VwGH 83/15/0034

VwGH83/15/003419.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des Dr. BN in D, vertreten durch Dr. Oskar Stefula, Rechtsanwalt in Villach, Italienerstraße 6/2, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 27. Dezember 1982, Zl. B 63/1‑4/82, betreffend Umsatzsteuer für 1979 und 1980, und vom 23. Dezember 1982, Zl. B 63/2‑4/82, betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis Mai 1981, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §1 Abs1 Z1 idF 1975/636
UStG 1972 §12 Abs1 idF 1977/645
UStG 1972 §12 Abs3 letzter Satz idF 1977/645
UStG 1972 §2 Abs4 Z1 idF 1975/636
UStG 1972 §4 Abs1 idF 1975/636
UStG 1972 §4 Abs3 idF 1975/636
UStG 1972 §6 Z6 idF 1975/636

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983150034.X00

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 17.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer übt seinen Beruf als praktischer Arzt in einer Gemeinde aus, in der sich keine Apotheke befindet. Nach den Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden jedoch in der ärztlichen Praxis des Beschwerdeführers in Zusammenarbeit mit der Apotheke einer anderen Gemeinde auch Medikamente abgegeben. Die Apotheke hätte die Medikamente geliefert, da der Beschwerdeführer über keine Hausapotheke verfügt habe. Laut Aussage des Beschwerdeführers befinde sich in seiner Ordination ein Warenlager der Apotheke. Den Prüfungsfeststellungen zufolge verschrieb der Beschwerdeführer das Medikament, übergab dieses den Patienten und kassierte von diesen die Rezeptgebühr. In weiterer Folge übergab der Beschwerdeführer die Rezeptgebühr und das Rezept an die Apotheke. Da nach dem Außenverhältnis Rechtsbeziehungen nur zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten entstünden, war nach Auffassung des Prüfers der Wert der abgegebenen Medikamente als Umsatz des Arztes zu erfassen.

Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Prüfers an und rechnete in den betreffenden Abgabenbescheiden den erklärten Umsätzen für 1979 S 100.000,--, für 1980 S 200.000,-- und für die Zeit von Jänner bis Mai 1981 S 100.000,-- zu.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, er hätte für die Medikamente keine wie immer geartete Bezahlung bekommen. Er habe alle Patienten in Kenntnis gesetzt, daß die Medikamente von der Apotheke und nicht vom Beschwerdeführer als Arzt abgegeben würden. Die Verrechnung der Medikamente mit den Krankenkassen nehme ausschließlich die Apotheke vor, der Beschwerdeführer kenne nicht einmal die Tarife. Für die Annahme eines Umsatzes mit den Medikamenten fehle es an einem Entgelt. Die Medikamentenabgabe sei als Serviceleistung für die Patienten anzusehen, um ihnen den beschwerlichen Weg zur Apotheke zu ersparen, die Medikamentenabgabe mache allerdings auch den Beschwerdeführer als Arzt für die Patienten attraktiver.

Aus einer dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Stellungnahme des Prüfers zur Berufung geht hervor, daß der Apotheker keine Inventur für das beim Beschwerdeführer befindliche Warenlager hätte vorlegen können und nach seinen Angaben auch keine Kontrolle über das beim Beschwerdeführer befindliche Warenlager ausgeübt habe. In den Ordinationsräumen des Beschwerdeführers sei kein Hinweis darauf angebracht gewesen, daß er die Medikamente im Namen der Apotheke abgebe. Bei Medikamentenabgabe an Privatpatienten hätte der Beschwerdeführer auch über die Medikamententarife Bescheid wissen müssen.

In einer Äußerung zu dieser Stellungnahme wiederholte der Beschwerdeführer, daß er für die abgegebenen Medikamente kein Entgelt erhalten habe. Er könne gar nicht als leistender Unternehmer angesehen werden, da er keine Bewilligung zur Führung einer Hausapotheke habe und daher keinerlei Möglichkeit besitze, die Medikamente mit den Krankenkassen abzurechnen. An Privatpatienten habe er nie Medikamente abgegeben, sondern immer lediglich Rezepte ausgefüllt. Die Höhe des Wertes der abgegebenen Medikamente habe der Beschwerdeführer erst durch die der Schätzung des Finanzamtes zugrunde gelegten Angaben des Apothekers erfahren.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme erklärte der Beschwerdeführer, er hätte die Patienten mündlich von der Abgabe der Medikamente für den Apotheker in Kenntnis gesetzt. Ein Aushang in der Ordination wäre rechtlich unzulässig gewesen und sei daher unterblieben. Auch Belege seien anläßlich der Medikamentenabgabe nicht ausgestellt worden. Die Rezeptgebühren habe der Beschwerdeführer durchschnittlich wöchentlich anhand der Rezepte an den Apotheker abgeführt. Das bei ihm befindliche Warenlager habe der Apotheker selbst zu Jahresende aufgenommen. Die Medikamente habe der Beschwerdeführer telefonisch bestellt, sie seien von der Apotheke wöchentlich ohne Belege geliefert worden.

Im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens wurden sechs Patienten des Beschwerdeführers als Auskunftspersonen einvernommen. Diese gaben übereinstimmend an, daß sie die Medikamente vom Beschwerdeführer oder seiner Assistentin ohne weiteren Hinweis erhalten hätten. Zu diesen Aussagen bemerkte der Beschwerdeführer, die Patienten hätten auch nicht behauptet, daß er die Medikamente im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgegeben habe. Zudem sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, nach welchen Kriterien die Abgabenbehörde die befragten Patienten ausgewählt habe, da er seine Patienten im Laufe seiner Praxiszeit nie darüber im unklaren gelassen habe, daß er die Medikamente nicht im eigenen Namen, sondern für den Apotheker abgegeben habe.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden keine Folge, wobei sich der zweitangefochtene Bescheid in seiner Begründung im wesentlichen nur auf den erstangefochtenen Bescheid bezieht. Diesem Bescheid liegt folgende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes zugrunde:

Es komme im Umsatzsteuerrecht entscheidend darauf an, ob das Umsatzgeschäft im eigenen oder im fremden Namen abgeschlossen werde. Der im fremden Namen und für fremde Rechnung auftretende Unternehmer bewirke nur eine Vermittlungsleistung, er habe daher im Gegensatz zum Eigenhändler und Kommissionär, welche das volle Entgelt für den Gegenstand zu versteuern hätten, nur das Vermittlungsentgelt der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Handeln im fremden Namen und für fremde Rechnung müsse nach außen erkennbar in Erscheinung treten. Der Vertragspartner müsse wissen, daß der Unternehmer das Geschäft für einen anderen abgeschlossen habe und dementsprechend die Zahlungen nicht für sich, sondern für einen Dritten vereinnahme. Nur dann, nicht jedoch bei einem Auftreten im eigenen Namen, könnten vereinnahmte und wieder verausgabte Beträge durchlaufende Posten sein. Die Vermutung spreche dafür, daß der Unternehmer die Geschäfte in seinem Betrieb im eigenen Namen abschließe. Gegenteiliges müßte eindeutig durch entsprechende Vorkehrungen und unmißverständliche Hinweise jedermann erkennbar gemacht werden.

Im Beschwerdefall hätte nun der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen können, auf welche Weise er seine Patienten von der Abgabe der Medikamente im Namen und für Rechnung des Apothekers informiert hätte. Es widerspreche jeder Erfahrung, daß ein Arzt anläßlich der Neuübernahme seiner Praxis (im Streitjahr 1979) jeden einzelnen künftig vielleicht zu betreuenden Patienten auf ein Agenturverhältnis bei der Medikamentenabgabe aufmerksam mache. Bei der Ausfolgung der Medikamente selbst sei den Patienten, wie aus den niederschriftlichen Einvernahmen hervorgehe, kein Hinweis auf ein Handeln im fremden Namen gegeben worden. Einvernommen aber habe man Personen, die gerade angetroffen hätten werden können. Eine Auswahl der Auskunftspersonen sei nicht erfolgt, abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer angegeben habe, alle seine Patienten auf das Agenturverhältnis aufmerksam gemacht zu haben. Die Auskunftspersonen gehörten aber sämtliche zum Patientenkreis des Beschwerdeführers. Im übrigen fehle es auch an dem Erfordernis eines jedermann klar erkennbaren Hinweises, daß die Medikamente im Namen des Apothekers abgegeben worden seien. Bei dieser Sachlage fehlten die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Agenturverhältnisses, und dies umso mehr, als der Vorgänger des Beschwerdeführers tatsächlich eine Hausapotheke geführt habe und sich somit durch die Praxisübernahme durch den Beschwerdeführer für den Patienten im Hinblick auf die Medikamentenübergabe nichts geändert habe. Der Patient habe nach wie vor die Arzneimittel vom behandelnden Arzt ausgefolgt bekommen und die Rezeptgebühr dem Arzt bezahlt, ohne daß ihm eine Änderung der Verhältnisse bewußt geworden sei oder bewußt hätte werden können.

Auch mangelndes Entgelt könnte nicht unterstellt werden. Unabhängig davon, daß der Beschwerdeführer regelmäßig die Rezeptgebühren eingehoben habe und daß „sicherlich“ auch Selbstzahler zu seinem Patientenkreis gehörten, übersehe der Beschwerdeführer, daß auch den von ihm ausgestellten Rezepten Entgeltcharakter zukomme; denn der Beschwerdeführer selbst oder jeder andere könnte mit dem Rezept in jeder Apotheke das verschriebene Medikament erhalten oder er könne dieses Rezept an einen Apotheker weitergeben, der hiefür vom zuständigen Sozialversicherungsträger das tariflich festgelegte Entgelt vergütet bekomme. Der Beschwerdeführer trete in diesem Fall einen Anspruch - den er zugegebenermaßen den Krankenkassen gegenüber nicht selbst verwirklichen könne - an einen Dritten ab und erhalte dafür von diesem entweder neue Medikamente oder sonstige Gegenleistungen. Das Rezept selbst verkörpere ein Recht (auf Bezahlung durch den Sozialversicherungsträger oder auf Bezug des verschriebenen Arzneimittels in einer Apotheke) und stelle zusammen mit der eingehobenen Rezeptgebühr das Entgelt für das dem Patienten ausgefolgte Medikament dar. Ins Auge falle dabei auch, daß nach übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und des Apothekers über die gesamte Medikamentenabgabe keinerlei Aufzeichnungen geführt worden wären und ebensowenig ein diesbezüglicher Belegaustausch stattgefunden hätte. Warentransaktionen in der Größenordnung von etwa S 200.000,‑‑ pro Jahr durchzuführen, ohne eine Kontrollmöglichkeit zu haben, entspreche wohl nicht kaufmännischer Gepflogenheit. Auch die festgestellte Art der Inventur der beim Beschwerdeführer befindlichen Waren biete wohl kaum eine geeignete Grundlage für die Abwicklung des Medikamentengeschäftes durch die Beteiligten. Vielmehr weise gerade das Fehlen von Aufzeichnungen und Belegen darauf hin, daß die Übergabe der Medikamente an den Beschwerdeführer Zug um Zug mit der Ablieferung der Rezeptgebühr und entsprechender Rezepte erfolgt sei. Hätte der Beschwerdeführer mit dem Apotheker erst nach Abgabe der Medikamente an die Patienten abgerechnet, dann hätten auf beiden Seiten schon aus Gründen der Evidenzhaltung genaue Aufzeichnungen über die Art und Menge der übergebenen Arzneimittel sowie über die vom Beschwerdeführer ausgestellten und an den Apotheker zu übergebenden Rezepte geführt werden müssen.

Die belangte Behörde läßt es weiters dahingestellt, ob der Beschwerdeführer vom Apotheker für die Medikamentenabgabe eine zusätzliche Gegenleistung erhalten habe oder ob die Abgabe der Medikamente tatsächlich nur eine Serviceleistung an den Patienten dargestellt habe; denn die Abgabe der Medikamente werde auch vom Beschwerdeführer nicht als eigene unternehmerische Betätigung verstanden, sondern richtigerweise der ärztlichen Tätigkeit zugerechnet. Die Medikamentenabgabe stelle - folge man den Angaben des Beschwerdeführers - einen zusätzlichen Dienst am Kunden dar, der lediglich zur Sicherung der Einnahmen als Arzt getätigt werde. Folglich seien die damit in Zusammenhang stehenden Einnahmen, unabhängig davon, ob sie die Ausgaben decken oder nicht, als betriebliche Einnahmen der Umsatzsteuer zu unterziehen. Aus der Tatsache, daß der Vorgänger des Beschwerdeführers tatsächlich eine Hausapotheke geführt habe, daß ferner ein auf ein Agenturverhältnis bei der Medikamentenabgabe hinweisender Aushang in der Ordination des Beschwerdeführers aus rechtlichen Gründen nicht erfolgt sei und daß die Patienten über die Abgabe der Arzneimittel im Namen des Apothekers nicht informiert worden wären, schloß die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer die Medikamente im eigenen Namen abgegeben habe und damit die Rezeptgebühr und die Ansprüche aus den ausgestellten Rezepten nicht als durchlaufende Posten anzusehen seien. Der vom Betriebsprüfer angesetzte Wert der abgegebenen Medikamente sei unbestritten.

Mit den beiden weitgehend wörtlich übereinstimmenden Beschwerden macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete Gegenschriften und beantragte in diesen, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:

Der Gerichtshof kann seine rechtliche Beurteilung des Beschwerdefalles nur auf den von der Behörde festgestellten und nicht auf einen von ihr lediglich vermuteten oder für möglich erachteten Sachverhalt stützen. Nicht auf Feststellungen, sondern auf bloßen Annahmen beruhen aber alle jene Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die darauf hinauslaufen, daß der Beschwerdeführer Medikamente (auch) auf eigene Rechnung abgegeben oder Rezepte auf eigene Rechnung verwertet haben könnte, indem er Medikamente an Selbstzahler verkauft, ausgestellte Rezepte in anderer Weise als durch Weitergabe an den in Rede stehenden Apotheker verwertet oder als Gegenleistung für die weitergegebenen Rezepte (Zug um Zug) entweder neue Medikamente oder „sonstige Gegenleistungen“ erhalten haben könnte. Als - übereinstimmend mit den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens - festgestellt erweist sich allein folgender Sachverhalt:

Der Apotheker übergab dem Beschwerdeführer Medikamente zur Abgabe an dessen Patienten. Im Falle einer solchen Abgabe schrieb der Beschwerdeführer ein Rezept aus und hob vom Patienten die Rezeptgebühr ein. Rezept und Rezeptgebühr übergab der Beschwerdeführer sodann dem Apotheker, Der Apotheker verrechnete das Medikament anhand des Rezeptes dem Sozialversicherungsträger und führte diesem die Rezeptgebühr ab.

Dieser Sachverhalt ist rechtlich folgendermaßen zu beurteilen:

§ 2 Abs. 4 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (UStG 1972) normiert die Tätigkeit der Sozialversicherungsträger als Unternehmertätigkeit. § 6 Z. 6 leg. cit. sieht jedoch für die Sozialversicherungsträger eine Umsatzsteuerbefreiung vor, ohne daß sie vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen wären (§ 12 Abs. 3 letzter Satz UStG 1972). Vielmehr steht den Sozialversicherungsträgern der Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 8 UStG 1972 sogar zu, wenn eine Rechnung auf den Namen des Versicherten lautet.

Sozialversicherungsrechtlich besteht unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch der Versicherten und bestimmter Angehöriger (im folgenden kurz „Patienten“ genannt) auf Bezug von Medikamenten (Arzneien). Es ist dies ein Sachleistungsanspruch des Patienten gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Diesen Anspruch erfüllt der Sozialversicherungsträger unter Mitwirkung eines Vertragspartners, nämlich einer Apotheke. Die Apotheken erfüllen gegenüber den Patienten durch die - von der Rezeptgebühr abgesehen - unentgeltliche Abgabe von Medikamenten keine eigene Verpflichtung, sondern eine Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers (siehe Schrammel in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, Seite 145, sowie § 133 Abs. 2, § 136 Abs. 2, § 338 Abs. 1 und 2, §§ 349 und 350 ASVG, § 92 Abs. 1 bis 3, § 193 GSVG, § 86 Abs. 2, § 181 BSVG, § 61, § 64 Abs. 2, § 128 B‑KUVG). Bezüglich der Rezeptgebühr sehen die Sozialversicherungsgesetze vor, daß diese bei Abgabe des Heilmittels an die abgebende Stelle (Apotheke) für Rechnung des Versicherungsträgers zu zahlen ist (§ 136 Abs. 3 ASVG, § 92 Abs. 3 GSVG, § 86 Abs. 3 BSVG und § 64 Abs. 3 B‑KUVG).

In all jenen Fällen, in denen die Abgabe von Medikamenten entsprechend dieser Rechtslage unmittelbar von einem Apotheker an einen Patienten erfolgt, erfüllt der Apotheker mit der Medikamentenabgabe eine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende Verpflichtung. Bei Erfüllung dieser Verpflichtung stehen einander die Medikamentenlieferung des Apothekers, die mit der vereinbarungsgemäßen Übergabe des Medikamentes an den Patienten als dem Sozialversicherungsträger erbracht anzusehen ist, und die Zahlung des Sozialversicherungsträgers unmittelbar als Leistungsaustausch gegenüber (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 15. März 1977, Slg. Nr. 5103/F). Der Apotheker bewirkt die Lieferung, indem er im Sinne des ersten Satzes des § 3 Abs. 1 UStG 1972 den Patienten im Auftrag des Sozialversicherungsträgers befähigt, über das Medikament im eigenen Namen zu verfügen. Indem der Apotheker auf diese Weise dem Patienten im Auftrag des Sozialversicherungsträgers die Verfügungsmacht über das Medikament verschafft, bewirkt zugleich der Sozialversicherungsträger eine Lieferung an den Patienten (siehe Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuer‑Handbuch3, Anmerkung 4 zu § 3).

Die Lieferung des Apothekers an den Sozialversicherungsträger berechtigt diesen, eine entsprechende Rechnung des Apothekers vorausgesetzt, zum Vorsteuerabzug (vgl. Kranich‑Siegl‑Waba, a.a.O. Anmerkung 10 zu § 12, Seite 336). Die Lieferung des Sozialversicherungsträgers an den Patienten ist, sofern ein Leistungsaustausch stattfindet, steuerbar, aber steuerbefreit.

Im Beschwerdefall erfolgte jedoch keine den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprechende unmittelbare Abgabe der Medikamente durch den Apotheker an den Patienten. Vielmehr übergab der Apotheker die Medikamente einem (keine Hausapotheke führenden) Arzt (Beschwerdeführer), damit dieser über sie bei Bedarf durch Abgabe an seine Patienten verfügen könne.

Auch wenn man nun in der Abgabe der Medikamente an die Patienten eine Lieferung des Arztes sieht, ist diese doch mangels Entgeltes nicht steuerbar.

Der Auffassung der belangten Behörde, daß den Rezepten Entgeltcharakter zukomme bzw. daß der Arzt mit der Rezeptausstellung einen geldwerten Anspruch als Entgelt erworben hätte, ist entgegenzuhalten, daß das Rezept für sich nicht „das Entgelt für das dem Patienten ausgefolgte Medikament“ darstellen konnte, weil der Arzt (Beschwerdeführer) das Rezept selbst auszustellen hatte und daher nicht der Patient das Rezept als Gegenleistung für die Lieferung des Medikamentes durch den Arzt erbringen konnte. Der Patient als Leistungsempfänger hat dem Arzt mit dem von diesem ausgestellten Rezept bzw. mit der Überlassung des Rezeptes an diesen auch keinen geldwerten Anspruch im Sinne eines Entgeltes (Gegenleistung) übertragen. Die Ausschreibung eines Rezeptes durch den Arzt ist nicht nur Voraussetzung für den Anspruch des Patienten auf Bezug eines Medikamentes, sondern auch für den Anspruch des Apothekers auf das Entgelt für das auf Rechnung des Sozialversicherungsträgers ausgefolgte Medikament (vgl. § 350 Abs. 1 ASVG, § 193 GSVG, § 181 BSVG und § 128 B-KUVG). Nach der Lage des Beschwerdefalles hat nun nicht der Beschwerdeführer aus den von ihm ausgestellten Rezepten einen geldwerten Vorteil im Sinne eines Entgeltes erzielt. Die Rezepte dienten vielmehr allein dazu, um dem Apotheker gegenüber dem Sozialversicherungsträger den Anspruch auf das Entgelt für die abgegebenen Medikamente zu verschaffen. Beim Apotheker - nicht beim Beschwerdeführer - bildete dann dieses Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 2 UStG 1972 ein Entgelt von dritter Seite für dessen Lieferung von Medikamenten an den Beschwerdeführer.

Hinsichtlich der Rezeptgebühr aber durfte für die Patienten schon auf Grund der aufgezeigten Gesetzeslage kein Zweifel bestehen, daß sie der Beschwerdeführer nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Namen und auf Rechnung des Sozialversicherungsträgers einhebt, so daß auch die Rezeptgebühr nicht als Entgelt für eine Medikamentenlieferung des Beschwerdeführers angesehen werden kann.

Die belangte Behörde hat sohin die Rechtslage verkannt. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Die Abweisung eines Mehrbegehrens war auszusprechen, weil mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz auch die Umsatzsteuer abgegolten ist und weiters dem Verwaltungsgerichtshof nur je eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war (§ 28 Abs. 5 VwGG 1965).

Wien, am 19. Jänner 1984

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