedroht gewesen, begründe keine Zwangsläufigkeit für die Kreditaufnahme. Von einer Existenzbedrohung könne nämlich nur dann die Rede sein, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person überhaupt verlorenzugehen drohe und die berufliche Existenz nicht auch auf eine andere zumutbare Weise (z. B. Suche eines neuen Arbeitsplatzes) erhalten werden könne. Die allgemeine sittliche Pflicht, in Not geratenen Menschen zu helfen, begründe keine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG werden außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf Antrag insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben außer Betracht.
Gemäß Absatz 3 der zitierten Bestimmung erwächst dem Steuerpflichtigen die Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Im Beschwerdefall kann die Prüfung der Frage unterbleiben, ob eine sittliche Verpflichtung der Mitbeteiligten bestand, Fremdmittel aufzunehmen und diese der Ges.m.b.H. zinsenlos zur Verfügung zu stellen. Dies deshalb, weil es sich bei den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kreditzinsen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes um Werbungskosten handelt, die gemäß dem zitierten Gesetzeswortlaut nicht als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen. Für die Beurteilung der Kreditzinsen als Werbungskosten sind folgende Überlegungen maßgebend:
Wie die Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren selbst wiederholt dargelegt hat, sollte mit der genannten Maßnahme die Ges.m.b.H., an der sie beteiligt ist, und die daher für sie in steuerlicher Betrachtungsweise grundsätzlich eine Quelle von Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 27 EStG darstellt, gerettet werden.
Nun trifft es zwar zu, daß Aufwendungen für den Erwerb einer Quelle von Einkünften aus Kapitalvermögen keine Werbungskosten darstellen. Weiters trifft es zu, daß bei der Beteiligung an einer Ges.m.b.H. nicht nur jene Mittel als Aufwendungen für den Erwerb der Einkunftsquelle anzusehen sind, die für den Erwerb der Beteiligung selbst aufgewendet werden, sondern daß dies gleichermaßen für Mittel gilt, die der Gesellschafter neben seiner Stammeinlage, sei es im Wege einer (freiwilligen) zusätzlichen Einlage, sei es im Wege einer Darlehensgewährung, der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Nimmt aber der Gesellschafter für solche Zwecke selbst Fremdmittel in Anspruch, so stellt der ihm erwachsene Zinsenaufwand in gleicher Weise Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 EStG dar wie Schuldzinsen für ein Darlehen, das zur Schaffung einer anderen Einkunftsquelle, z. B. für den Erwerb von Wertpapieren oder für den Erwerb eines Mietwohnhauses, verwendet wird (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. März 1979, Zl. 1387/77).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 27. Februar 1985
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