Normen
BAO §307 Abs1;
BAO §307 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. Juni 1980 hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz gegenüber der Beschwerdeführerin auf Grund des Abtretungsvertragsnachtrages vom 8. Februar 1980 und des an das genannte Finanzamt gerichteten Schreibens der Beschwerdeführerin vom 10. März 1980 wegen Vereinigung aller Anteile an der W-Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in L in einer Hand (in bezug auf das Grundstück EZ. 701 des Grundbuches der KG. X) ausgehend von dessen Einheitswert von S 3,923.000,-- 8 % Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 313.840,-- festgesetzt. Gegen diesen Bescheid war Berufung nicht eingebracht worden.
Mit dem als Wiederaufnahmebescheid gemäß § 303 Abs. 4 BAO bezeichneten Bescheid vom 10. Februar 1982 traf das genannte Finanzamt folgende Erledigungen:
"1) Das mit Bescheid vom 26.6.80, BAP 16585/80, abgeschlossene Verfahren betreffend Vorschreibung einer Grunderwerbsteuer von S 313.840,-- f. d. Vereinigung aller Anteile in einer Hand wird gem. § 303 (4) BAO wieder aufgenommen u. der vorgeschriebene Betrag von S 313.840,-- Grunderwerbsteuer zur Gänze abgeschrieben.
Begründung: Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt, weil im Zuge der Prüfung festgestellt wurde, daß im Zeitpunkt der tatsächlichen Vereinigung aller Anteile in einer Hand nicht nur die in der Abgabenerklärung vom 10.3.80 angeführte Liegenschaft EZ 701, KG X, sondern auch die Liegenschaft EZ 640, KG X, zum Vermögen der Gesellschaft gehört hat.
2) Die Neuvorschreibung erfolgt vom Einheitswert der Liegenschaften, welche zum Zeitpunkt der Vereinigung aller Anteile in einer Hand im Eigentum der GesmbH waren.
vom Einheitswert 8,392.000,-- 8 % Grunderw. St. S 671.360,--"
Gegen den zuletzt zitierten Bescheid des genannten Finanzamtes brachte die Beschwerdeführerin rechtzeitig "Berufung gegen den Bescheid vom 10.2.1982" ein, die sie wie folgt einleitete:
"Innerhalb offener Frist erheben wir gegen den randvermerkten Bescheid vom 10.2.1982 betreffend die Wiederaufnahme des Grunderwerbsteuer-Bemessungsverfahrens Berufung und stellen den Antrag auf Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und Wiedereinsetzung des Bescheides vom 26.6.1980, BAP 16585/80."
Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, die im Prüfungsbericht (vom 22. Dezember 1981) enthaltenen Feststellungen seien, soweit sie den Sachverhalt beträfen, grundsätzlich richtig. Nicht zutreffend sei ihres Erachtens die im Prüfungsbericht bzw. im Bescheid enthaltene rechtliche Würdigung. Anschließend legte die Beschwerdeführerin ihre Auffassung dar, warum im Zeitpunkt der Vereinigung aller Anteile in einer Hand allein die Liegenschaft EZ. 701 KG X" zum Betriebsvermögen der W-Gesellschaft m.b.H. gehört habe. Aus den angeführten Gründen ersuchte die Beschwerdeführerin auf dieser Bemessungsgrundlage die Grunderwerbsteuerfestsetzung vorzunehmen.
Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. August 1983 wurde der angeführten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. Februar 1982, betreffend "die Festsetzung einer Grunderwerbsteuer vom Abtretungsvertragsnachtrag vom 8.2.1980" keine Folge gegeben. Dies im wesentlichen unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 und 23 Abs. 3 BAO sowie des § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG und des § 883 ABGB mit der Begründung, daß im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (8. Februar 1980) beide angeführten Liegenschaften zum Vermögen der W-Gesellschaft m.b.H. gehört hätten.
Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführerin erstattete unaufgefordert eine schriftliche Äußerung zu dieser Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde im wesentlichen vor, der erstinstanzliche Bescheid vom 10. Februar 1982 habe nicht nur eine neuerliche (gesamte) Grunderwerbsteuervorschreibung enthalten, sondern auch die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt. Die Beschwerdeführerin habe diesen Bescheid seinem vollen Inhalt nach bekämpft, seine volle Aufhebung und (vgl. § 307 Abs. 3 BAO) "Wiedereinsetzung" des Vorbescheides beantragt. Da es hinsichtlich der "EZ 640" des
Grundbuches der KG. X ... nicht zu einer Anteilsvereinigung in
einer Hand gekommen sei, sei die Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt gewesen. Es erscheine unzulässig, eine Berufungsentscheidung über die neue Sachentscheidung zu fällen, ohne (zuvor) über die Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens abzusprechen.
Gemäß dem § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Die Begründung einer solchen verbundenen Entscheidung hat - in logischer Reihenfolge - Ausführungen zum iudicium rescindens (Wiederaufnahmeverfahren oder Aufhebungsverfahren) und zum iudicium rescissorium (wiederaufgenommenen Verfahren oder Erneuerungsverfahren) zu enthalten. Wenn auch die zitierte Bestimmung die Verbindung des Wiederaufnahmebescheides mit dem neuen Sachbescheid anordnet, so ist doch jeder dieser Bescheide für sich einer Berufung zugänglich (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1983, Zlen. 82/16/0158, 0159, und die darin gemachten Hinweise).
Gemäß dem § 250 Abs. 1 BAO muß die Berufung enthalten:
a) Die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung.
Der Verwaltungsgerichtshof ist - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht - der Auffassung, daß die Beschwerdeführerin jedenfalls im Sinne der zitierten lit. a) bis c) die Berufung sowohl gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Teil als auch gegen die abschließende Sachentscheidung einbrachte. Zutreffend verweist die Beschwerde im Zusammenhang mit dem vor der - im Verwaltungsverfahren nicht von ihrem nunmehrigen Vertreter vertreten gewesenen - Beschwerdeführerin verwendeten Ausdruck "Wiedereinsetzung des Bescheides vom 26.6.1980" auf die Bestimmung des § 307 Abs. 3 BAO, wonach durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Im übrigen gewinnt der in "Ablehnung einer überspitzten und formalistischen Anwendung der Verfahrensgesetze" entwickelte Grundsatz, daß es bei Beurteilung von Anbringen, so auch von Berufungen, nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes ankommt, welches auch aus dem sonstigen Verhalten der Partei ableitbar sein kann, dann an Bedeutung, wenn unklare Ausdrucksweisen auf unklare Bescheidgestaltungen zurückzuführen sind (siehe die von Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 1980, Seite 618 unten f, zitierte Rechtsprechung).
Wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gilt. Die Erteilung eines Auftrages zur Mängelbehebung liegt nicht im Ermessen der Behörde. Fehlen einer Berufungsschrift Erfordernisse, wie sie im § 85 Abs. 2 bzw. § 250 BAO erschöpfend aufgezählt sind, muß die Behörde gemäß dem § 275 BAO einen Behebungsauftrag erteilen. So machen eine überhaupt fehlende Begründung, das Fehlen von Angaben über den Anfechtungsgegenstand und über das Berufungsbegehren sowie das Fehlen einer Berufungsbegründung einen Behebungsauftrag erforderlich. Ergeht diesfalls ohne vorhergehendes Mängelbehebungsverfahren eine Sachentscheidung, dann ist diese mit dem Mangel der Rechtswidrigkeit belastet (siehe die von Stoll Bundesabgabenordnung, Handbuch, 1980, Seite 659 unten f, zitierte Rechtsprechung).
Die belangte Behörde war also verpflichtet, die auch gegen die mit Punkt 1) des angefochtenen Bescheides verfügte Wiederaufnahme gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin in bezug auf eine diesbezügliche Begründung zum Anlaß der Erteilung eines vom genannten Finanzamt ebenfalls unterlassenen Mängelbehebungsauftrages zu nehmen.
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens durch die belangte Behörde noch nicht entschieden wurde, sodaß - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, wonach die Beschwerdeführerin Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben müsse, - die mit Beschwerde angefochtene Entscheidung der belangten Behörde in der Sache selbst unzulässig war. Eine Entscheidung in der Sache selbst ohne gleichzeitige Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Berufungsbehörde verstößt gegen die Bestimmung des § 307 Abs. 1 BAO (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1983, Zl. 82/13/0038, im wesentlichen veröffentlichte in der Beilage zur ÖStZ. 18/84, Seite 332). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei die Wiedergabe und Erörterung des weiteren - im Zusammenhang mit der Sachentscheidung stehenden Vorbringens beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entbehrlich war.
Hinsichtlich der zitierten nichtveröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 von einer Verhandlung abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die belangte Behörde wird sich im fortzusetzenden Verfahren im Sinne des § 115 Abs. 1 BAO auch mit folgendem Akteninhalt auseinanderzusetzen haben:
Am 26. Februar 1980 war beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz eine für F und AW, sowie von der W-Gesellschaft m.b.H. und der A-Ges.m.b.H. gezeichnete "Klarstellung" eingelangt (der mit der BRP 11720 versehene Einlaufstempel ist auf der in den Verwaltungsakten befindlichen Ablichtung durchgestrichen). Die beiden einleitenden Absätze dieser "Klarstellung" lauten:
"Mit Abtretungsvertrag vom 22.3.1978 und Nachtrag vom 8.8.1978 (in der Folge kurz 'Abtretungsvertrag'), haben Herr FW und Frau AW, ihre sämtlichen Geschäftsanteile an der Firma W-Gesellschaft mbH, an die A-Gesellschaft mbH , vormals D-Gesellschaft mbH, abgetreten.
Ferner hat die W-Gesellschaft mbH. mit Kaufvertrag vom 22./29.3.1978 und Nachtrag vom 8.8.1978 (in der Folge kurz 'Liegenschaftskaufvertrag') von Herrn FW das zur Liegenschaft EZ. 640, KG X, GB. Gmunden, gehörige Grundstück Nr. 32/1 samt darauf befindlichen Baulichkeiten käuflich erworben."
Bereits mit dem am 14. November 1978 beim genannten Finanzamt eingelangten Schreiben des Vertragsverfassers vom 10. November 1978 war mitgeteilt worden, daß der gegenständliche Kaufvertrag vom 22./19. (richtig: 29.) März 1978 und der Nachtrag vom 8. August 1978 von der Landesgrundverkehrskommission für Oberösterreich genehmigt worden war.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 18. Oktober 1984
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