VwGH 83/13/0110

VwGH83/13/011027.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des RL in W, vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien I, Stubenring 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Juni 1983, Zl. GA 7-873/4/83, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80;
BAO §9 Abs1;
BAO §9;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
BAO §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer der "X" Sportgeräte Handelsgesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H. genannt) und als solcher im Handelsregister eingetragen. Laut "Dienst- und Bestellungsvertrag" vom 27. Dezember 1978 übte er diese Tätigkeit bereits seit dem Jahr 1974 aus (der genannte Vertrag sollte die Rechte und Pflichten des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und gleichzeitig als Angestellter der Ges.m.b.H. regeln). Gemäß Punkt III. des Vertrages war der Beschwerdeführer ermächtigt und bevollmächtigt, die Ges.m.b.H. "in technischen, kaufmännischen und sonstigen Belangen zu leiten, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten sowie im Innenverhältnis die Geschäfte zu führen. Beschränkungen der Vertretungsmacht sah der Vertrag bezüglich des An- und Verkaufs bestimmter Wirtschaftsgüter, des Abschlusses bestimmter Bestandverträge, der Übernahme von Krediten, der Aufnahme und Kündigung von höher entlohnten Angestellten und ähnlicher Agenden vor. Der Beschwerdeführer war ausdrücklich zum Verkehr mit Behörden, zur Beauftragung von Steuerberatern und Rechtsanwälten ermächtigt sowie beauftragt, fristgerecht die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen der Ges.m.b.H. zu erstellen und die Steuererklärungen abzugeben.

Am 12. Juli 1979 wurde über das Vermögen der Ges.m.b.H. der Konkurs eröffnet. Mit Beschluß vom 30. Juni 1980 wurde das Konkursverfahren mangels Deckung der Kosten aufgehoben.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1980 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Ges.m.b.H. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgaben der Ges.m.b.H. in Höhe von S 123.216,-- herangezogen. In der Begründung des Haftungsbescheides sind folgende Abgaben aufgezählt:

1978

Umsatzsteuer

S

2,--

1979

Umsatzsteuer

S

86.286,--

1978

Körperschaftsteuer

S

7.170,--

1978

Gewerbesteuer

S

5.752,--

1979

Vermögensteuer

S

519,--

1979

Lohnsteuer

S

12.677,--

1979

Dienstgeberbeitrag

S

2.809,--

1979

Säumniszuschlag

S

8.001,--

 

Summe

S

123.216,--

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Seine Geschäftsführungsbefugnisse seien eng begrenzt gewesen. Er habe keine größeren Zahlungen leisten dürfen, sei aber verpflichtet gewesen, all jene Aufträge zu erfüllen, die zu den Abgabenrückständen geführt hätten. Auch habe er keinen Einblick in die aktuellen "Buchhaltungszahlen" gehabt. Praktisch sei er lediglich Büroleiter gewesen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Gemäß § 20 GesmbHG seien Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber ohne jede rechtliche Wirkung. Auch spreche der Dienst- und Bestellungsvertrag vom 27. Dezember 1978 keineswegs dafür, daß der Beschwerdeführer seinen Verpflichtungen zur zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht habe entsprechen können.

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und betonte dabei nochmals, daß er nicht über jene Unterlagen verfügt habe, die es ihm ermöglicht hätten, für die Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten Sorge zu tragen. Vielmehr seien ihm vom Steuerberater, der zugleich Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin gewesen sei, die Buchhaltungsunterlagen zwecks Führung und Kontrolle der Buchhaltung und zwecks Bilanzerstellung abgenommen und nicht zurückgegeben worden. Die Haftung des Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. höre automatisch dort auf, wo er "die Grundlagen einer solchen etwaigen Haftung gar nicht kennt und wo er dann überdies auch gar keine Mittel in der Gesellschaftskasse hat", mit der er die Forderungen bezahlen könnte. Es sei zwar richtig, daß gemäß § 20 GesmbHG interne Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber keine Wirkung hätten; sie führten aber "durchaus zur Befreiung der Haftungen nach § 9 Abs. 2 BAO". Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung sei dem Beschwerdeführer lediglich ein Steuerguthaben des Unternehmens in der Größenordnung von ca. S 35.000,-- bekannt gewesen. Da er keine Unterlagen zur Verfügung gehabt habe, sei er im guten Glauben gewesen, daß der Finanzbehörde gegenüber keine Verbindlichkeiten bestanden hätten.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Ihrer Ansicht nach habe sich der Beschwerdeführer "gegen die Schwierigkeiten tatsächlicher Art bei der Führung der Ges.m.b.H. nicht durchsetzen (können)". Dies sei aber rechtlich ohne Belang. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, über die Geschäfte der Ges.m.b.H. Aufzeichnungen zu führen. Er habe dies schuldhaft unterlassen bzw. nicht dargetan, daß ihn an der Verletzung dieser Pflichten kein Verschulden getroffen habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren selbst vorgebracht, daß er "all jenen Aufträgen der Gesellschafter zu folgen hatte, durch die die gegenständliche Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Vermögensteuer, Lohnsteuer und Dienstgeberbeitragsrückstände sowie schließlich Säumniszuschläge entstanden sind". Unbestritten ist weiters, daß diese Abgaben bei der Ges.m.b.H. nicht mehr einbringlich sind. Der Beschwerdeführer bestreitet aber, für die Abgaben zu haften und begründet dies damit, daß ihm die entsprechenden Buchhaltungsunterlagen vorenthalten worden seien. Er habe daher die Höhe allfälliger Zahlungsverpflichtungen dem Finanzamt gegenüber nicht gekannt. Außerdem sei er nicht berechtigt gewesen, über größere Geldmittel zu verfügen.

Der Beschwerdeführer verkennt damit den Umfang seiner Pflichten als einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer der Ges.m.b.H. sowie den Inhalt der Bestimmungen der §§ 9 und 80 BAO.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen, für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1982, Zl. 17/0285/79, sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer bringt vor, an der Erfüllung seiner Verpflichtungen als Geschäftsführer durch die Gesellschafter bzw. durch den Steuerberater, der gleichzeitig Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin gewesen sei, gehindert worden zu sein. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers an der Nichterfüllung seiner Obliegenheiten darzutun. Sollte sich nämlich der Beschwerdeführer in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten als Geschäftsführer durch die Gesellschafter oder dritte Personen behindert gesehen haben, so wäre er dazu verhalten gewesen, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1981, Zl. 17/0705/80, und die dort eingehend dargelegten Ausführungen zur Frage des schuldhaften Verhaltens eines in seiner Funktionsausübung behinderten Geschäftsführers). Dadurch, daß der Beschwerdeführer dies nicht getan hat und weiterhin als Geschäftsführer tätig blieb, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sah, hat er auch seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Ges.m.b.H. treffenden Abgaben verletzt. Daraus folgt, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für die uneinbringlich gewordenen Abgabenschulden der Ges.m.b.H. herangezogen hat; die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden konnte, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 27. März 1985

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